Hier also der Bericht aus der SAZ:
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Singlespeed Mountainbikes mit einem Gang an allen Gewohnheiten vorbei
Berlin (ur) - In einer Zeit, wo Hersteller mit bestem Preis-Leistungsverhältnis um die Käuferschaft wetteifern und die Nation mit den olympischen Bike-Helden fiebert, etabliert sich in der Mountainbikewelt heimlich eine Szene, für die weder ökonomisches Denken noch sportliche Spitzenleistung hauptsächlich ist. Singlespeed-Biker folgen in erster Linie dem eigenen Gefühl, was Spaß macht. Bis jetzt sind Fahrer mit einem Gang selten auf Deutschlands Waldwegen anzutreffen. Blickt man jedoch nach Amerika, wo Singlespeed-Bikes bereits ein fester Teil der Offroad-Szene geworden sind, und betrachtet man die ständig steigende Teilnehmerzahl an Rennen, könnte sich auch in Deutschland bald eine auch für den Handel nicht zu verachtende Nische fest etablieren.
Jüngst erst wurde Berlin zur Singlespeed-Metropole: Rund 400 Fahrer aus 21 Nationen
versammelten sich dort Mitte August zur Weltmeisterschaft im Eingang-Geländefahren. Pokale für die Erstklassierten gab es nicht, dafür wurde den Gewinnern ihre Siegesurkunde auf die Haut tätowiert. Alle übrigen Teilnehmer wurden offiziell als Zweite klassiert, unabhängig davon, ob sie nun wie die Sieger sieben Runden schafften oder in den anderthalb Rennstunden lediglich einmal den Rundkurs bewältigten. Eine detaillierte Rangliste war so verpönt wie Energieriegel und rasierte Beine. Dabei sein zählte, und wer nicht auf die Beachtung als Sieger hoffen konnte, versuchte, mit kreativem Outfit oder ausgefallenem Fahrzeug die Aufmerksamkeit des Publikums zu sichern. In der SinglespeedSzene ist erlaubt, was gefällt, und die friedliche Vielfalt erinnerte an die ersten Mountainbike-Rennen vor 20 Jahren, wo von durchkalkulierter Professionalität und Breitensportwirkung noch wenig zuspüren war. Gerade dies ist einer der wichtigsten Gründe, weshalb sich Menschen mit eingängigen Mountainbikes irgendwo treffen und den Spaß am Radfahren zelebrieren.
Die Philosophie des Singlespeed-Bikens lässt sich kaum in einem Satz fassen. Am treffendsten definiert Alex Schley, amtierender Deutscher Singlespeed-Meister, das bunte Nebeneinander der Ideen in der Szene: Wenn Singlespeeder je ernsthaft kämpfen, dann bekämpfen sie Eindimensionalität." Manche Biker schätzen die Zuverlässigkeit der simplen Technik - ganz nach dem Motto wo nichts dran ist, kann auch nichts kaputtgehen", andere verbinden mit den puristischen Rädern ihr Misstrauen gegen den Hightech-Overkill und die Überkommerzialisierung des Mountainbikes", und weitere schätzen die trai- ningstechnische Herausforderung. Mit dem Singlespeed-Bike nimmst du das Gelände völlig neu wahr. Jede Steigung, jedes Gefälle geht sofort in die Beine, und der Triumph, es mit nur einem Gang geschafft zu haben, ist größer als je zuvor mit einem geschalteten Bike", erklärt Singlespeed-Pionier Peter Horsch die Faszination des ungeschalteten Geländefahrens.
Anhängerfeld mit großer Dunkelziffer
Wie viele Anhänger des einen Gangs es unterdessen in Deutschland gibt, lässt sich nur schwer einschätzen. Singlespeed-WM-Organisator Christian Krämer war bereits im Vorfeld der WM überrascht, wie zahlreich die Anmeldungen aus Deutschland hereinflatterten: Aufgrund der Erfahrungen vom German Beer and Bike Cup des letzten Jahres rechneten wir mit etwa 80 heimischen Teilnehmern. Angemeldet haben sich aber gut doppelt so viele. Von einigen Teilnehmern haben wir das erste Mal gehört, und gleichzeitig wissen wir von zahlreichen Eingangfahrern, die nicht nach Berlin reisen konnten, oder sich nichts aus einem Treffen mit dem Rest der Singlespeed-Welt machen."
