Danke und auch sonst danke an Alle für die Rückmeldungen und Unterstützungen. Mir ist klar, dass es bei jedem anders ist. Jemandem wie mir ist schon damit geholfen, zu erfahren, wenn es bei einigen gut gelaufen ist und man wieder alles bzw. das was man möchte machen kann.
Im Internet liest man viel und wie ich finde dann sind dort doch immer noch die in der Mehrheit, die wirklich lange danach auch noch Probleme haben. Ich bin mir sicher, dass es auch relativ viele gibt, bei denen alles gut gelaufen ist, von denen man aber nicht so viel hört und liest.
Mein Achillessehnenriss wurde am 21.06. operiert und klar: ich wusste meinen Sommerurlaub mit der Familie so wie wir ihn aktiv (wandern - Radfahren usw.) im Kopf streichen. Bin aber trotzdem die 3 Wochen mitgefahren und habe mich in der Ferienwohnung verbarrikadiert.
Einen Tag war ich mal mit in der Stadt und habe mich auf eine Bank gesetzt während die Familie shoppen war. Habe telefoniert. Dann kam ein Pärchen und der Mann ohne Ende am humpeln. Bleiben vor mir stehen und starren mich an. Ich habe dann nach gefühlt 2 Minuten angestarrt werden das Telefonat beendet und die beiden freundlich gefragt, ob ich was für sie tun kann.
„Den Stiefel kennen wir. Haben sie Achillessehne?! Hatte mein Mann auch. Vor 3 Jahren. Wie sie sehen kann er immer noch nicht richtig laufen.“
Ich war etwas baff und habe nur alles gute gewünscht. Jetzt muss man mich und meinen Psycho-Schädel insbesondere was Krankheiten angeht besser kennen, um zu wissen, dass solche Gespräche mir nicht weiterhelfen. Im Nachhinein hätte ich auch gern mal gefragt, warum sie einem das erzählen. Na ja. Egal.
Anfang dieser Woche wurde mein Stiefel auf jeden Fall auf 0 grad eingestellt und ich bin mir sicher das der doc mir auch gesagt hat, ich soll ruhig mal ohne Krücken versuchen.
Konnte mich noch nicht überwinden.
Ich verstehe das alles sehr gut. Mir ging es genau so. Normalerweise bin ich sehr unerschrocken und mag Herausforderungen, habe auch schon Jobs gerockt bei denen andere weggerannt sind. Aber die Einschränkungen in der Selbstständigkeit und vor allem die Ängste vor der schlechten Heilung haben mich völlig unsicher gemacht. Das war psychisch eine meiner schwersten Phasen.
Ich hätte mir mal eine zweite Expertenmeinung einholen sollen und vielleicht mal bei meinem Orthopäden als Selbstzahler einen längeren Termin machen, um mir einige Sachen erklären zu lassen. Es kann gut sein, dass der Arzt einfach sieht, dass deine Verletzungen längere Zeit zum Heilen braucht. Dann nimmt man das einrosten des Gelenks in Kauf, denn die Motorik lässt sich durchaus gut wiederherstellen. Das ist das viel kleinere Thema, nachdem die Sehne erstmal ausgeheilt ist und die Sehnenscheide wieder ihre Funktion erlernen kann. Ich war sehr eingerostet, habe erst mit dem Physiotherapeuten gearbeitet und später noch viele Spaziergänge gemacht. Heute kann ich wieder Bergwandern mit schwerem Gepäck.
Jetzt halte ich zwei Sachen für ziemlich sicher. Einmal ist es unwahrscheinlich, dass du eine extrem gute oder extrem schlechte Heilung hinlegst. Also wirst du weder in drei Jahren humpeln, noch drei Monate nach der OP wieder Basketball spielen oder fitter sein als vorher. Du wirst einfach irgendwo dazwischen liegen.
Zum anderen hat ein Achillessehnenriss uU Gründe. Klassiker sind Fußfehlstellungen oder verkürzte Wadenmuskulatur. Beides bei uns nicht nur verbreitet sondern Normalität. Ich gehe also davon aus, dass du nicht in dem körperlichen Top-Zustand bist, den vor 5.000 Jahren in der freien Natur jeder von uns gehabt hätte. Ich behaupte also mal: wenn du dir nach der (vielleicht mittelmäßigen) Heilung eine Zehnerkarte bei einem Personal Trainer holst und über neun Monate mit einigen verschiedenen Trainingsplänen gewissenhaft arbeitest. Dann wirst du mobiler, fitter, schneller, agiler und geschickter als je zuvor in deinem Leben. Alles das ist bei mir der Fall und ich hatte keine gute Heilung vor 4 Jahren!
Was du im Moment lernen kannst, ist mit Ängsten, Unsicherheit und mangelnden Informationen umzugehen. Das ist ein rein psychisches Thema.
Du musst in deinem Leben niemals mehr erreichen, als den aktuellen Tag halbwegs würdevoll mit vertretbaren Entscheidungen und Taten über die Bühne zu bringen. Wir überschätzen, was wir in einer Woche erreichen können und müssen. Und wir unterschätzen, was wir in einem Jahr an Verbesserung erreichen können.
Was du in 2-30 Monaten lernen kannst, ist fitter als je in deinem Leben zu werden. Mit oder ohne toller Heilung. Wir Zivilisationsmenschen sind voller Fehlhaltungen und verkümmerter Muskeln, da kann man mit mittelviel Arbeit sehr viel Gesundheit für den Rest des Lebens gewinnen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Sehne noch mal reißt, ist genauso niedrig wie vor der OP. Das Vertrauen muss man aber über lange Zeit wieder aufbauen.
Alles Gute!