Bericht aus der Jedermannsperspektive:
Nach meinem Start beim Waldhaus Bike Marathon eine Woche davor wusste ich,dass meine Form nicht gerade doll ist. Also war das Selbstvertrauen nicht unbedingt ausgeprägt, als ich am darauffolgenden Samstag beim Albstadt Bike Marathon an den Start ging. Meine Anmeldung stand aber schon seit 2020 und als Albstädter Gewächs wollte ich da seit meiner Kindheit mal mitmachen. Ich hatte Startblock "G" auf meiner Startnummer stehen. Eigentlich dachte ich erst, das G steht für "Gewichtsreduktion", aber als ich mich so am Lizenzblock und den nachfolgenden Blöcken vorbeischlängelte, konnte ich gefühlt nur Asketen und ihre Carbon-Raketen erkennen. Im Startblock "G" gab es dann immerhin ein paar Leute,die sich davon optisch klar unterschieden. Zum Beispiel durch Sandalen, 26-Zoll Bikes aus den 90ern oder eben durch einen höheren Bauchumfang. Es waren allerdings nicht so viele, wie ich erwartet hatte. Wir rollten recht auch zügig als gedacht über die Startlinie und über das erste kleine Flachstück aus Ebingen raus. Am ersten Anstieg im "Tennental" bildete ich zeitweise das Schlusslicht mit einem Biker mit Sandalen und eben jenem 26-Zoll-Bike mit V-Brakes. Man kannn sich aber nett unterhalten, wenn man langsam fährt ;-) Das habe ich dann auf den nächsten Metern zum "Waldheim" hoch auch mit einem anderen Biker von der Reutlinger Alb gemacht. Der erzählte unter anderem von der Schönbuch Trophy und dem Alb-Gold-Marathon und machte mir damit den Mund schon gut wässrig.
Erstmal mussten wir aber den heutigen Tag überstehen. Ich hatte ab dem Waldheim schon nicht mehr ganz den Überblick, wer noch hinter uns war (bis auf einen vom einem Defekt Geplagten) und so hieß es dezent zulegen. Leider stellte ich auf dem Degerfeld fest, dass mein
Sattel * samt Stütze langsam im Sattelrohr verschwand. Also erstmal anhalten und die Klemme anziehen. Das ist mir später noch zwei Mal passiert und war echt nervig. Notiz an mich: Nie am Morgen vor dem Rennen den
Sattel * tauschen und dabei die Montagepaste allzu großzügig verwenden!
Etwa auf Höhe Flugplatz Degerfeld hatte ich das Feld dann wieder und konnte bis zur ersten Verpflegung ein paar Plätze gutmachen. Danach fuhr man mehr oder weniger zügig auf der Hochfläche Richtung Onstmettingen. Zeitweise klebte ich dabei am Hinterrad eines etwas älteren Herren,der ein Team-Trikot einer Albstädter Firma trug. Als ich irgendwann dachte, ich muss auch mal was tun, überholte ich ihn. Links wohlgemerkt. Dabei rief er mir zu: "Nicht rechts überholen! In Deutschland haben wir Rechtsfahrgebot!" Das Ganze in einem Ton,der jedem Schulmeister zur Ehre gereicht hätte. Erst dachte ich, der scherzt und grinste nur, aber es war ihm tatsächlich ernst. Vielleicht bin ich auch mal kurz rechts neben seinem Hinterrad gefahren, aber so weit am Ende des Feldes ist sowieso immer massig Platz auf der Ebene und am Berg. Und wir dahinten fahren ja um nix.
Kommentiert habe ich das nicht. Stattdessen habe ich stärker in die Pedale getreten, um möglichst viel Platz zwischen uns zu bringen. Das Wetter und die Stimmung waren viel zu gut, um mit so einem Miesepeter zu streiten.
Da ich ihn wie gewünscht nicht wiedersah, gab es auch kein Problem mehr. Dafür begann ein anderes Problem: Ich bekam leichte Magenschmerzen. Der Müsliriegel eines Unternehmers, der seine weithin berüchtigte Radiowerbung aus schwäbischer Sparsamkeit angeblich selbst spricht, liegt wohl ebenso schwer im Magen wie die Werbung. Möglicherweise lag es auch an der Kombi Banane und Wasser mit Kohlensäure, das ich unterwegs von Zuschauern gereicht bekam. Wie auch immer: Am Zollernsteighof vorbei fühlte ich mich nicht gerade toll. Da ich jedoch einen weiteren Albstadt-Debütanten traf, motivierte mich das und gemeinsam ging es Richtung Skilift Onstmettingen,wo die zweite Verpflegung anstand. Mit Kuchen (geht bei mir fast immer) bekämpfte ich die Magenprobleme halbwegs erfolgreich. Bis zur Onstmettinger Schanze wurden die Schmerzen immerhin nicht mehr. Dort ließ ich es ruhig angehen, denn die Sprintwertung ging mit Sicherheit eh nicht an mich. Dafür galt es, kurz nach der Schanze einem entlaufenen Schaf auszuweichen,das neben seiner Koppel auf dem Weg lief. Ich habe es jedenfalls nicht erwischt und ich hoffe, es fand den Weg zurück.
