ich bin mir nicht sicher ob das mit der kettenblattregel jetzt auch so eine falsche annahme ist?
Die "Kettenblattregel" ist eigentlich eine vollkommen richtige Annahme. Wenn man davon ausgeht, dass das System nur aus einem übersetzten Antrieb und einem Hebelarm besteht, und mit einer variablen Frequenz und festen Kraft angesteuert wird. Man verändert den Hebelarm, und muss die Veränderung durch Übersetzung und Frequenz kompensieren.
Würde das System von einer Maschine bedient (deren Wirkungsgrad bei jeder Drehzahl gleich ist), wäre es immer noch richtig.
Unklarer wird es dann, wenn ein Mensch das System bedient, der Muskeln, Gelenke, Gelenkkapseln, Sehnen und ein Herz-Kreislauf-System besitzt. Wie der Mensch funktioniert, weiß man nicht so ohne weiteres, außer man vermisst jeden einzelnen aufwändig. Daher kann die "Kettenblattregel" genauso falsch wie richtig sein, und alles dazwischen.
Es gibt da gleich zwei problematische Annahmen:
- der Wirkungsgrad in Abhängigkeit von der Trittfrequenz ist absolut nichtlinear. Du sagst ja selber, Trittfrequenz geht auf den Puls. Nicht jeder kommt mit denselben Trittfrequenzen gleich gut zurecht. Dann auch noch: man kann sich daran gewöhnen und es sich antrainieren.
- der Kraft-Input in das System ist sehr variabel. Abhängig wie "wohl" sich die Muskulatur und Gelenke fühlen, und wie günstig die benötigte Kraftrichtung zur Position der Gliedmaßen ist, ist ein menschlicher Körper dazu in der Lage, mehr oder weniger Kraft auszuüben. Der Körper schützt sich vor schädlichen Belastungen dadurch, dass irgendwann die Muskeln einfach die Arbeit verweigern, ist die Belastung im grünen Bereich, dann gibt er hingegen alles frei, was er aufbringen kann. Und bei bestimmten Winkeln der Gliedmaßen und Gelenke relativ zur Richtung der Kraftausübung ist die Zugrichtung der Muskeln auch einfach ungünstig.
Es kann also passieren, dass der Mensch bei Verkürzung des Hebelarms mehr Kraft aufbringen kann weil seine Gelenke und Muskeln mit der neuen Situation glücklicher sind. Dann braucht er entweder kein kleineres Kettenblatt oder kann sogar ein größeres benutzen, weil er den Hebelarm über Kraft kompensieren oder sogar überkompensieren kann.
Es kann auch passieren, dass der Mensch durch Verkürzung des Hebelarms weniger Kraft aufbringen kann, weil die neue Situation für ihn biomechanisch schlechter ist. Der wird dann sogar ein noch kleineres Kettenblatt benötigen als errechnet, und wenn sein Herz-Kreislauf-System dann auch noch bei der nötigen Trittfrequenz nicht mitspielt, dann geht seine Leistung signifikant in den Keller.
Oder der Mensch ist tatsächlich so wie die Maschine und bringt mit beiden Hebelarmen dieselbe Kraft auf, weil es seiner Biomechanik egal ist. Dann liegt die "Kettenblattregel" vollkommen richtig, und es kommt nur noch auf das Herz-Kreislauf-System an, ob es die höhere Frequenz toleriert oder nicht.
Will heißen: es ist nicht falsch, die einfache Annahme mit der "Kettenblattregel" im ersten Moment zu treffen. Einfache Annahmen als Startwert machen Sinn. Aber man sollte sie nicht überbewerten, weil sie sich in der Praxis als individuell unzutreffend herausstellen
könnte. Ich bin da mein eigenes Beispiel, bei mir trifft sie im Praxistest schonmal nicht zu.