Bevor das Jahr 2017 zu Ende geht, möchte ich Euch eine Zusammenfassung der BTG 2017 aus meiner Sicht als Starter und Beobachter geben.
Der gemeinsame Start fand wieder am Sonntag des ersten Juli-Wochenendes in Basel statt. (Wir werden öfter gefragt, warum wir eine Trans-Germany in der Schweiz starten. Die Antwort ist vielfältig: die BTG ist ein Spin-Off einer trans-europäischen Route, die ursprünglich durch Basel führte. Nicht weit entfernt vom Startplatz der BTG auf der anderen Rhein-Seite ist der Grenzübergang nach Deutschland, den wir aber nicht nutzen, weil auf der Schweizer Seite des Rhein einfach viel zu geile Trails liegen. Und schließlich sind uns Grenzen und Nationalstaaten nicht wichtig, sondern vielmehr die Landschaften, Trails und Biwak-Reviere Mitteleuropas.)
2016 hatte die BTG ihre Feuerprobe überstanden und dem zweiten Start sahen Thomas und ich deutlich entspannter entgegen. Die Strecke hatten wir nur punktuell angepasst, an Stellen, die uns oder den anderen Fahrern bei der Premiere aufgefallen waren. Wir freuten uns über 32 gemeldete Starter, darunter 7 aus dem nicht-deutschsprachigen Ausland. Viele davon trafen wir bereits am Vorabend zum traditionellen BBQ an einer Grillhütte im Baseler Stadtwald.
Etwas ernüchternd dann der Sonntagmorgen: geschlossene, tief hängende Wolkendecke, eine Startansprache im Regen vor nur 22 Teilnehmern. Nur wenige Nichtstarter hatten uns vorher noch abgesagt, darunter auch Walter L. der wenige Tage zuvor auf einem asphaltierten Radweg ungünstig stürzte und sich dabei das Sprunggelenk brach. Aber ein Walter gibt niemals auf, also hat er sich gleich für 2018 wieder angemeldet.
Starterfeld v.l.n.r: Wolfgang E, James K, Stephan B, Tim V, Klaus M, Nebo P, Thoralf S, Carsten R, Martijn R, Norbert H, Adalbert N, Giorgio M, Eike L, Jaap K, Jakob W, Dieter B, Alex L, James C, René F, unten: Achim W und Björn R. Foto: Norbert Münch
Die ersten zwei Tage der Tour erlebte ich im
Sattel. Danach musste ich urlaubsbedingt in die Zuschauerperspektive wechseln. Gleich nach dem Start musste eine Baustelle umfahren und die Bikes über Zäune gereicht werden. Die gleich folgenden Trails und Umtragepassagen an alten Bunkern prüften Ausrüstung und Fahrer auf Belastbarkeit – Brillen gingen verloren und wurden wiedergefunden, wieder fiel einer in den Rhein: an einer engen Trailpassage hatte sich ein Rückstau vor einem Hindernis gebildet, Klaus stützte sich mit dem linken Fuß ab, verlor den Halt und stürzte mitsamt Bike die Böschung hinab. Zum Glück zog er sich nur kleine Schürfwunden und eine zerrissene Regenjacke zu und darf von nun an den Spitzname "Rheinfall" tragen. Gegen Mittag ließ der Regen langsam nach. Eine kleine Gruppe traf sich zum Essen beim Thailänder in Waldshut. Für René und James K gab es offensichtlich keine Mittagspause. Der Tracker berichtete, dass sie zu diesem Zeitpunkt schon 25km weiter vorn durch die "Teufelsküche" kletterten. Das Duell zwischen René und James würde noch die nächsten Tage für Spannung sorgen. Derweil traf ich unterwegs weitere Teilnehmer – James aus Neuseeland, der leider am zweiten Tag mit einer Sattelwunde aufgeben musste, Stefan, Alex aus Dänemark, Eike aus der Schweiz und schließlich Adalbert, der kurz vor Tuttlingen aufschloss, nachdem er etliche Stunden mit einer Reifenpanne verloren hatte. Eike und ich machten es uns in einer Schutzhütte hinter Tuttlingen gemütlich, während Adalbert weiter in die nächtliche Schwäbische Alb fuhr. Nach Sonnenuntergang rollte Alex ein und gesellte sich zu uns. René schaffte es in dieser Nacht bis kurz vor Checkpoint 1 (Schloss Lichtenstein) und damit 261 km.