Zwischen Schanze und Tailfingen-Lichtenbol wurde man dann auf vielfältige Weise von den Zuschauern motiviert: Mit angebotenem Bier, Abklatschen von Kindern im Vorbei fahren oder diversen Schildern. Auf einem stand so was wie: "Nur noch lächerliche 42km!" Ich hab daraufhin zum betagten Schildermaler gesagt: "Wenn das so ist, tauschen wir doch einfach!" Wollte er dann aber irgendwie auch nicht.
Auf dem Weg nach Pfeffingen blieb es relativ unspektakulär, aber ich merkte schon, dass wir schon um die 40km gefahren waren. Das Steilstück Richtung Burgfelden erwies sich dann als Wendepunkt zum Schlechteren. Ich konnte zwar alles fahren, obwohl es da wirklich sausteil ist, habe dabei jedoch ordentlich Körner gelassen. Mein Puls ging extrem hoch und oben war ich ganz schön aus der Puste. Bei der Verpflegung langte ich dann nochmal beim Kuchen und Apfelschorle zu. Die Apfelschorle wanderte in die Flasche. Die steile Abfahrt nach der Verpflegungsstation war auch nicht ohne. Glücklicherweise fuhr ich sie quasi alleine und konnte so unten einen Beinahe-Sturz auf dem losen Schotter noch relativ einfach verhindern. Weiter bis nach Laufen war auch alles scheinbar ok. Dann aber kamen die steilen Anstiege. Ich konnte da nicht mehr mithalten und musste mich der Fraktion der Schiebenden anschließen. Die Streckenänderung im Vergleich zur letzten Ausgabe in 2019 hatte auch in Lautlingen noch ein zweites richtig steiles Stück zur Folge, sodass auch da nochmal Schieben angesagt war. Die Zuschauer störte das allerdings nicht und sie machten weiter richtig Stimmung.
An der letzten Verpflegung in Margrethausen brachte ich den Kuchen kaum mehr runter und musste schließlich den Rachen mit Waser spülen, damit da nichts in die falsche Röhre geht. Zum Glück war es nicht mehr so steil wie davor und ich konnte trotz eines wehklagenden Gesäßes wieder alles fahren. Es zieht sich troztdem noch ganz gut hin und irgendwann hing mein Auge nur noch auf dem Display, wo mir die verbleibenden Höhenmeter angezeigt wurden. So eine Uhr ist ja Fluch und Segen zugleich: Einerseits hilft sie ganz gut bei der Renneinteilung, andererseits kann sie einem auch gnadenlos zeigen, dass man immer langsamer wird. Hatten wir in Lautlingen wieder kurzzeitig einen 16er-Schnitt, ging es danach mit Schieben und langsam bergauf fahren mit dem Schnitt kontinuierlich runter. Das hat mir dann im Schlussanstieg mental einen kleinem Dämpfer versetzt. Auf der anderen Seite war das Ziel greifbar nahe und daher gab ich in der letzten Abfahrt und auf dem Flachstück aus der Ebinger Innenstadt bis zum Mazmann nochmal soviel Gas, wie halt mit leerem Tank noch ging. Die Zuschauer waren dabei bis zum Schluss eine große Hilfe. Im Ziel war ich dann wirklich völlig leer und konnte mich nicht recht freuen. Das lag primär daran, dass mir etwas schlecht war und ich auch fror, aber noch aus eigener Kraft nach Truchtelfingen zur Unterkunft bei den Verwandten musste. Irgendwie hab ich das dann doch noch geschafft und erstmal das Bett aufgesucht. Erst um 20Uhr konnte ich wieder was essen.
Fazit:
Albstadt ist schon hart, wenn man nicht genügend (und nicht regelmäßig) trainiert hat. Das schreckt den Gelegenheits-Biker vielleicht inzwischen doch ab?!? Ob ich nächstes Jahr wieder starte, hängt wohl von der Qualität der Vorbereitung ab.
Lust hätte ich schon, denn technisch gesehen ist die Strecke zwar wenig kreativ (dafür teils der Schotter gut rutschig), aber die Stimmung ist schon der Wahnsinn. Überall sitzen oder stehen die Leute und erzeugen eine tolle Atmosphäre mit allen möglichen Utensilien von der Rassel bis zur Musik aus der Partybox. Das ist nach so vielen Jahren immer noch der Hammer. In jedem Fall gilt mein Dank den zahlreichen Helfern, die so ein Event nach zwei Jahren Zwangspause wieder möglich gemacht haben! Schon alleine deswegen müsste ich eigentlich wieder an eine Anmeldung denken...