So, jetzt reden wir beide auch gehörig aneinander vorbei. Zuerst mal, ich habe überhaupt nie einem expliziten Punkt von dir widersprochen, sondern lediglich ein angesprochenes Beispiel präzisiert. Ich bin ganz dabei, dass es kaum Sinn macht, die Kontaktpunkte an verschiedenen Bikes unbelastet in der Ebene gleich einzustellen, wenn die Bikes unterschiedliche Federwege, FC/RC und/oder Kinematiken haben, weil wie richtig gesagt sich das beim Fahren dahingehend auswirkt, dass die Fahrpositionen eben nicht mehr gleich sind, weil sich durch die Änderungen beim Fahren (Belastung durch Fahrer, Gefälle) eben nicht dieselben Verschiebungen in der Radgeometrie bei den Bikes ergeben.
Wieso was vergleichen auf einer idealen Retortenstrecke, die in der Praxis keinerlei Bedeutung hat? Egal ob EWS oder DH oder auch nur Hobbytrail: Bist du schonmal eine anspruchsvollen Trail oder eine WC-DH oder EWS Strecke mit "durchschnittlichem Gefälle" "gleichmäßig" und "ohne Bremsen" gefahren?
Ich komm echt nimmer mit.
Natürlich geht es nicht darum, dass man eine einheitliche/gleichmäßige Abfahrt fahren will, aber wenn man schon irgendwelche Geometriedaten vergleichen will - was ich ja gar nicht will in diesem Kontext - dann macht es halt jetzt keinen Sinn, ein Standbild aus einem DH WC zu nehmen, daraus irgendwelche Geometriewerte zu messen und die vergleichen zu wollen, allein schon deshalb, weil kein anderer Fahrer exakt genauso an dieser Stelle unterwegs sein wird. Vergleichbarkeit setzt Reproduzierbarkeit voraus, was dann in aller Regel eine Einschränkung in der Praxisnähe bedeutet. Am weitesten kommt man wahrscheinlich über Datenlogging und Mittelwertbildung, aber das gibt es halt bisher nur im WC und nicht in Fahrradtests von Medien.
Das nur zum Thema Daten, die dann objektiv sind. Eine Beschreibung von Erfahrungen durch einen Tester sind zweifellos praxisnäher, aber eben auch subjektiv und deshalb auch nur eingeschränkt vergleichbar. Diesem Dilemma muss sich jeder bewusst sein, der entweder Geometrietabellen studiert oder Testberichten liest, um daraus eventuell Kaufentscheidungen abzuleiten.
Wir können gerne mal zusammen Fahrrad fahren gehen.. Da will ich mal sehen, wie du mich mit 25% Sag an der Gabel irgendwo heile runterbekommen willst. Grundsätzlich versuche ich meinen Federweg an der Gabelim Idealfall nie vollständig zu nutzen. Denn wenn das passiert, dann ist's aus mit Federweg und deine Hände bekommen einen ultraharten Einschlag ab. Das sind dan im schlimmsten Falle Überlasten, die ein Handgelenk nicht mehr mitmachen (so geschehen unserem Flo vor ein paar Wochen, als er sich das Handgelenk gebrochen hat: Durchschlag vorne, und da war's dahin mit dem Handgelenk. Solange eine Gabel nicht durchlägt, kann eine trainierte Hand die Kräfte, die von der Gabel kommen in der Regel noch stemmen. Voller Federweg vorne heißt für mich: Es ist gerade etwas grundlegend schief gelaufen und ich bin froh, dass ich nicht noch weniger Druck gefahren bin. Die letzten 5-10mm sind für mich Sicherheitsreserven für Extemsituationen, die so nicht geplant waren. Ich stelle meinen Sag demnach an der Gabel nicht in Millimetern oder Prozent ein, sondern passe den Druck an, wie ich meine, dass er mir passt und wie ich es an der jeweligen Strecke gbruachen kann. Das ist mal ein wenig mehr, mal ein bisschen weniger. Aber von 1/4 des Federweges bin ich da IMMER sehr weit entfernt. Ich würde sogar schätzen unter 20% (gehen wir man davon aus, dass ich halbwegs zentral auf dem Bike stehe).
An allen meinen Bikes fahre ich zudem vorne deutlich weniger Sag als hinten. Da ich hinten meist Stahlfeder fahre, wäre das mit dem genauen Sag eintellen auch gar nicht so einfach, weil es Federn handels üblich nur in 50lbs Schritten, im besten Falle in 25lbs Schritten gibt. Gleicher Sag vorne und hinten ginge für mich überhaupt nicht.