René erreichte nach 6 Tagen, 7 Stunden und 38 Minuten als erster das Ziel. Eigenes Foto
Am zweiten Tag schafften es mindestens 6 Fahrer zum Checkpoint 1. Wir hatten diesen Checkpoint gewählt, um unsere Verbundenheit mit Mike Hall und seinem TCR zu zeigen. Die #TCR05 hatte das Schloss Lichtenstein ebenso als ersten Checkpoint ausgewählt. Über alle Kanäle – WhatsApp, Messenger, Mail, SMS – trudelten bei uns Statusmeldungen ein, die Facebook-Gruppe glühte und Thomas verarbeitete die Meldungen zu einer täglichen Zusammenfassung. Diese "Daily Digest" führte er fort, bis die letzten Fahrer das Ziel erreichten. Während vorn James weiter versuchte, an René dranzubleiben und Adalbert als dritter souveräne Tagesleistungen vollbrachte, spielten sich im Mittelfeld ebenso spannende Duelle ab. Unser Däne Alex war vom Katalane Jaume überholt worden und startete eine Aufholjagd. Um der Tageshitze zu entkommen, legte er eine Nachtschicht ein und holte sich die Platzierung zurück. Leider konnte er diese nicht lang halten und wurde wahrscheinlich bei einer seiner Essenspausen wieder überholt. Derweil zog Giorgio aus Italien fast unbemerkt ebenso an Alex vorbei, hatte aber immer noch die Zeit, um fantastische Fotos zu machen und zu posten.
James K, Irland, nach 7 Tagen, 4 Stunden und 52 Minuten am Ziel. Foto: Norbert Münch
In den folgenden Tagen gab es zwei Scratch-Meldungen. Eike musste sich mit Knieproblemen in Ansbach in den Zug setzen, Stephan hatte sich beim Ausladen des Fahrrads aus dem Zug vor dem Start eine Zerrung der Schulter zugezogen, die ihn in Bayreuth aufgeben ließ. Auch das Wetter machte Kapriolen – auf den Regen des ersten Tages folgte eine Hitzewelle. Noch immer sehe ich Fotos erschöpfter Männer vor mir, die eine Mittagspause im Schatten verbringen. Dieses Wetter hielt aber auch nicht lang und spätestens als das Hauptfeld das Erzgebirge erreichte, kam es zu teils unwetterartigen Regenfällen.
Adalbert, Wiederholungstäter und dritter der BTG 2017. Hier ein Selfie von Checkpoint 4
Das Unwetter war aber offenbar nicht gleich verteilt. Von der Spitze des Packs hörte und sah man keine entsprechenden Meldungen. Einige Trails waren schon seit längerem in schlechtem Zustand, oder wie Tim berichtete: "Der 66 Seenwanderweg heißt neuerdings 66 Bäume im Weg". René kommentierte dazu, dass er wohl insgesamt 50 mal vom Rad musste.
Der fuhr mittlerweile unaufhaltsam dem Ziel entgegen. René erfuhr Trail Magic von einem Hausboot-Kapitän. Der brachte ihn zwei Stunden vor dem Betriebsbeginn der Personenfähre über die Peene. Das gleiche Glück hatte einige Tage später auch Martijn. Renés Tagesetappen und Biwak-Plätze waren mit denen von Reto 2016 vergleichbar. Am letzten Tag schien er aber ein bis zwei Stunden früher auf dem Rad zu sein, weshalb er das Ziel mit neuer Bestzeit erreichte.
Der zweitplatzierte James K berichtete nach dem Rennen, dass er die Trails sehr anspruchsvoll empfand. Insbesondere die Sandpassagen frustrierten ihn teilweise sehr. Zu allem Unglück musste er auch noch die 20 km längere Alternative für die Peene-Fähre nehmen. Trotz alldem nahm er sich hin und wieder die Zeit für ein kleines Späßchen, was vielleicht auch sein Geheimnis ist, wie endlose Tage auf dem Rad zu überstehen sind.
Bikepacking Supermodel Giorgio war die meiste Zeit gleichauf mit Jaume. Die beiden übernachteten auch zusammen in der Pilgerherberge Gröditz. Leider musste er aber zeitbedingt in Neustreelitz in die Bahn steigen. In Berlin lief er dem Cube über den Weg, der ihn an seiner Startnummer erkannte – wie klein die Bikepacking-Welt doch immer noch ist. Jaume berichtete mehrfach von Problemen mit seinem GPS. In Begleitung von Giorgio konnte er diese aber überwinden. Nach Giorgios Ausstieg machte einen Riesensprung von Fürstenberg / Havel bis ans Ziel.
Für Jaume aus Girona – hier ein Selfie von Checkpoint 1 - war die BTG nur
ein Abschnitt seiner Reise nach Norwegen
Im Hauptfeld wurde es ruhiger. Die Grenzsteintrophy-Veteranen Thomas, Thoralf, Wolfgang und Tim wussten augenscheinlich mit dem deutschen Juli-Wetter umzugehen und passten ihre Tageseinteilung entsprechend an. Von daheim versuchten wir mittels einiger Webcams, wie der auf dem Fichtelberg und der Brücke in Stralsund, die Berichterstattung aufzulockern. Die Fahrer James, Martijn und Alex gingen uns in die Fotofalle, während andere ihren Tracker ausschalteten, um der Verfolgung durch Kameras und andere Fahrer zu entkommen. Einige entdeckten die Eismaschine aus dem legendären Video von Sven und Lukas wieder und es entstand eine kleine Softeis-Foto-Challenge.
