Und wieder einer...
Unfall war am 26.09.2021. Habe mich mit dem Rennrad in Reisegeschwindigkeit (30-35km/h) an einer Bodenschwelle auf dem Radweg überschlagen und bin im Grünstreifen auf Kopf/Rücken/Schulter gelandet. Danach noch nach Hause gefahren (~ 50km) und dann in die Rettungsstelle. Röntgen erbrachte Hochstand des Schlüsselbeins um mehr als eine halbe aber weniger als eine Schaftbreite (leichte Überlappung der Gelenkflächen) . Keine Frakturen.
27.09.: Vorstellung beim Orthopäden, Sonografie, Klaviertastensyndrom -> Überweisung MRT
28.09.: MRT durchgeführt, Wiedervorstellung beim Orthopäden mti den Bildern am gleichen Tag, Überweisung zum Chirurgen am KH wegen Prüfung der OP-Indikation
30.09.: Vorstellung beim Chirurgen am KH, Befundbesprechung MRT
Ergebnis:
- Größtenteils Diskontinität der akromioklavikulären Bänder (Ruptur)
- Ödem der korakoklavikulären Bänder ohne Beleg einer Diskontinuität (nur Zerrung)
- Rissbildung im Labrum mit Beteiligung des Bizepssehnenakers
- Tossy 2/3
Orthopäde und Chirurg haben mir die Art der Behandlung (konservativ vs. operativ) freigestellt.
Einen Tag Rucksackverband ausprobiert und dann wegen erwiesener Nutzlosigkeit wieder abgelegt und den OP-Termin bestätigt.
04.10.: OP-Voruntersuchungen
05.10.: Offenchirurgische OP mit Hakenplatte
07.10.: Entlassung KH
09.10.: Letztes Tilidin
10.10.: Letztes Iboprofen, danach schmerzmittelfrei
13.10.: Aufnahme Arbeit (50%) aus dem Homeoffie (Bürojob)
15.10.: Letzter AU-Tag und erster Tag auf dem
Rollentrainer.
Seitdem geht alles so seinen normalen Gang.
Meine Take-aways aus dem Ganzen:
- Das Wichtigste am Anfang ist die Klärung der OP-Indikation und die OP-Entscheidung (ja/nein)
- Es muss schnell gehen, es sind in relativ kurzer Zeit viele Termin zu organisieren (Röntgen, Orthopäde, MRT, Chirurg, Voruntersuchung OP, OP-Termin) und man muss teilweise etwas Druck machen, Untersuchungstermine und zeitnahe Befunde zu erhalten. Das Zeitfenster für eine OP bei akuter AC-Sprengung ist eng.
- Ohne MRT kann eine OP-Indikation bei AC-Sprengung mE nicht sinnvoll gestellt werden. ih jedenfalls würde vor einer OP gerne wissen wollen, welche Bänder wie stark geschädigt sind.
Folgende Aspekte haben mir bei der OP-Entscheidung geholfen:
- Ausblenden von allem, was mit persönlichem Einsatz zusammenhängt (Schmerz, Mühsal, Leidenszeit, temporäre Funktionseinschränkung, etc.). Ob die Heilung 6 Monate dauert (OP) oder 6-8 Wochen (konservativ), ob ich den größten Teil der Zeit eingeschränkt bin (Hakenplatte) oder schon frühzeitig wieder aufs Rad kann (konservativ), hat bei meiner Entscheidung keine Rolle gespielt. In Relation zu meiner Restlebenszeit sind das alles Peanuts. Ich habe letztlich meinem geplanten Bike-Urlaub abgesagt. Mach ich das halt nächstes Jahr.
- Prüfung des Narkose- und Wundinfektionsrisikos: Ich habe keine Vorerkrankungen, kein Diabetes, keine CVD, keine Immunschwäche und auch sonst nichts, was mit einem erhöhten Narkose- und Wundinfektionsrisiko verbunden ist. Daher habe ich diesen Aspekt bei der Entscheidung ebenfalls komplett ausgeblendet.
- Es blieb dann nur noch die Entscheidung anhand der Erfolgswahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung des Befunds. Mein Befund ergab, dass das AC-Gelenk vollständig zerstört und alle Bänder gerissen sind. Auch wenn die korakoklavikulären Bänder (weitgehend) intakt sind, wächst das konservativ nicht mehr von alleine zusammen. Der Körper baut das Material ab und ersetzt das durch knorpeliges Gewebe. Es bildet sich Pseudo-Gelenk heraus, das mal besser mal schlechter funktionieren kann. Demgegenüber wird in einer OP der anatomisch korrekte Zustand wieder (fast) vollständig hergestellt (der Diskus war völlig zerquetscht und nicht mehr zu retten). Es besteht die realistische Chance auf einen Gelenkzustand fast wie vor dem Unfall (auch wenn es natürlich keine Garantie gibt).
- Entscheidung des kleinstens Bedauerns: Ich habe mich gefragt, welchen Zustand ich mehr bedauern würde:
- Ich maches es konservativ, es geht schief, habe permanente Funktionseinschränkung und/oder Schmerzen und mach mir Vorwürfe, es damals nicht operativ versucht zu haben, was jetzt mit chronischer AC-Sprengung schwieriger und mit geringeren Erfolgsaussichten verbunden ist
- Ich mache es operativ, es geht schief (Repositionsverlust), habe permanente Funktionseinschränkung und/oder Schmerzen und mach mir Vorwürfe, es damals nicht gleich konservativ versucht zu haben, weil ich jetzt ein halbes Jahr sinnlose Leidenszeit und Einschränkungen hatte.
- Vielen Dank an alle, die hier im Forum geschrieben haben. Mir haben Eure Beiträge vor allem dabei geholfen, meine anfangs sehr starke emotional geleitete Abneigung gegenüber einer OP zu überdenken und zu verscuhen, einen rationalen Zugang zu einer OP-Entscheidung zu finden.
Zur Art der OP: Zweizeitige, offen chirurgische OP mit Hakenplatte oder arthroskopische OP mit Tight-Rope (o.ä.)
Neben einem verringerten Narkose- und Wundinfektionsrisiko und weniger Schmerz- und Leidenszeit (= höhere Patientenakzeptanz) besteht der größte Voteil des arthorskopischen Verfahrens mE darin, dass die deltotrapezoidale Faszie nicht großflächig abgelöst werden muss, um an das Gelenk zu gelangen. Oft verbleibt deswegen bei Hakenplatten-OPs eine Restinstabilität im AC-Gelenk. Demgegenüber besteht bei minimalinvasiven Eingriffen ein höheres Risiko für Implantatversagen (Band reißt, Anker wandert im Knochen, et.). Ich habe mich nach eingehender Beratung und Inanspruchnahme einer Zweitmeinung für die Hakenplatte entschieden.
Ich bin jetzt am Ende der sechsten Post-OP-Woche. Nächste Woche geht es mit der Physio los. Ziel ist Bewegungsstabilität bis zur Materialentfernung entsprechend des Therapie-Leitfadens der DGOU:
Nachbehandlungsempfehlung der DGOU
Ich werde gelegentlich über den weiteren Fortgang berichten.