Bikebergsteigen wörtlich genommen ... genial!
Es tut mir fast ein wenig leid,
@Th. gleich mal vom Thron stossen zu müssen, aber es geht nicht anders
Da hatte ich mir doch tatsächlich 2 Tage freigeschaufelt ... und ich konnte einen alten Plan realisieren:
Der Nördliche Kammweg in der Oberlausitz
Tag #1
Zwischen Königsbrück und der Landeskrone bei Görlitz, immer über die nördlichsten Höhenzüge und Berge, wurde etwa zeitgleich mit dem berühmten Kammweg dieser Weg geschaffen. Auf Basis alter Karten und Wanderführer kann der Weg ziemlich originalgetreu nachvollzogen werden und verläuft gerade auf den "Filetstücken" noch wie früher auf alten Wegen. Ein privates Quartier stand so etwa in Spreenähe zur Verfügung, so dass ich mit leichtem Gepäck unterwegs sein konnte.
Nach einigen Wochen MTB-Abstinenz

stand außerdem die Frage, wann mich das Pferd abwerfen würde. Aber zunächst sitze ich im Zug nach Königsbrück, ärgere mich über einen schleichenden Platten im Hinterrad und stelle fest, dass die Cam keine Speicherkarte hat ... MÖÖÖP! Die Speicherkarte bekomme ich dann nahe des Marktes in Königsbrück, wo die Tour nun beginnt:
Damit es wenigstens optisch etwas nach Bikepacking ausschaut, habe ich eine größere Satteltasche und so ein Mountainfeedbag ans Rad getackert, aber es wäre auch ohne gegangen.
Zunächst folge ich der Pulsnitz, was sich wegtechnisch als suptoptimal erweist: der Weg ist einfach nur zugewuchert, flüssiges Fahren nicht möglich. Immerhin erhasche ich einen Blick auf eine eisenbahntechnische Spezialität:
und erfreue mich an historischen Wasserlenkungsanlagen
In Gräfenhain rolle ich die Landstraße hinein, die bald in historisches Granitkleinpflaster überwechselt. Willkommen in der Granitgegend!
Da lernt man auch, dass die alten Trockensteinmauern die mit den großen Kloppern sind, weil die Leute erst ein Weilchen später die Teile vor Ort in handliche Brocken zerlegen konnten. Hält bis heute:
Am Fuße des Keulenberges treffe ich auf diese Hütte, mitsamt Feuerstelle. Ja, das fühlt sich ja fast schon tschechisch an: erst die Dörfchen, in denen die Zeit scheinbatr stehengeblieben ist ... und nun noch das hier ... natürlich mit Feuerchen
Während ich so durch die Wälder und Wiesen rolle, fallen mir immer mehr Gemeinsamkeiten ein: die Speisekarte, die sich hier in der Gegend und im Böhmischen seit Jahrzehnten kaum geändert hat (Soljanka hier - Knödel da!) ... die romatische Verehrung des Häuschen im Grünen ... alte Fahrzeuge (DDR-Multicar hier - Jawa-Moped da!). Ich erkläre schon im Geiste die Gegend zum assoziierten Mitglied der Tschechischen Republik ... Schilder für Radfahrer mitten im Wald! Wie in Tschechien!!
Da nimmt dann doch der Uphill meine Aufmerksamkeit in Anspruch, bald schon schiebe ich. Das ist im ausgewaschenen Mittelteil anstrengend genug:
Klaro, dass ist ja auch so ziemlich genau *der* Downhill am Keulenberg. Aber den Falschrumtrail des Tages vergebe ich diesmal nicht, da kenne ich die Gegend schon seit Kindesbeinen zu gut und zwangsweise sind auf der Tour 50% aller Trails "falschrum".
Oben geht es erstmal auf den Turm hoch
und der Blick schweift über die in die Ebene auslaufenden Hügel der Westlausitz:
Am Horizont ist sogar der Hohe Schneeberg auszumachen:
Da ich ja nun ausnahmsweise nicht im Böhmischen toure, gibt es zumindest geschmackliche Anleihen:
Nun verlasse ich die Originalroute und traile über einen Wanderweg unweit der Versorungsstraße hinab. Der erste Selfie ist noch etwas ungelenk:
Bis Pulsnitz geht es schlicht und einfach die Landstraße entlang, wie im Original. Der Weiterweg wird durch lokales Obst versüßt:
Plötzlich riecht es weihnachtlich ... es wird noch süßer. Ohne gefüllte Spitzkuchen fahre ich hier nicht weiter:
Dann geht es via Kirchsteig Richtung Schwedenstein:
Oben schenke ich mir den Turmaufstieg, raste nur kurz und umgehe wiederum die originale Routenführung (asphaltierte Versorgungsstraße) über einen Wiesentrail. Gleich tauche ich in die weitläufigen Wälder rund um den Hochstein ein, erfreue mich an diesem Restloch des Granitabbaus
und bemerke auch hier die vorbildlich ausgeschilderten Radrouten nebst komfortablen Rastmöglichkeiten:
In 3 Millionen Jahren gibt es ja vielleicht auch eine Weiterführung nach Dresden hinein *träum*
So rolle ich über die Forstwege, bis der Trail zum Hochstein anfängt. Heimatfreunde halten hier das Andenken an den Nördlichen Kammweg wach:
Da die Aussicht auf dem Hochstein zugewachsen ist, folge ich einem Schild mit der Aufschrift: "Elbtalblick". Ein klein wenig kann der Blick in die Ferne schweifen:
Oben angekommen, die Überraschung: Die Bäume sind weg

