Jetzt muß ich mich aber doch mal einschalten...
Vorab: Wie bei Allem, was Menschen betrifft, kann ich hier nur verallgemeinern, d.H. man wird immer ein Gegenbeispiel finden können, aber ich versuch' mal die Sache aus meiner Sicht ein wenig zu ordnen; Ach und: Wenn ich "Er" schreibe, meine ich den Radfahrer an sich - können auch Frauen sein! (lol)
AAAAAAALSO-
Ich fahr' jetzt seit 20 Jahren Rad im Verein - zuerst Straße und seit 13 Jahren auch MTB.
Was macht der Radfahrer (um mal zum Ausgangspunkt der Diskussion zurückzukehren), wenn er von hinten auf einen anderen auffährt? Na? Jap - er schaut auf die Beine! (Das ist auch der Hauptgrund fürs Rasieren - sieht einfach geil aus - da können andere noch so viel von Massage und Stürzen schwafeln... rasierte Beine sind die Rallystreifen und Spoiler des Radfahrers! Nur so nebenbei bemerkt).
Die geben alleine aber meiner Erfahrung nach in der konkreten Situation (wie weit ist der denn schon gefahren? wie schnell? wie weit muß er noch?...) absolut keinen Hinweis darauf, ob ich mich blamiere, wenn ich ihn überhole, oder nicht...
Kleiner Taktikeinschub:
In so einer Situation fahre ich erst mal ein wenig hinterher (oder - wenn das Tempo nicht allzu unterschiedlich ist (schließlich hab' ich ihn ja aufgefahren) grüße und unterhalte mich ein wenig - ist ja schließlich nicht nur High Noon beim Radfahren...).
Dann erfährt man schon mehr: Fährt er absolut gleichmäßig, oder schwankt das Tempo? Wie nimmt er leichte kuppen? Wie sitzt er auf dem Rad? Wie ist die Trittfrequenz? Wie schaltet er? Gibt er Gas, wenn er mich bemerkt? etc.
Die Extreme:
Unrasierte Beine, sitzt auf dem Rad wie ein Fußballer (o-beinig), stampft mit einer unregelmäßigen 60'er Trittfrequenz in die Pedale und braucht bei kleinen Kuppen vor lauter Zerren am Lenker die gesamte Fahrbahnbreite: Und Tschüß! Da fahr' ich einfach dran vorbei. Die Spezies wird zwar versuchen dranzubleiben, aber wenn man ein paar hundert meter das Tempo hält und dann (wenn man merkt, daß der Fahrstil sich weiter verschlimmert) einfach einen Gang hochschaltet, hat man wieder seine Ruhe (grins).
Anderes Extrem:
Super durchtrainierte, rasierte Beine, absolut ruhige, gleichmäßige Fahrweise mit einer 100'er Trittfrequenz und keine spür- und sichtbaren Veränderungen, egal ob bergauf oder bergab: Der Typ fährt >10.000 km im Jahr und fährt heute nur Grundlage. Kann man getrost überholen, wenn's zu langsam ist (Meistens wird man jedoch feststellen, daß das genau das Tempo ist, was man auf dem Terrain eben längere Zeit fahren kann...).
Bei diesem Typ gibt's aber auch solche, die IMMER NUR Grundlage fahren - und das 20.000 km pro Jahr - die hängt man (selbst wenn sie wollten) trotzdem ab, weil der Trainingsreiz fehlt!
Und wen kann ich nicht überholen?
Typ zwei, wenn er von hinten kommt und nicht den Eindruck macht, als führe er heute Grundlage - da wird man selbst zum Opfer!
So - und was sagen uns nun die Beine?
Rasiert oder nicht rasiert gibt uns weniger Hinweise, als uns lieb wäre -es gibt da einige Tiere, die.... lassen wir das! Und andere Warmduscher, die ihr Rasd mit rasierten Beinen zweimal im Jahr aus dem Keller holen...
Die Form
Zunächst gibt es schlicht und einfach genetische Veranlagungen. Zwei Grundformen: lnggestreckte Wadenmuskeln bis zur Ferse, oder dicke Knubbel direkt unter dem Knie. Keine große Aussagekraft.
