Das große Missverständnis
Regelungslücken und geeignete Wege
Die Bekanntmachung des Umweltministerium vom 30.07.1976 erklärt die Rechtslage, wie sie, wie dargestellt, seit dem 01.08.1973 für Radfahrer unverändert besteht, äußerst verständlich. Dennoch wird in der Literatur seit 1983 davon abgewichen, als ob es noch ein völlig anderes "Bayerisches Naturschutzgesetz" geben würde. Weshalb ist das so?
Nach dem BayNatSchG 1973 war das Reiten in der freien Natur nur auf solchen Flächen und Privatwegen erlaubt, die dafür eigens freigegeben waren. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hatte mit Entscheidung vom 16. Juni 1975 (GVBI S.203) diese Regelung für nichtig erklärt.
Das Reiten ist nach der Entscheidung nicht nur auf den eigens dafür freigegebenen Privatwegen zulässig, sondern auf allen Wegen, so die Gesetzesbegründung zur Novelle 1982 (DRUCKSACHE 9/10375).
Mit der Novelle 1982 wurde das Reiten dem Betreten gleichgestellt (Art. 29 BayNatSchG 2011), sowie auch den Reitern das Recht Privatwege unabhängig von der Erlaubnis des Eigentümers zu nutzen gewährt (Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG 2011).
Zum Schutz der Grundstückseigentümer vor Schäden, die über ein zumutbares Maß hinausgehen, wie sie in besonderem Maße bei der Ausübung der Betretungsbefugnis durch Reiter drohen, hatte der Gesetzgeber ausschließlich durch die Einfügung des Absatzes 2 in Art. 31 BayNatSchG Rechnung getragen.
Art. 31
Beschränkungen der Erholung in der freien Natur
(2) Inhalt von Beschränkungen für das Reiten kann insbesondere sein,
1. das Reiten nur auf den durch die Behörde besonders dafür ausgewiesenen Wegen oder Flächen zu erlauben,
2. das Reiten nur zu bestimmten Zeiten zu gestatten,
3. für die Benutzung von Wegen und Flächen durch Reiter eine behördliche Genehmigung vorzusehen.
Nun gibt es zwei Gerichtsentscheidungen zum Reiten, die die vorherschende Verunsicherung zum Betretungsrecht in Bayern maßgeblich verursacht haben, und auf die sich die Literatur auch noch jeweils unreflektiert bezieht.
Das Verwaltungsgericht Regensburg führt in seinem Urteil vom 26. Januar 1999, Az. RO 11 K 97.1188 aus, nach Art. 23 Abs. 1 BayNatSchG (1998) darf jedermann auf Privatwegen in der freien Natur reiten, soweit sich die Wege dafür eignen. Art. 25 Abs. 2 BayNatSchG in der ab 1.9.1998 geltenden Fassung (jetzt Art. 30 Abs. 2) enthielte nun ebenfalls diese "klarstellende" Formulierung.
Bezüglich der Eignung stellt das Verwaltungsgericht Regensburg fest, dass das Gesetz selbst
keine Regelung enthält, was unter der Eignung eines Weges zu verstehen sei und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof stellte in seiner Urteil vom
17.01.1983, Nr. 9 B 80 A. 956, bereits fest, dass das Bayer. Naturschutzgesetz
keine ausdrückliche Regelung darüber enthält, wer über die Eignung eines Privatwegs befindet.
Der Systematik und dem Regelungsgehalt des Gesetzes folgend, stellen sich diese Fragen aber auch gar nicht.
Um diese vermeintlichen Regelungslücken zu schließen führen die beiden Gerichte aus, sei ein Weg ungeeignet, so dürfe dort von vorneherein nicht geritten werden. Daher seien Schilder oder andere Sperren, die der Eigentümer an einem ungeeigneten Weg anbringt, keine Einschränkungen eines an sich bestehenden Betretungsrechts, und
es gelte auch nicht Art. 27 Abs. 3 Satz 3 BayNatSchG (Hinweis auf den gesetzlichen Grund der Beschränkung).
Nach Auffassung der Gerichte sollen über den Begriff des „geeigneten Weges“ Flächen kraft Gesetzes vom Betretungsrecht ausgenommen sein. Dies wäre die
weitreichendste Beschränkung des Grundrechts aus Art. 141 Abs. 3 BV im Bayerischen Naturschutzgesetzes. Da ist es doch verwunderlich, dass weder der Gesetzgeber selbst im Gesetz bzw. in der ausführlichen Begründung (Drucksache 7/3007) dazu, noch das Bayerische Verfassungsgericht in seinem Urteil vom 16.06.1975 (GVBI S.203), noch die Bayerische Staatsregierung in seiner Bekanntmachung zum Vollzug des Bayerischen Naturschutzgesetzes (BayNatSchG); V. Abschnitt "Erholung in der freien Natur" vom 30.07.1976 eine Notwendigkeit für eine genauere Erklärung gesehen haben.
Die Urteile wichen von der Systematik und dem Regelungsgehalt des Bayerischen Naturschutzgesetzes derart ab, dass der Rechtsfrieden, den Art. 27 Abs. 3 Satz 3 BayNatSchG wahren sollte, zerstört wird und die dem BayNatSchG innewohnende Rechtssicherheit verloren geht. Seither verwirrt
die "klare und praxisgerechte Formulierung" im Bayerischen Naturschutzgesetz, wonach Fahrrad fahren (und damit Mountainbiking) nur auf geeigneten Wegen stattfinden darf und stiftet Unfrieden zwischen Behörden, Grundbesitzern und den Erholungsuchenden auch untereinander.
Es sei nur am Rande erwähnt, dass das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit in seiner Antwort vom 02.08.2011 zur Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Günther Felbinger vom 27.06.2011 (
Drucksache 16/9467) den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vielleicht nicht unabsichtlich mit dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof verwechselt und aus dem o. g. Urteil des VG Regensburg bzw. dem
Kommentar zu Lasten der erholungsuchenden Radfahrer unkorrekt zitiert, da die Nr. 1 zu 2. dort jeweils wieder ausgenommen wurde, was das Ministerium nicht tat.