Dazu noch ein Minimalkocher, Schlafsack, Matte und Tarp und die Welt steht einem offen.
Treue Begleiter, Gepäck zum draussen pennen und Velo.
DAS Rezept für Freiheit.
Genau
Nur mit shuttles sehe ich es etwas entspannter. Ich mag es sogar recht gerne zwischendurch gegen die Zeit zu fahren, nur damit noch eine weitere Abfahrt reingequetscht werden kann. Auf diesem Trip war's dann auch ein Mix von Tagen mit shuttles mit Tagen ohne solche. Rein und schön fühlte sich das Draussen sein, das Velölen, immer an. So komme ich zu einem weiteren (shuttle freien) Tag. Einer bei dem ich shuttles sicher genutzt hätte, wären sie denn vorhanden gewesen
6. Tag
Nach einem sehr erholsamen Schlaf erwache ich zu morgendlichem Frost und bin baff als ich sehe, dass es -5°C hat. Der Quilt ist warm und hält mich zurück. Die oftmals durchgezogenen Abfahrten der letzten Tage haben meine Muskeln in versäuerte, mikrofrakturierte Fasern verkommen lassen. Müde und alkoholfrei verkatert. Ich liege lange da und sauge den jungen Tag auf.
Ein paar Minuten und ein kleines Birnenbrot später schiessen mir trotz Bikebrille Tränen in der zügigen, für Biker geformten Abfahrt aus den Augen.
Ein herrlicher Auftakt in einen grossen Tag
Ready for rumble... Livigno ist sehr geschäftig. Ich bin überfordert, lasse mich dennoch treiben auf einer kleinen Parkbank bei reichhaltigem Essen. Die Zeit fliegt davon. Etwas Körperpflege zum Dessert und rein in ein weiteres Tal mit hunderten von anderen Touristen.
Einrollen vor dem Pass Chaschauna.
Der Tag ist noch lang, es warten noch viele Höhenmeter auf mich und meine Beine fühlen sich leer an - ich stosse ein Weile.
Bisher eine Seltenheit oberhalb der Tallagen; andere Biker. Es ist das erste Mal, dass ich gleichgesinnte auf Anhöhen und darüber antreffe.
Pass Chaschauna. Es erwartet mich eine schöne Stimmung. Es ist windig und kalt und lieblich zugleich.
Ich will eigentlich in's Tal runter, dann gleich wieder auf einen anderen Pass rauf, könnte aber auch einfach über Bergrücken und Gipfel abkürzen zur Fuorcla Chaschauna. Aber nein, runter und rauf passt schon - ich verschiebe das Obendrüberschmuggeln auf ein anderes Mal und sause auf dem breit ausgebauten aber vom letzten Unwetter ausgewaschenen Weg nach unten, halte an bei gleichgesinnten um zu fragen ob alles i.O. ist und als ich mich auf einen Viehhüter zubewege öffnet mir ein anderer Biker diesen sogar. Einem Danke folgen offene Bremsen bis zum Wegweiser.
Links runter und rechts wieder hinauf.
Da ist eindeutig ein singletrack. Wäre ich mit Freunden unterwegs, würden die wieder mal verlauten lassen dass es einer dieser Momente ist, die sie von mir zu gut kennen.
Wunderschöne Färbung. Fast wie Rhyolit.
Der Aufstieg ist ein Genuss.
Ich habe meinen Rhythmus gefunden und fühle mich gut.
Fuorcla Chaschauna. Ein schöner Übergang.
Silene aucalis, Stängelloses Leimkraut, oder sehr passend; Kompass Pflanze (Blüten erscheinen zuerst oder nur an der dem Süden zugewandte Seite). Kaum sehe ich die Pflanze werde ich gleich an die magische Zeit in Spitzbergen erinnert.
Im Hintergrund Piz Palü mit seinen Pfeilern und auch die Bernina mit dem Biancograt lugen unter der Wolkendecke hervor.
Einrollen. Was mich wohl für eine Abfahrt erwartet. Auf der Karte sieht's jedenfalls ein bisschen abenteuerlich aus.
Vorsichtiges Entlangrollen. Ruhe, Gelassenheit, Einfühlen.
Freeride. Old school freeride.
Oder auch... kacke. Die Abfahrt von der Fuorcla wäre auf der anderen Seite viel cooler gewesen.
Bei Serlas vorbei. Was für ein spezieller Ort. Alpbewirtung, Gasthaus, Schmugglerzentrale... gelegen in herrlicher Landschaft.
Rein in's Val Prünella.
Wie der Fuchs auf exponierte Steine kackt macht es der Mensch auch mit den Weg-Markierungen.