Da ist also der Hochstein (Westlausitz) in voller Pracht:
Diesmal habe ich jedoch ein fixes Tourenziel und recht enges Zeitfenster, so dass ich mich gleich weiter bergab rollen lasse. Die unzähligen Bucheckern knickern und knacken unterm Pneu, ich folge dem gelb markierten Weg bis fast zur Autobahn und schlage dann einen Haken zur Wildbrücke unweit der Originalroute:
Damit die Kröte nicht auf die Karosse knallt, hat man sogar an ein spezielles "Schutzblech" gedacht
Nun toure ich durch Waldstücken, Felder und Wiesenfetzen, und eher unschwer erreiche ich den Butterberg.
Also, *der* Spielplatz gefällt:
Neben der Gastwirtschaft aus alten Zeiten
gibt es auch noch eine Streichelzoo mit heimischen Tieren.
Weiter geht es bergab zur Jadghütte, einen Kaffee könnte ich jetzt schon vertragen. Gute Idee:
So versüße ich mir moralisch die noch vor mir liegenden Höhenmeter: Klosterberg, Großer Picho und Mönchswalder wollen heute noch bezwungen werden
Doch zunächst gibt es erstmal eine schöne verwurzelte Abfahrt
bevor es dann, teils schwer zu finden, den gelb markierten Wanderweg Richtung Eisenbahnstrecke und an dieser entlang ins Granitdorf Demitz-Thumitz geht. Hier kann man zahllose Restlöcher entdecken, der Klosterberg ist quasi ein einziger Schweizer Käse. Dafür habe ich heute nur keinen Nerv, schiebe schwitzend einen in Fallinie verlaufenden Trail hinauf (ein "Secret Spot" der lokalen Freerider?), vermeide so erfolgreich den markierten, in bequemen weitläufigen Schlaufen sich sanft hochschlängelnden breiten Wanderweg und erreiche schwitzend den Klosterberg.
Nun ändert sich der Charakter erneut: der Kamm ist hier in Art einer Hochfläche ausgeprägt und es mutet bald wie eine Landpartie an:
Nicht nur der Große Picho, auch der Valtenberg ruht still im Sonnenschein des fast noch sommerhaften Spätnachmittags:
Die romatische Idylle zerstiebt jäh als ich den Anstieg zum Großen Picho in Angriff nehme. Also erst wird der Gipfelaspirant mit diesem Untergrund schon weit im Vorfeld zermürbt:
um dann - den Gipfel fast schon erahnend - hier den Rest zu bekommen:
Ich klopfe ab, setze mich direkt vor diesem Trailstück auf die Straße und mampfe ohne Luftholen die halbe Tüte gefüllte Spitzkuchen leer. Womöglich wäre sonst dieses Gefahrenszenario eingetreten:
(Warnschild an Aussicht

)
Eine zweite Aussicht direkt auf dem Berg läßt den Blick weit ins flache Land schweifen, die Boxberger Blumentopferdevernichter machen auch ordentlich Dampf:
Der Kammweg verdient hier wirklich seinen Namen, man fährt geraume Zeit ohne Zwischenanstiege. Kurz vor dem finalen Abstieg zeigt sich der Bieleboh, auch ein lohnendes Tourenziel:
Nun geht es verwurzelt und derbe steil hinab. Kaum unten angekommen verlasse ich die Landstraße auch schon wieder und kämpfe mich in Irgersdorf zwischen gepflegten Bauernhäusern Richtung "Brenner" hoch. Kurz bevor der Wald mich verschluckt, streift der Blick zurück:
Mit scharfem Auge sind sogar Lausche und Tannenberg zu erahnen ...
Weiter geht es zum Jägerhaus an der Paßstraße, die sogar im Winter gesperrt wird, so steil ist es hier. Unter Mobilisierung aller Reserven kurbel ich die Versorgungsstraße zum Mönchswalder hoch. Mist, hab ich etwa schon wirklich den "Granny Gear" drin
Geschafft! Ein gediegenes Berghaus ziert diesen Gipfel:
Nun geht es in wilder Hatz den Berg hinab, ich biege zu meinem Quartier ab und erhasche noch einen letzten Blick auf meine Heimatstadt:
Bei leckeren Snacks, geistigen Getränken und ebensolchen Gesprächen klingt der Tag aus. Mein Sitzfleisch musste heute tüchtig leiden, auch waren die Tourenwerte mit 60 km und über 2000 Höhenmeter absolut am Limit. Aber gelohnt hat es sich auf jeden Fall.
Mit den Gedanken, wie weit morgen meine Sitzfleischreserven reichen mögen, gleite ich in den Nachtmodus über ...
Fortsetzung folgt!
ride on!
tanztee