Eine aufmerksame Kundschaft
Trotz einer kritischen Prüfung aktueller technischer Innovationen sind die meisten Singlespeeder keine Kaufmuffel. Zwar beginnen die meisten ihre Eingang-Karriere mit einem aus herumliegenden alten Teilen zusammengeschraubten Bike, praktisch alle steigen dann aber rasch um auf ein edleres Fahrzeug. Nebst zuverlässiger Technik sind für Singlespeeder Image und Optik sehr wichtige Kauffaktoren, und dafür sind sie bereit, tief in die Tasche zu greifen. Spezielle Rahmensets mit eingebauten Hilfen zur Kettenspannung sind oft gefragter als komplette Räder, da die meisten Singlespeeder auf ihre Lieblingsteile schwören und genaue Vorstellungen haben, wie das Bike auszusehen hat. Ungebrochen beliebt sind in Singlespeed-Kreisen Stahlrahmen, und entsprechend dem Low-Tech-Gedanken verzichten viele Fahrer auf eine Federgabel. Welche Teile sich in der Praxis bewährt haben, verbreitet sich in Windeseile übers Internet. Die Szene ist in Online-Diskussionsforen sehr aktiv und weltweit vernetzt. Informationen werden so rasch weitergeleitet, was sich auch im Kaufverhalten bemerkbar macht. Die Singlespeed-Kundschaft ist extrem gut informiert und weiß genau, was sie will", beschreibt Hartwig Hofherr, Geschäftsführer von Hajos Sportproducts und Importeur der beliebten White-Singlespeed-Komponenten die Käuferschaft. Seit der Lancierung der Produkte haben uns die Singlespeeder mit ihrer Nachfrage regelrecht überfallen, ohne dass wir speziell dafür geworben hätten."
Ein Potenzial für den Handel
Die Nachfrage ist da", bestätigt auch Gerhard Schwarz, dessen Firma Cosmic Sports zu den ersten gehörte, die Singlespeed-Teile ins Angebot aufnahm und unterdessen eine breite Palette an speziellen Parts und Rahmen der Marken Surly und Salsa anbietet. Und die Nachfrage steigt an. Für einen Shop, der nahe an der Szene ist, kann der Verkauf von SinglespeedBikes durchwegs eine rentable Sortimentsergänzung sein." Für den Händler nicht zu unterschätzen dürfte auch die Tatsache sein, dass die meisten Singlespeeder oft wahre Bike-Maniacs sind und nebst dem Eingang-Bike noch mindestens ein weiteres Rad in der Garage haben. Hat man die Erwartungen des Kunden im Singlespeed-Bereich erfüllen können, so kommt dieser sicher auch wieder, wenn eine Ausgabe für eines der anderen Bikes ansteht
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Kein Trend, aber eine sichere Nische
Ist Singlespeed-Biken nun also der neue Trend, der die Mountainbikewelt umkrempeln wird? Schwarz winkt ab: Mountainbikes mit nur einem Gang sind rationell nicht erklärbar. Viele Biker werden es kaum erfassen können, warum man sich mehr herausfordert als notwendig. Diejenigen aber, die keine Berührungsängste haben und es ausprobieren, erkennen den Reiz sehr rasch. Und diese Biker werden sich für längere Zeit ihren Platz im Mountainbike-Gesamtfeld sichern. Denn die Überzeugung zu ihrem Fahrzeug ist unabhängig von allen technischen Neuerungen und steht und fällt kaum so wie ein anderer Trend." Schwarz muss es wissen. Er selber fuhr dieses Jahr ein Marathonrennen mit dem Singlespeed-Bike. Mit mehr Spaß am Rennen. Und neun Minuten schneller als ein Jahr zuvor mit Kettenschaltung. ""
Ich hab gar keine Garage.
Viele Grüße, Splifff