Viel Stossen und Tragen sind angesagt. Ich erwartete unwegsameres Gelände und komme schneller als gedacht voran.
Blick(e) zurück
Fuorcla Prünella
Ich habe von dir was anderes erwartet... mehr Herausforderung. Nett, dass du mich herzlich aufnimmst.
Ideales Terrain für mein Bold,
Meine Alexandria von HumBOLDt.
Der Einstieg in die sehr kurze Abfahrt fordert gleich. Im Angesicht der Gerölllandschaften hier oben geht's erstaunlich gut fahrbar weiter. Die Grösse der Blöcke passt.
Ein wahrer Genuss.
Tschüffer, Pischa - ich rolle an mehreren Seen entlang.
Von einem Übergang zum nächsten.
An der Fuorcla Pischa treffe ich auf die Wanderautobahn. Nun gibt wieder ein guter singletrack vor wo ich durchfahre.
Immer wieder ein schöner Anblick.
Nach hinten
Nach vorne
Schade, dass ich nur mein smartphone als Kamera dabei habe. Ich zähle über 30 Steinböcke und -geissen.
Gian und Giachem sind auch drunter.
Wie vermutet liegt hier eine fahrerische Schlüsselstelle.
Der untere, einfachere Abschnitt.
Nach dem Lej Languard folgt ein kurzer Gegenanstieg, für heute sind's somit über 2550 Höhenmeter bergauf. Dann liegen die letzten ca. 700 hm Abfahrt vor mir. Es wird spät. Die lange Pause in Livigno... nun denn. Ich werde vor Dunkelheit unten ankommen.
Es folgt eine der geilsten Abfahrten die ich kenne. Oftmals anspruchsflow, schönes Terrain, eine Abfahrt in der man was leisten muss. Stufen so hoch, dass ich mit dem Kettenblatt aufsetze. Jeder Höhenmeter scheint gut genutzt.
Ich fahre auf Zug und komme aus dem Rausch nicht mehr raus bis zu den sehr einfachen Serpentinen fast zuunterst.
Die eigentlich eher kurze Abfahrt fühlte sich viel länger an.
Was ist das für ein eigenartiger Untergrund?
Die Abfahrt spuckt mich in Pontresina raus.
Ich bin körperlich ausgepowert und psychisch aufgedreht. Die heutige Route endet sehr abrupt. Ich rolle mit leeren Kopf und leerem Magen auf Samedan zu. Ohne Plan, obschon die geplante Route noch viel weiter gehen würde. Morgen möchte ich wieder zur Freundin. Ich bräuchte aber noch 3-4 Tage um die Route zu beenden. Nach einer Fressorgie vor dem Migrolino in Samedan fahre ich im Finstern zu einem ruhigen Plätzchen nahe am Inn. Mir gehen diverse Möglichkeiten durch den Kopf, wie ich morn weiterfahren könnte.
Nächtlicher Besuch. Der war ganz schön frech.
Ich wäge ab wie es weiter geht bis ich merke, dass ich unterbewusst eigentlich bereits in Pontresina abgeschlossen habe. Dies ist die Vorgabe, was mein Gefühl sagt.
Ich wäre aber auch körperlich nicht mehr im Stande gewesen, die Abfahrten so zu fahren, wie ich den Anspruch an mich selber habe. Ich nahm ein paar Mal erhöhte Risiken in den Felsen in Kauf und auch das Tempo war oft hoch. Hätte ich fast fehlerfrei weiter fahren können? Der Rest (bergauf) wäre weniger ein Problem gewesen.
Am folgenden Tag rolle ich zum Bahnhof und fahre mit einem frühen Zug nach hause. 4 Tage später geht's zu Fuss auf eine Bergtour. Ich spüre die Belastung noch.
Selbst nach 1.5 Wochen ist die Muskulatur noch nicht vollständig erholt. Ich staune immer wieder was für eine enorme Belastung lange, durchgefahrene Abfahrten sind. Meine Beine sind von Pedalrutschern, Felsberührungen und einem eigenartigen Reifenkuss mit der Wade (Verbrennung) ordentlich zerkatzt, wie die Felgen auch. Ich glaube es sind genügend Spuren sichtbar. Ich mag solche Ferien. Nicht immer ganz einfach, aber doch einfachstes, weil unabhängiges Umherziehen in einer schönen Landschaft.
Die Route führte mich durch das wilde Herz der Schweiz. Ein Indiz dafür; Ich sah Spuren eines Bären, zum allerersten Mal für mich in der Schweiz. Das erste Mal als ich Wolfspuren sah, war ebenfalls, vor vielen Jahren, auf einem Teil dieser Route.
Doch, ich komme wieder.