Die Vorgeschichte, oder: Was bisher geschah...
Eigentlich bin ich ja nicht unzufrieden mit meinem aktuellen
Enduro-Hardtail. Aber ich teste mich ungelaublich gerne durch alles mögliche durch wodurch ich mittlerweile eine ganz gute Idee von meinen Wunsch-Geometrie-Details habe, und es gibt an meinem aktuellen Rad auch so ein paar andere technische Details, die mir nicht zu
100% in den Kram passen.
Dann gibt es da seit letztem Sommer noch ein neues
Fully, dessen Geometrie mir so gut passt, dass ich total verknallt darin bin und am liebsten garnicht mehr davon absteigen will. Wenn denn da nicht das Gewicht wäre, und mal ganz ehrlich: den Federweg am Heck brauch ich nicht unbedingt bei alpinen Stolper-Tragetouren.
Einfach die nächste Generation von meinem Enduro-HT bei Cotic zu kaufen... könnte man machen. Aber das ändert nur was am Sitzwinkel und nichts an "schwer", und auch nichts an den sonstigen Details.
Wenn ich schon recht gut weiß was ich will, also warum das ganze nicht einfach in "leicht" und ganz perfekt nach meinen Vorstellungen? Lange überlegt, ein paar Leuten Löcher in den Bauch gefragt... und letztendlich kurzerhand in Angriff genommen. Eigentlich sollte es ein Projekt für nächsten Winter sein. Aber wenn man die Idee mal hat, dann wird die Ungeduld am Ende größer als die Vernunft, zumindest geht es mir so ?
Die Pilotin und der Einsatz:
- 1,70m mit 82cm Schrittlänge. Kurzer Oberkörper und zusätzlich kurze Arme (Affenindex "Kaiserpinguin" )
- 54kg ohne Equipment, macht im "Worstcase" beladen mit Mehrtages-Rucksack dann grob 65kg fahrfertig.
- generell nicht besonders mutig (Technik vor Eier) und meistens eher sauberer Fahrstil, aber im Zweifelsfall dann doch auch mal eine böse Straightline ohne Rücksicht aufs Material
- zwar ausdauernd aber nicht mit besonderer Körperkraft gesegnet und auch nicht willens stundenlang im Kraftraum zu trainieren, sprich das Fahrrad sollte auch auf langen Abfahrten nicht "zu" anstrengend zu fahren sein, was extreme Geometriekonzepte rauskickt
- Untergrund querbeet durch fast alle Spielarten des Mountainbikens, von Flowtrails bis Alpin, hauptsächlicher Fokus aber auf technisch/steiles Stolperbiken. Allerdings keine großen Sprünge (maximal Hüpferchen) und Bikepark vielleicht 1x in zwei Jahren.
Das Pflichtenheft für die Details:
- leichter als der bisherige 2,5kg Stahlbomber. Deutlich unter 2kg für den Rahmen möchte ich gerne landen, im Komplettaufbau (vernünftig robust mit dicken Schlappen und dicker Gabel) soll dann grob 12kg angepeilt werden
- eine vernünftige Balance aus Steifigkeit und Flex, bocksteife Hardtail-Rahmen mag ich nicht.
- eine 210mm Schnippistütze soll verbaut werden können, was bei der angestrebten geringen Sitzrohrlänge eine vernünftige Verlegung des Stealth-Zugs nötig macht. Ein Loch im Sitzrohr wie bei meinem bisherigen Hardtail ist hier ein Ärgernis, da es die Einschubtiefe unnötig begrenzt.
- wenn ich keine Schnippistütze möchte, dann soll auch eine klassische Sattelstütze ganz absenkbar sein, sprich das Sitzrohr muss gerade und ganz nach unten ausgerieben sein.
- Tapered Zerostack-Steuersatz. keine unnötige Bauhöhe aber dennoch die Variabilität von klassischen Lagerschalen, was bei Bedarf auch den Einbau eines Winkelsteuersatzes oder Reachsets ermöglicht - man weiß ja nie, auf welche Ideen man in ein paar Jahren kommt
- externe Züge/Leitungen (bis eben auf die interne Schnippistützenleitung). Form follows function, und ich mag das Gefrickel mit innenverlegten Leitungen einfach nicht, dazu bastel ich zu oft an meinen Rädern rum.
