Fortsetzung:
2. Erkenntnis 2: Wanderer halten Toleranz und Rücksichtnahme für eine Grundvoraussetzung, weshalb sie dies fast gar nicht explizit fordern:
Toleranz und Rücksichtnahme werden wahrscheinlich deshalb fast gar nicht explizit gefordert (9,1 %), weil sie aus Sicht der Wanderer schlichtweg Grundvoraussetzungen darstellen. Den Dialog zu fordern bedeutet für die Wanderer eher (18,2%), mögliche Konflikte zwischen Wanderer und Mountainbikern stärker zum Thema zu machen oder eben ein rücksichtsvolleres Verhalten der Mountainbiker zu schulen. Soweit die Wanderer in der "Soziale Konflikte-Studie" Toleranz und Rücksichtnahme für eine Grundvoraussetzung halten, weshalb sie dies fast gar nicht explizit fordern, entspricht dies auch der, dem Grundrecht auf Naturgenuss und Erholung in der freien Natur aus Art. 141 Abs. 3 BV, immanenten Schranke der Gemeinverträglichkeit.
3. Erkenntnis 3: 27,3 % der Wanderer fordern Verbote um präventiv die Konfliktwahrscheinlichkeit zu reduzieren:
a) Wanderer sehen im Gegensatz zu Mountainbikern strikte Regelungen und Verbote als sinnvolle Lösungsansätze an, um sich selbst bzw. ihre Interessen zu schützen. Getrennte Wege (18,2%) und Einschränkungen; Verbote (27,3 %) sollen im präventiven Sinne dazu führen, dass sich die Konfliktwahrscheinlichkeit reduziert.
b) Auch die Studie „Mountainbiking und Wandern", die Helga Wessely für die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege 1998 durchgeführt hat, verhält sich zu Konflikten. Die Anzahl der Wanderer, die am Staubtalweg die Begegnung mit Mountainbikern als konfliktträchtig einstuften, lag bei 27 %. Angesichts der potentiell stark konfliktträchtigen Situation liegt der Wert erstaunlich niedrig.
c) Die neueste Studie aus Deutschland zum Themenbereich dürfte Walderholung mit und ohne Bike? aus dem Schwarzwald 2014 sein. Ergebnis der Befragung (Seite 15): 27 Prozent der befragten Wanderer fühlten sich am Tag der Erhebung in unterschiedlichem Ausmaß durch Mountainbiker gestört (gar nicht 73%, etwas 20%, ziemlich 5%, sehr 2%).
d) Auf ein ganz ähnliches Ergebnisse kommt die "Soziale Konflikte-Studie" Harz, 2008: Aus Sicht der Wanderer sind Mountainbiker und Radfahrer „Problempartner", das aber lediglich für etwa ein Viertel der Befragten (26,4 %). Quelle: Wandertourismus, 2009
e) Auch die neueren Studien aus 2008 (Harz) oder 2014 (Schwarzwald) bestätigen, was WÖHRSTEIN 1998 in Mountainbike und Umwelt schon bei der Auswertung früherer Studien erkannte: Einen Hinweis zur Interpretation dieses Befragungsergebnisses liefert die Arbeit, die von ZIEGLER 1993 am Donautalradweg erstellt wurde. Dieser Weg wird von Fußgängern wie Radfahrern gleichermaßen benutzt. ZIEGLER kommt zu dem Ergebnis, dass sich bei einem Radfahreranteil von sechs Prozent, von 50 Prozent wie auch von 80 Prozent, ein beinahe gleichbleibender Anteil von 25 Prozent der Fußgänger durch die Radfahrer gestört fühlt. Daraus ist zu schließen, dass es unter den Fußgängern einen Anteil von ungefähr 25 Prozent gibt, der sich grundsätzlich von Radfahrern gestört fühlt, unabhängig davon, wie viele Radfahrer unterwegs sind und wie hoch das Störpotential dadurch tatsächlich ist. Dieses Ergebnis widerspricht der Vermutung von WEIGAND, der annimmt, dass bei steigendem Radfahreranteil auf den Forstwegen um den Großen Feldberg auch die Anzahl der sich gestört fühlenden Fußgänger zunimmt.
f) Auch in Österreich findet sich nach der aktuellen Umfrage von meinungsraum.at trotz gänzlich anderer gesetzlicher Rahmenbedingungen das Viertel der Wanderer wieder, die sich durch Radfahrer gestört fühlen. Hier allerdings nur bei der Generation 50+ mit 24 %, bei den unter 50-Jährigen sind es sogar nur auf 9 % und insgesamt lediglich 20 %.
g) Neben den bereits aufgeführten Veröffentlichungen findet sich auch eine sehr aufschlussreiche Aussage in der Konfliktanalyse aus 2006 (S. 127): Eine von den Mountainbikern ausgehende gesundheitliche Gefährdung der Wanderer durch Begegnungen wird relativiert: "Also das halte ich persönlich jetzt subjektiv für einen Witz, muss ich ihnen ehrlich sagen" (SWV). Eine solche Aussage vom Schwarzwaldverein, der mit knapp 70.000 Mitgliedern zweitgrößten deutschen Wanderverband, relativiert auch die Notwendigkeit der Wanderer sich durch die Forderung von Verboten zu schützen (sh. oben).
Diese Erkenntnisse werden auch getragen von Rainer Brämer, dem (vgl. hierzu Wikipedia) deutschen Wanderexperten und "Wanderpapst", Leiter der Forschungsgruppe Wandern am Institut für Sport und Erziehungswissenschaft, Gründungsmitglied und Vorsitzender des deutschen Wanderinstituts e. V. und im Gremium "Projektpartner Wandern", welcher als Fachberater, Gutachter und Moderator agiert. Dieser bestätigt in seiner Veröffentlichung "Feindliche Brüder - Hiker und Biker konkurrieren um Wege" (2008), dass sich zwar 1/4 der Wanderer durch die Rad fahrende Konkurrenz gestört fühlt, dies aber seine Ursache letztlich darin findet, dass bei Erhebung der Frage zur Frustrationstoleranz lediglich potentielle, keine tatsächlichen Probleme an die Wanderer herangetragen wurden. Ob es tatsächlich zu Konflikten gekommen ist, bleibt offen. Dies deshalb, weil es in der Regel keine Konflikte gibt.
Fortsetzung folgt ...