Thomas, erreichte Kap Arkona nach 13 Tagen, 8 Stunden und 50 Minuten. Foto Norbert Münch
Thoralf, war schon zweimal als Scout für die BTG aktiv und 2017 nach 14 Tagen
4 Stunden und 44 Minuten am Ziel. Foto Norbert Münch
Wolfgang, nach 14d 11h 17min am Ziel
Alex schien irgendwie seinen Rhythmus nicht zu finden. Seine Statusmeldungen verrieten ein Wechselbad der Gefühle. Eine Nacht verbrachte er in einer sogenannten Boofe im Elbsandsteingebirgen, was ihm den Spitznamen "Caveman" einbrockte. In der nächsten Nacht lockte ihn der POI "Bunker" in die Reicherskreuzer Heide. Dort angekommen fand er das ehemalige Manöverbeobachtungsgebäude von einem hohen Zaun umgeben vor und musste das Gewitter draußen im Biwaksack überstehen.
"Caveman" Alex aus Dänemark, biwakierte u.a. in einer Höhle unterhalb von Checkpoint 3
oder bei Gewitter in der Reicherskreuzer Heide, schaffte es schließlich nach 14d 11h 12min
ans Kap Arkona. Foto: Facebook
Björn und Jakob hatten offenbar so viel Spaß trotz des schlechten Wetters, dass sie gar keine Lust hatten, die Tour schnell zu beenden. Statt dessen überlegten sie, in Dargun das Restaurant "Zum Strandbad" wieder zu eröffnen. Außerdem sorgten sie sich um den Bier- und Zigaretten-Nachschub. Nach eigenen Angaben hat jeder von ihnen 5 Kilo zugenommen.
Dreamteam. Jakob (links) und Björn (rechts) erreichen das Kap nach 15 Tagen und 9 Stunden.
Tim (Mitte) lag einen Tag vor ihnen, musste jedoch krankheitsbedingt pausieren und kam einen Tag später an
Dieter, Finisher der 2016er Tour Divide, kam nach 15 Tagen und 8 Stunden ans Ziel
Martijn hatte einige Nächte mit Mückenplage verbracht, berichtete aber auch über schöne Begegnungen mit gastfreundlichen Brandenburgern. Nebo schaffte es bis zum Checkpoint 3, nachdem er zwei Pausentage in Johanngeorgenstadt eingelegt hatte, um seinen Knien ein wenig Schonung zukommen zu lassen. Wir hatten keinen direkten Kontakt zu ihm, aber seine Freundin hielt uns über Facebook auf dem laufenden – ein sehr netter Kontakt. Das gleiche Schicksal erlitten Carsten und Norbert, die am Bärwaldsee nahe Cottbus ausgestiegen sind. Sie selbst sagten, dass sie das Wetter nicht gestört hätte, dafür "waren wir nach ca. 10 Stunden draußen Unterwegssein und rund 2000 Höhenmetern einfach platt".
Martijn, Niederlande, ließ es ruhig angehen und genoss die deutsche Lebensart.
Am Ende gab er Gas und schaffte es nach 15 Tagen und 10 Stunden ans Ziel. Eigenes Foto
Am Ende waren alle Augen auf Jaap und Klaus gerichtet. Die beiden hatten sich schon auf der "Candy B. Graveller" kennengelernt und bildeten nach einigen Tagen ein gutes Team. Zur Verpflegung und Erholung wählten sie meist gute Restaurants und Pensionen, auch wenn sie sich dabei nicht immer an den Kodex und vorgegebenen Track hielten. Nach 20 Tagen Reisezeit erreichten sie bei bester Laune das Ziel am Kap Arkona und beendeten damit die zweite Bikepacking Trans Germany.
Gentlemen Jaap und "Rheinfall" Klaus, nach 20 Tagen am Kap Arkona angekommen. Foto: Facebook
Trotz des schlechten Wetters war auch die zweite BTG ein Erfolg. Ein hoher Anteil an Fahrern hat gegen die Unbill der Natur gekämpft und durchgehalten. Wir waren uns einig, dass sie unter den Bedingungen von 2016 um einiges schneller gewesen wären. Die teilweise intensive mediale Betreuung der Teilnehmer passt natürlich nicht so ganz in das Konzept einer Selfsupport-Tour. Im trockenen vor dem Monitor sitzend taten uns die Jungs da draußen einfach leid, so dass wir alles taten, um sie bei Laune zu halten und zum Ziel zu führen.
2018 wird es wieder eine BTG geben. Diesmal führt ein 30 km langer Abschnitt durch das vierte Land Polen und bietet eine spannende Kulisse. Der Starttermin wird der 01. Juli 2018 sein und schon jetzt hat die Startliste 36 Positionen, darunter einige Veteranen, Starter aus 13 Ländern und ein hoher Anteil von 6 wagemutigen Frauen. Wir freuen uns auf alle Teilnehmer!
Jetzt bleibt uns nur noch, Euch einen Guten Rutsch ins neue Jahr 2018 zu wünschen! Wir haben uns vorgenommen, weniger Zeit vor dem Computer und mehr auf dem
Sattel zu verbringen um fit für die BTG und andere spannende Events in der Welt des Bikepacking zu sein. Wir sehen uns!
Viele Grüße, Thomas und Achim.
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