- IS Bremsaufnahme und BSA Tretlager. Da bin ich eigen und altmodisch. Umstimmungsversuche zwecklos
- ein klassischer unverschnörkelter Look mit möglichst geraden Linien. Das Auge isst schließlich auch mit.
die grob Peilung für die Geometrie im Sag (ist ja schließlich ein Hardtail, da bringt eine statische Betrachtung wenig):
- Reach 435mm
- Stack unter 600mm
- Sitzrohr 380mm
- Kettenstreben 430mm
- Sitzwinkel 75°
- Lenkwinkel 64°
Und nun die Kür:
nachdem ich jüngst von Mullet sehr angetan bin, soll die Geometrie auch einen Aufbau mit 29er Vorderrad und bis zu 140mm Federweg an einer 29er Gabel wegstecken können, ohne dass mir der Stack zu hoch und der Sitzwinkel zu flach wird. Mit dem Gen5 BFe ist bei 130mm Federweg Ende Gelände und das ganze bereits sehr grenzwertig, besonders in Bezug auf den Sitzwinkel.
Nachdem ich mich nicht nur ein paar Minuten mit den üblichen Geometrie-Rechnern bespaßt hatte, und mein Clay in dem Aufbau und mit dem Federungs-Setup wie ich es fahre, von vorne bis hinten durchkalkuliert hatte, stand dann die Geometrie schonmal fest. Der wichtigeste Punkt erledigt.
Danach kam Kontaktaufnahme und das Abklären der ersten Details und Rahmenbedingungen mit Waltly.
Da Waltly in China sitzt, gibt es da sowohl eine Zeitverschiebung als auch eine Sprachbarriere zu überwinden bei der Kommunikation. Dank Vorab-Diskussionen mit Martina und Speedskater war ich gewarnt was auf mich zukommt. Die Kommunikation auf Englich klappt zwar nicht reibungslos aber soweit ganz ok, allerdings bin ich direkt nach dem ersten Kontakt von Geschäfts-Englisch auf Pidgin-Englisch und vor allem auch auf Zeichnungen umgestiegen. Wie mich Speedskater vorab schon aufgeklärt hatte muss man sich bewusst sein, dass am anderen Ende keine Technikerin sitzt, sondern eine Customer-Services Dame, die zwar ausreichend gut aber nicht perfekt Englisch kann. Sprich alles was ich in Englisch übersetze, wird von Amy wieder von Englisch in Chinesisch übersetzt, und erreicht erst dann die Technik-Abteilung. Also Funktionalität vor Schönheit, Gekritzel vor Lost-in-Translation, und in Ermangelung von vernünftiger Planungssoftware Bleistift und Scanner bemüht.
Aus meinen Bleistift-Kritzeleien ...
... und bereits ziemlich vielen Emails zur Klärung weiterer Details, wurde nun in der Technik-Abteilung von Waltly dieser Entwurf:
Das ganze ist noch sehr weit von final entfernt. Noch ist alles offen.
Was mich nun aktuell umtreibt und mir die größten Sorgen macht: passt der Rohrsatz? Hier war meine Vorgabe bisher nur so: "ich sag euch was ich mit dem Rad machen möchte, schlagt mir bitte was vor"
Kann das jemand kommentieren, der sich ein wenig mit Rahmenbau bzw. Rohrsätzen auskennt?* Mein Bauchgefühl würde beim Unterrohr auf die eins größere Wandstärke gehen wollen, die dann 1,2mm statt 0,9mm wäre. Einfach zum hinterher safe und nicht sorry zu sein
Was meint die Forenkompetenz zum Thema Gusset am Steuerrohr? Waltly scheint das nicht für nötig zu halten trotz des eher flachen Lenkwinkels und des dünnen Rohrsatzes.
Die Reifenfreiheit an der Kettenstrebe will auch noch überdacht werden. Ich tendiere dazu, hier statt der klassischen Rohre auf ein Blech-Yoke umändern zu lassen, das dann 96cm Freiheit zwischen den Streben ermöglichen würde. Mehr als 2.6''
Reifen beabsichtige ich zwar nicht zu fahren, aber ein wenig mehr Platz für Matsch hat ja auch noch niemandem geschadet.
*ich bitte um rege Beteiligung, Brainstorming, euer Bauchgefühl, was auch immer, jede Anregung hierzu ist hilfreich ?