So, jetzt möchte ich auch mal was sagen. Ich benutze dafür den Account vom Alten und darf Euch hier mitteilen, was aus mir geworden ist und was ich heuer so erlebt hab.
Zeit habt ihr ja jetzt zum Lesen, in den trüben Novembertagen, wo die Saison zu Ende geht.
Ich bin nämlich das Liteville 301 vom alten Sack.
Man sagt, wir passen gar nicht so schlecht zusammen, der alte Sack und ich.
Manche sagen, er ist sogar ein kleines bissl wie ich.
Mit ihm könnte ich mir vorstellen, alt zu werden.
Richtig alt nämlich. Wir beide. Zusammen. Ich meine - er hat ja seit 1988 schon einige Bike-Beziehungen hinter sich
Aber wir beide - wir beide sind definitiv für einander geschaffen.
Für ihn könnte ich schon ins schwärmen kommen, er sieht nicht schlecht aus für sein Alter und er ist fit. Und er hat eines: Erfaaaaahrung! Ja, er weiß wie man umgeht mit Geräten wie mir. Ein echter Bike-Versteher!
Niemals würde es mir einfallen, ihn abzuwerfen.
Hin und wieder mach ich ihm sogar einen Ölfleck auf die Wade, mit meinem Kettenblatt! Er weiß, wenn ich ihn anöle, heißt es, dass ich auf ihn steh
Obwohl - neuerdings läuft da in seiner Werkstatt möglicherweise ein Flirt mit einer flotten 29erin. Will sich wohl noch was beweisen, der Alte! Ein Carbon-Racefully! Wenn es einmal ordentlich rumpelt, fliegt er sowieso in tausend Brösel, der Plastik-Rahmen!
Natürlich hab ich ihn darauf angesprochen. "Ähm
blabla
.. hat sich so ergeben
blablabla
.vergiß es
.. blablabla
.. Rennen
blablabla
ähm
... hat mit uns beiden nichts zu tun! Rein gar nichts
. blablabla
" Die üblichen Ausreden halt.
Nein - eifersüchtig bin ich nicht auf die Plastik-Tussi. Stutzig macht mich nur, dass er in letzter Zeit verdammt viele neue Sachen mit mir ausprobieren will. Andererseits - wir waren immer schon sehr experimentierfreudig - neue Trails und so. Und davon gibt es wirklich jede Menge hier bei uns in Tirol. Viele kennt mein Partner noch aus seiner Fels- und Eis- Zeit. Und neue kommen laufend dazu.
Das geht so: Erstens einmal sagen wir gar nicht, wohin wir fahren, sondern wir fahren einfach so herum. Geht ja keinen was an!
Oder wir machen es so: mein Partner sagt zu Hause, er fährt dahin und dorthin, dann fahren wir aber nicht nach dahin oder nach dorthin sondern ganz woanders hin!
Ja! Da kommt zum Beispiel eine Wegkreuzung. Ja? Er fährt dann meistens dorthin, wo das Vorderrad hin zeigt. MEIN Vorderrad! Versteht Ihr? So kommen immer neue Wege und Steige in unsere Trail-Kollektion. Inzwischen kennen wir schon jeden Meter in unserer Heimat.
Außerdem müssen wir auf unserer Hausrunde ständig neue Abkürzungen fahren, denn in die alten Abkürzungen legt immer jemand Baumstämme hinein. Mit Ästen dran! Dann müssen wir halt wieder eine neue Abkürzung machen und so weiter und so fort.
Die neuen Wegerln zeigt mein Partner dann gerne seinen Kumpels, die nicht so viel Zeit haben zum Suchen wie wir beide. Allesamt junge Tupfer. Viele von denen waren noch gar nicht geboren, als er schon mit seinem Mountainbike unterwegs war.
Dafür zeigen die ihm dann ganz andere Sachen: Einen speziellen Fahrtechnik-Trick zum Beispiel oder die Schlüsselstellen-Nummer.
Die geht so:
Am Anfang ist da eine Schlüsselstelle. Die geht nicht. Zumindest für uns beide. Dann bleibt das Rudel stehen, ein paar stellen sich unterhalb zum Schutz in Richtung Abgrund. Damit wir nicht in die Tiefe sausen falls doch etwas passiert.
Ein anderer zeigt im Fels oder in den Wurzeln die genaue Linie, Zentimeter für Zentimeter, bis wir es kapiert haben. Dann fährt er vor und einer ruft "Geht schon!" Dann fahren wir los. Und es geht meistens. Hinterher rufen Sie dann: "Super!" und weiter gehts. Ist eigentlich immer das gleiche Ritual.
Das nächste Mal geht die Schlüsselstelle dann ohne Aufpasser ganz von allein und es ist dann eigentlich gar keine Schlüsselstelle mehr.
Am Ende der Ausfahrt gibt es dann das "Abklatsch-Ritual", Ihr wisst schon, so wie nach einem coolen Run beim Snowboarden. Patsch!
Männer brauchen wohl solche Rituale. Und die meisten sind schon zufrieden, wenn immer alles gleich abläuft. Rauf - runter - fertig - patsch!
Wir treffen natürlich auch viele andere Menschen auf unseren Ausfahrten, auch solche ohne Bike, also ganz normale Menschen. Fußvolk sozusagen.
Die meisten von ihnen sind wirklich sehr nett. Die meisten. Nicht alle.
