hach ja, laßt mich halt auch ma bissl mitsülzen.
Also: das Mehrgewicht eines guten Fullies gegenüber einem guten Hardtail liegt bei 0.5 bis 1,0 kg. Mehr nicht. Und die spürt man NUR, wenn man Rennen fährt, und das wirklich ambitioniert. Sonst nicht (in diesem Thread klingt das, als ob fast alle Spitzenklasseprofis wären).
Es gibt Untersuchungen, die ergaben, daß ein Fully die Rückenbelastung um ca. 25% reduziert. Allerdings macht ein Hardtail mit GEFEDERTER SATTELSTÜTZE das gleiche in der Größenordnung von ca. 20%. rechnet man beim Hardtail die Federsattelstütze dazu, schrumpft der Gewichtsunterschied zum Fully auf nicht mehr als 0,5 kg. Die genannten Untersuchungen genügen meines Wissens nicht in jeder Hinsicht wissenschaftlichen Anforderungen, aber einen deutlichen Hinweis geben sie allemal. Und an alle Hardtailfahrer, die über gefederte Satteltützen schmunzeln: ich kenne USE XCR und Rock Shox persönlich gut, und beide sind vollauf empfehlenswert. Die USE ist sensibler und weniger gedämpft, die RS ist mäßig sensibel, hat aber eine erstaunliche Eigendämpfung (für Fahrer zwischen 70 und 85 kg). Aber das nur nebenbei.
Der eigentliche Vorteil des Fullyies liegt aber in der Traktion. Bergauf merkt man das besonders, wenn man bei vorverlagertem Gewicht, besonders im Wiegetritt, über Hindernisse rollt; da bleibt das Hinterrad am Boden, beim Hardtail hüft es, dreht durch, die Geschwindigkeit sinkt auf Null, und wenn man zu wenig Kraft übrig hat, um wieder zu beschleunigen, kippt man um. Bergab hüpft das Hinterad beim Hardtail allemal, auch schon bei kleinen und kleinsten Hindernissen, und verspringt dabei so manches mali; das kann wirklich brenzlig werden. Auch dicke
Reifen ändern da nichts, die sind im übrigen auch fürs Fully empfehlenswert. Insgesamt hat man vollgefedert einfach viel mehr Führung.
Primär hat man natürlich mit dem Hardtail mehr Gefühl für den Untergrund, aber dieses Gefühl kann man auch für das Fully entwickeln. Und natürlich steckt man etwas Energie in die Hinterradfederung. Allerdings dürften das bestenfalls 5% bis allerhöchstens (sehr kurzzeitig) 10% sein, höhere Werte sind unrealistisch. Diesen Kraftversust spart man aber auf längeren Strecken mit dem Fully (so ab 25 km würde ich schätzen) durch die verminderte Haltearbeit in den Beinen und v. a. im Rücken locker wieder ein. Auch hierüber soll es Kleinststudien geben, die diese These stützen.
Das mit dem Wippen bei kann ich nur bedingt nachvollziehen. Im Sitzen sollte das bei korrekt eingestellter Federung kein wirklich spürbares Ding sein. Im Wiegetritt macht sichs natürlich bemerkbar, aber dafür hat man im Fall des Falles eben auch den Traktionsvorteil, und der ist gerade in anstrengenden Passagen nicht zu unterschätzen, Rhythmus ist das Stichwort. Lockout halte ich für Unsinn; wer fummelt den dauernd am Bike rum, womöglich noch während der Fahrt und unter großer Sauerstoffschuld...
Den berühmten Pedalrückschlag spürt man aus meiner Sicht nur in sehr, sehr seltenen Spezialkonstellationen (große Schläge auf dem kleinen Kettenblatt sind wegen der dann niedrigen Geschwindigkeiten sehr selten), im allgemeinen Fahrbetrieb ist das kein Thema.
Ein bislang unerwähnter Nachteil des Fullies ist ein gewisses "Eigenleben" bzgl. des Tretlagers: die Tretlagerhöhe schwankt bisweilen unkalkulierbar, so daß unter ungünstigen Konstellationen, geade in schwierigen langsamen und technischen Passagen, Aufsetzer der Kurbeln auf dem Boden auftreten können (insbes. bei Fullies mit tiefem Schwerpunkt, z. B. Specialized FSR). Man kann auch als geübter Fahrer eben die Kombo aus Eigenbewegung, Bikebewegungen und Veränderungen des Untergrundes nicht immer 100%ig vorausberechnen.
Auch haben Fullies einen etwas höheren Wartungsaufwand. Aber moderne Luftfederelemente sind schon außerordentlich zuverlässig geworden und funzen auch bei Eingelenkern astrein. Und wer als leichter Hardtailfahrer eine Luftgabel fährt, kann darüber eh nicht meckern, weil die auch einen gewissen Wartungsaufwand hat.
Ein Fully ist teurer, kene Frage (aber wer bitte schön braucht denn für das gesparte Geld beim Hardtail eine XTR-Ausstattung? Das ist doch nur was für Hardcore-Pro's, den Unterschied zu XT merkt eh keiner wirklich). Und das Argument mit den Federgabeln vor einigen Jahren wurde ja schon genannt (und das ist sicherlich nur allzu wahr).
Summa summarum: wer das Geld hat und nicht auf die aller-allerletzten Sekunden im Rennen angewiesen ist, fährt mit einem modernen Fully besser. Hardtail hat seinen Reiz durch die Ursprünglichkeit und den technisch naturgemäß etwas höheren Anspruch.
Boah ey, jetze fühl ich mich besser.
Wohlsein,
jpm