Wie misst du den Sag? Im Sitzen, im Stehen? Jedenfalls in der Ebene. Wie ist da die Radlastverteilung? Etwa ⅔ hinten, 1/3 vorne. (Wäre exakt so, wenn du im Stehen misst, keine Belastung auf den Lenker gibst, dein FC doppelt so lang wäre wie dein RC und wir mal das Bike selbst als schwerelos ansehen.) Dann nehme ich mal an, du wiegst 60 kg. Dann lastet beim Sag messen also etwa 20 kg auf der Gabel und 40 kg auf dem Hinterbau. Sagen wir, das ergibt 15% Sag an der Gabel und 30% am Dämpfer. Außerdem nehmen wir an, du hast vorne und hinten Stahlfeder und der Hinterbau ist komplett konstant im Übersetzungsverhältnis. Dann fährst du irgendwo bergab entspannt dahin, die Lastverteilung auf den Rädern ist dabei nun 50/50, was insofern ideal wäre, weil du dann zB die höchste Kurvengeschwindigkeit fahren könntest, ohne dass dein Vorder- oder Hinterrad den Grip verliert. Auf der Gabel lasten nun also 30 kg im idealisierten Beispiel und auf dem Hinterbau ebenfalls. Würdest du nun das Einfedern messen, also eine Art Fahr-Sag, dann würdest du an der Gabel ein Einfedern auf 22,5% (3/2 von 15%) des Federwegs messen (Stahlfeder! Auslenkung proportional zur Belastung) und am Hinterbau ebenfalls 22,5% (3/4 von 30%). Sprich die Federhärte an der Gabel im Verhältnis zur Belastung ist ident zur Federhärte am Hinterbau im Verhältnis zur Belastung - jeweils im Fahrbetrieb! Du hast also ein komplett harmonisches Fahrwerk! Ist jetzt klar, was ich meine? Ich hab an meiner Gabel keine 25% Sag, sondern irgendwo zwischen 15% und 20%, gemessen wie üblich (ist Stahl, deshalb schwankt das je nach meinem Gewicht). Im Fahren wären es dann aber mehr, das meinte ich vorhin (und ja, das sollte ich nicht als wie auch immer Sag bezeichnen, sonst werde ich missverstanden
). Im Realfall ist die Rechnung komplizierter wegen Übersetzungsverhältnis Hinterbau, Einfluss Bikegewicht etc. aber von der Tendenz bleibt es so.
Schließlich noch:
Wenn es ein "bestes" Konzept gäbe, nach dem ein vollgefedertes Geländefahrrad zu funktionieren hat, dann gäbe es wohl nur eine sehr eingeschränkte Auswahl an Kinematiken, denn genau damit wären dann die besten Fahrer auch am schnellsten unterwegs. Wieso sollten sich die Hersteller dann schlechtere Bikes ausdenken, als es so einfach mögliche wäre?
Dem ist eben nicht so und dewegen gibt es hunderte von verschiedenen Bikes und Hinterbaukonzepte, die sich alle fundamental anders fahren. Nicht immer schlechter oder besser, aber doch grundlegend anders.
Das Ganze kann man auch auf andere Sportarten übertragen: Motocross, GT-Fahrzeuge, Formel 1, Rallye, ...) Vieles Umsetzungen haben eben Vor-und Nachteile. PDS im Motocrossbreich fällt mir da zum Beispiel ein.
Dort ist das Ganze Spiel noch viel professioneller als im MTB Sport und auch ungleich mehr Geld im Spiel. Und trotzdem gibt es so viele grundlegend verschiedene Maschinen und Konzepte die alle mehr oder weniger konkurrenzfähig sind.
Damit hast du auf jeden Fall recht. Was aber gerade beim MTB noch sehr wichtig ist, und jedenfalls richtiger als im Auto-Motorsport: Der Anteil des Bikes an der Performance ist (zum Glück) immer noch deutlich weniger bedeutend als der Anteil des Sportlers. Deshalb ist es ja auch noch Sport. Dazu kommt, es ist immer die Kombination aus Fahrer und Sportgerät. Da die Fahrer in ihren Potentialen unterschiedlich sind, können durchaus andere Bikes mit unterschiedlichen Fahrern die jeweils besten Kombinationen sein. Das mag sich sogar noch von Strecke zu Strecke unterscheiden. Vielleicht gibt es so etwas wie die beste Kombination Fahrer-Strecke-Fahrrad, aber das wird sich jeweils auch nicht sehr einfach und schnell herausfinden lassen, weil die optimale Performance des Fahrers ja auch Gewöhnung an die Bedingungen voraussetzt. Insofern ist der beste Downhill-Wettkämpfer nicht unbedingt der beste Radfahrer (was auch immer das sein mag) und erst recht nicht der mit dem besten Bike, sondern derjenige, der sein Potential in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit am besten mit Rad und Strecke in Einklang bringen kann und dabei noch weiß, wie er sein Rad im Rahmen der Möglichkeiten adaptieren muss.
Entsprechendes gilt dann auch für den Hobbyfahrer, wobei für den viel weniger wichtig ist, das Potential möglichst auszuschöpfen, um damit wirklich Spaß zu haben und sicher fahren zu können. Insofern kann man solche Tests und auch Kaufentscheidungen sicherlich schnell überbewerten. Man muss einfach mehr Radfahren gehen. In diesem Sinne!