In Tal- Lagen sind diese sehr oft in Gruppen und mit Stöcken unterwegs, die hört man schon von weitem, weil sie mit den Stöcken so klappern. Sie selber hören dich aber nicht, wegen dem Geklappere und weil sie während dem Gehen eifrig miteinander reden. Da heißt es dann aufgepasst und schon von weitem rufen, damit sie rechtzeitig auf die Seite springen können. "Klapperschlangen" sagen einige. Wir nennen sie "Steckerlfisch". Wegen der Steckerl.
In höheren Lagen hat sich eine Art entwickelt - die trägt ebenfalls Stöcke, aber keine Turnschuhe sondern die allerneueste Trecking-Footwear und auf ihren Hightec-Performance-Klamotten prangen Raubtiere, Adler und Elefanten um die Wette, selbstverständlich in den aktuellen Trendfarben und alles nigelnagelneu. Kostet bestimmt ein Schweinegeld. Mit dem Equipment von einem einzigen Tisch auf der Sonnenterrasse kannst du locker eine Expedition ausrüsten. Ist ja ok. Ein bisschen Style muss schon sein, und in in puncto "Equipment-Overkill" sind die Mountainbiker auch nicht viel anders. Die alpinen Designer- Outdoor- Experten findest du vorwiegend auf Terrassen diverser Berghütten und Lift-Bergstationen. Mit denen hast du als Biker in der Regel keinerlei Probleme. Durchwegs nette, tolerante und gebildete Leute, vermutlich "A-Schicht". Die Evolution hat sie perfekt ausgestattet - nicht nur um jede Frostnacht zu überleben, sondern auch um sich im Existenzkampf beim Ein- und Aussteigen aus der Gondel jederzeit souverän durchzusetzen. Stilsicher schreiten sie dann im Tal von der Liftstation zu ihrem SUV.
Sie sind aber nicht artverwandt mit der Spezies "gemeiner Wanderer", heimisch ab der Baumgrenze und erkennbar an einem riesigen Rucksack, Hemd mit Schweißflecken und herunter geschoppten Wadenstrümpfen und - ganz wichtig: gelben Punkt auf der Sohle der steigeisenfesten Wanderschuhe. BMI ab 27,5. Wir sind immer schön freundlich zu denen, damit sie uns nicht schimpfen oder gar anzeigen, wir
bremsen rechtzeitig ab und wenn sich dann die Staubwolke legt und wieder Sichtkontakt besteht, sagt man "Gruß Gott", "Servus" oder "Hallo" und nicht vergessen: "Danke! Danke! Danke!", für das Ausweichen, denn die meisten weichen brav aus. Meistens auf diese Seite, auf der es möglich wäre, mit dem Bike vorbei zu kommen.
Manche sind auch nicht so nett. Sie halten dann die Hände - samt optionalen Stöcken - weit ausgestreckt und vom weitem meinst du, die wollen dich willkommen heißen. Aber nein! Ihr Körper sagt: "Nix do!" und ihr Gesichtsausdruck "Mir san mir!" Es folgt dann der Klassiker: "Radlfahren verboten!" oder - in deutschem Akzent: "Hier ist kein Ratttweeech!!". In diesem Fall bleiben wir beide kurz stehen - mein Partner bleibt in meinen Pedalen, versetzt mein Hinterrad, dann mein Vorderrad, wir fahren vorbei und er macht auf hochdeutsch: "Entschuldigung, wusste ich nich, schön Tachhh noch!"
Wir mögen sie aber trotzdem, die Wanderer, nur - wenn wir bitten dürften: Bitte nicht die ganzen Trails voll
.. na, Ihr wisst schon - die vielen angeschmierten Papiertücherln - meistens dort, wo eine Rastbank in der Nähe ist. Ist ja wirklich unappetitlich! So was machen die Biker nicht!
Dabei reden wir noch gar nicht von den grünen Männlein. Nicht von denen aus der Rakete, sondern von denen aus den grünen Geländewagen. Da heißt es aufgepasst, und einen weiten Bogen herum machen, denn die sind bewaffnet.
Und dann neulich der Hüttenwirt! Dabei hat mein Partner ja nur ganz unverbindlich gefragt, ob man von jenem Gipfel
. auf dem Steig den man dort oben sieht
rein theoretisch
. mit dem Bike
.
Aber dann gings los: "Jo wos moants denn dös eigentlich? "Mitn Montnbaik? Apppsolut strengggstens unterrrsagt
.
so einen reiß i eigenhändig vom Radl oba
." usw usw. Sehr emotionell. Kann hier nicht vollständig wiedergegeben werden. Ihr müsst wissen: "Montnbaik" sagen bei uns die meisten Wanderer, beziehungsweise Personen, die der englischen Sprache nicht mächtig sind. Aber nicht "Mauntenbaaaaiiik", mit der Betonung auf "aai", diese Aussprache ist unseren südlichen Nachbarn vorbehalten.
Es war aber dann trotzdem ganz nett und wie ihr auf den folgenden Fotos sehen könnt, sogar weitgehend fahrbar. Auf dem Foto sieht man auch, dass wir hier in unserer Gegend das Wort "Gipfel" auf den Gipfel schreiben, damit die Wanderer wissen, dass sie oben sind und jetzt umdrehen müssen.
Die Saison hab ich ohne Defekte überstanden, nur das Tretlager der XX1 Kurbel knurbelt und muss getauscht werden.
Ja, und wenn wir uns einmal begegnen sollten: Wir beide bleiben auch gerne einmal stehen für einen kleinen Plausch.
Alles Gute und vielleicht bis demnächst!