Dicke
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß gerade das Fahren mit hohen Trittfrequenzen - gerade am Berg (und damit ist jetzt Straße gemeint) DICKE Wadenmuskeln verursacht. Die Arbeit wird von den Oberschenkeln auf die Waden verlagert -was man an langen Anstiegen durch ausprobieren auch leicht nachvollziehen kann. Das Fahren mit niedrigen Frequenzen unter hoher Leistung prägt vor Allem mächtige Oberschenkel aus. Mit geringer Leistung sorgen sowphl hohe, als auch niedrige Trittfrequenzen lediglich für einen Fettabbau über den Muskeln, also dafür, daß diese sehniger erscheinen und deutlicher hervortreten.
Das dies tendenziell stimmt, sieht man, wenn man sich Bilder der beine von Lance Armstrong und Jan Ullrich aus verschiedenen Jahren im Vergleich ansieht: 96 hatte Ullrich den (meiner Meinung nach) bislang besten Trainingsstand: Seine Waden waren so trainiert, daß sie wie ein Knochen mit festgetackertem Muskel aussahen - extrem. Lance Armstrong hatte in frühen Jahren allgemein gut trainierte Beine - dicke Oberschenkel, dünne Waden (nicht extrem, eher wie ein MTBer).
Die letzten Jahre werden Armstrongs Waden ständig dicker - dieses Jahr sah' es aus, als wären sie genauso dick, wie seine Oberschenkel, was daher kommt, daß er - wie kein anderer - hohe Leistungen aus hohen Trittfrequenzen trainiert, weil seine Maximalkraftfähigkeit (-> Oberschenkel) durch seine Krebserkrankung gelitten hat: Er mußte seine Fahrweise umstellen, weil er die gleiche Leistung wie andere Radfahrer nur über höhere Trittfrequenzen erzeugen konnte. Seine Trittfreuqenz am Berg scheint ebenfalls weiter zu steigen...
Jan Ullrich versuchte diesen Stil zu immitieren - mit mäßigem Erfolg, weil er a) andere Voraussetzungen hat (Körpergröße, Beinlänge, Hebelverhältnisse etc.) und b) er eigentlich wie kein zweiter einen völlig konträren Fahrstil beherrscht: niedriege Trittfrequenzen, ruhig und gleichmäßig getreten, die Unterschenkel eigentlich nur zur Übertragung der Kraft aus den Oberschenkeln aufs Pedal nutzend... (Noch extremer eigentlich, als früher Indurain...)
Waden werden dicker - Leistung geht runter...
Na, ja - nächstes Jahr bei CSC unter Mister 60% Riis...
Mann kann also durchaus einiges zumindest über die Trainingsweise des Radfahrers erkennen - nicht jedoch über den absoluten Leistungsstand.
Der einzige Maßstab hierfür ist die Wattleistung!
Brauche ich mehr/"dickere" Muskeln für mehr Watt?
Prinzipiell ja - egal, ob Dauerleistung oder Sprint: Mehr Watt=besser (zumindest INNERHALB einer Disziplin - Sprinter (und ich denke ihr meint hier fast ausschließlich BAHNSPRINTER) mit Straßenprofis zu vergleichen ist wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen!).
Als Indikator wird hier je nach Disziplin die Leistungsfähigkeit in einem bestimmten Zeitintervall gesehen.
Wer hier die höhere Leistung bringt ist (im flachen) schneller. Punkt - Schluß - Aus.
Jetzt kommt aber ein Berg...
und da kommt das Körpergewicht ins Spiel:
spezifische Dauerleistung pro Kg Körpergewicht ist am Berg Entscheidend ! Wirklich?
FALSCH!
pro Systemgewicht (Fahrer * Rad)!!!!
Mann darf nicht vergessen, daß für einen 50 kg Floh das Rad relativ gesehen viel schwerer ist, als für einen 90 kg Brocken!
Je leichter ein Fahrer also ist, desto besser muß seine Leistung / Kg Körpergewicht sein, um dies zu kompensieren.
Es gibt eben für alles irgendwo ein ideal - und nicht immer am extremen Ende der Skala...
Es ist also absoluter blödsinn, zu behaupten "Das sind Flachdrücker - dafür häng' ich sie am Berg ab!" Schaut mal auf "meine" Homepage (http;//www.rv-blitz.de - in den nächsten Wochen wird umgebaut, dann gibt's wesentlich mehr infos...) unter Tourenbeschreibungen, Wellness-treff. Da gibts ein paar, wo auch Polar-Diagramme beigefügt sind: Ihr werdet sehen, daß man auch mit zuviel Gewicht (leider derzeit 79 kg bei 1,82) trotzdem schnell Berge hochfahren UND sprinten kann!
Verlasst Euch also nicht drauf... (Wenn ich auch zugeben muß, daß ich am Hahntennjoch mit meiner Übersetzung und meinem Gewicht am Limit war - das war halt jenseits meiner Dauerwattleistung!)
Hier noch ein paar fachkundige Kommentare dazu, dann sollte es genügen:
Die schnellsten Bergfahrer in der Geschichte des Radsports
1990 belief sich die Rekordzeit für die Bergfahrt nach Alpe d'Huez (14,5 km, 1140 Hm, 8,0%) auf ca. 42 Minuten. 1997 legte Marco Pantani dieselbe Strecke in 37:35 min zurück. (23,1 km/h). Diese Rekordverbesserung um mehr als 10% macht plausibel, dass die schnellsten Bergfahrer in den 90iger Jahren fuhren.
Rg. Name cm kg kg inkl
Rad Watt Watt/kg
inkl Rad Ort
1. Marco Pantani 172 56 65 403 6,20 (
100%) TDF, Alpe d'Huez, 1997
2. Tony Rominger 175 65 74 450 6,08 (98,1%) Col de la Madone, 1994
3. Jan Ullrich 183 71 80 484 6,05 (97,6%) TDF, Alpe d'Huez, 1997
4. Lance Armstrong 180 72 81 488 6,03 (97,3%) TDF, Sestriere, 1999
5. Miguel Indurain 188 78 88 530 6,02 (97,1%) TDF, La Plagne, 1995
6. Bjarne Riis 187 71 80 480 6,00 (96,8%) TDF, Hautacam, 1996
7. Alex Zülle 184 70 79 472 5,97 (96,3%) TDF, Alpe d'Huez, 1995
8. Richard Virenque 179 63 72 427 5,93 (95,6%) TDF, Alpe d'Huez, 1997
9. Evgeni Berzin 173 63 72 425 5,90 (95,2%) TDF, Val d'Isere, 1996
10. Luc Leblanc 174 62 71 414 5,83 (94,0%) TDF, Hautacam 1994
Am 16. September 1999 erklärte Prof. Dr. Hans Hoppeler,
dass 530 Watt eine realistische Dauer-Leistung (45 min) für Miguel Indurain (78 kg) sei.
Der beste Stufentest in der Geschichte des Radsports?
Nicht einer der ganz grossen Rad-Champions hat ihn geschafft, sondern der vierfache Fiedensfahrt-Sieger Uwe Ampler. Er fuhr 1998 in Leipzig, nach einer Stunde, noch die Stufe von 510 Watt voll durch. Dem berühmten Sportwissenschafter Prof. Dr. Dietmar Junker (einer der besten Radsport-Experten auf dieser Welt) fiel vor Staunen fast die Kinnlade runter: So etwas habe ich noch nicht gesehen.
Die Werte von Uwe Ampler/Team Mroz:
179 cm, 71 kg
510 Watt
7,2 Watt/kg
Ampler fuhr auf einem modernen geeichten Veloergometer mit einer optimalen Sitzposition. Wer den Stufentest auf einem Ergometer macht, wo die optimale Sitzposition nicht eingestellt werden kann, verschenkt etwa 10% seiner Leistung. Da der Fahrer beim treten an Ort überhitzt, geht bei einem Test auf dem Veloergometer, sowieso ein Teil der Leistung verloren.
Die damaligen Werte von Jan Ullrich/Team Telekom vom Stufentest in Freiburg i. Br. zum Vergleich:
183 cm, 73 kg
500 Watt
6,8 Watt/kg
Die relative Leistung von Uwe Ampler war um etwa 5% besser, als die von Jan Ullrich.
1998 gewann der 33-jährgige Ampler die Friedensfahrt zum 4. Mal.
Ampler, der krasse Außenseiter von der zweitklassigen polnischen Equipe Mroz, hatte das scheinbar übermächtige Team Telekom in die Knie gezwungen.
http://www.berlinonline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/1998/0518/sport/0012/
Der Schwede Magnus Backsted (192 cm, 96,5 kg) soll im Stufentest auch schon Stufen von 550 Watt geschafft haben. Relativ zum Gewicht sind das aber nur etwa 5,7 Watt/kg.
So - jetzt reichts...
Kette Rechts !