Tag 11
"Rausgeschmissen"
23. September 2020
Lamsenjochhütte (1953 m) - Zuhause (30 m)
70 km * 3,5 Stunden * Übernachtung: heeme
Nachtrag:
Gestern schrieb ich ja was von "Die Hütte des schlechten Gewissens": Das bezieht sich darauf, dass es hier Hinweise z.B. im Bad gibt, mit wie viel Aufwand eine so und so lange Wasserleitung von dort und dort per Hand jedes Jahr gelegt werden muss, damit man hier Wasser aus dem Wasserhahn ziehen kann. Und wie oft der Hubschrauber für Lebensmittel usw. kommt. Zumindest ich bekomm dadurch ein schlechtes Gewissen.
Buuuhuuuhuuuuuuuu!! Es regnet! Richtig doll! Und ich bin in 2000 m Höhe!

Unter diesem Dachfenster liege ich und es ist Aufstehzeit und es gibt keinen.blauen.Himmel. Stattdessen Wasser!!!
Eigentlich ja das beste Wetter für einen letzten Tag! Allerdings schüüüttet es und ich muss eeetliche Höhenmeter runterrauschen! Ach so: Regenkleidung hab ich nur peripher dabei.
Zum Glück hab ich die Nacht drinnen verbracht! Diese Nacht draußen verbracht - das wär ja was gewesen. Allerdings ist mein Rad diesmal (und nur dieses Mal!) schuppenlos. Also ohne Unterstand. War ne Spitzenidee, die Oberrohrtasche dran zu lassen.......
Beim Zähneputzen jammer ich zusammen mit einer Stuttgarterin fröhlich über das Wetter. Aaaah, das tut so gut, sich mit einem netten Menschen ungezwungen zu unterhalten und sich gegenseitig Mut zu machen.

Blick nach draußen. Da schickt man keinen Hund vor die Tür! Eine Person von den vieren ist die Stuttgarterin.
Ich glaub ja auch, dass es einfacher ist, loszu
laufen, als mit dem Rad zu fahren. Je schneller man ist, um so nässer wird man...

Ich will nicht los!

Mit der Handyladestation vergisst man sein Smartphone wohl nicht mehr.
Bezieht sich
hierauf.
Hier liegt auch der Wetterbericht für die nächsten Tage: In zwei Tagen wird es hier schneien!!!
Hilft ja alles nischt: Bei leichtem Regen geht's los.
Sicht? Null!
Anfangs führt der Weg nochmal hoch: Boah, mir wird warm! Ich hab ein Trikot an, zwei Jacken, meine Kapuze aufm Kopf, hab die Maske um den Hals und ne kurze Hose. Regensocken hab ich im Rucksack. Lieber jetzt nicht anziehen, dann hab ich im Zug noch was Trockenes und Warmes!
Und dann gehts runter: Ich nehm den Fahrweg. Den Wanderweg seh ich noch nicht mal.
Beim Runterfahren seh ich erst einen Wanderer im Nebel - und dann läuft von links nach rechts ein Gamssprung über unsern Weg (ich
schätze, es waren wiederum Gämse!). Hier ist echt was los in Sachen Gämsen! O.O
Wie cool! Meine Begeisterung teil ich mal eben schnell mit dem Wanderer. Ja ja, er hat sie auch gesehen
und gezählt!

Und er wollte auch wissen, woher ich käme. Glaub, der war auch etwas perplex, dass ich so von hinten angerattert komme und ihn anspreche.

Und ich glaub ja, dass wir die Nacht über im gleichen Zimmer waren. ^^

Zwischendurch nur zwei Fotos aufgenommen. Es war ne echte Überwindung, anzuhalten, die nassen Handschuhe auszuziehen, mit den kalten Händen den Rucksack zu öffnen und die Kamera rauszuangeln und dann auch noch Fotos zu machen!

Blick zurück. Glaub ich zumindest. Ich selbst seh nicht, wo der Weg is'....
Zwischendurch komm ich an der Bimsalm vorbei. 2 h Gehzeit vom Joch sinds. Na das hätte ich gestern noch dicke geschafft. Hier kann man nämlich auch übernachten. Merk ich mir mal vor. Fürs nächste Mal.
Und da ist er: DER Ahornboden. Und Eng. Das berühmteste Almdorf im Karwendel.
Ich flitz einfach nur durch und drüber. Es regnet nämlich! Und die Temperatur ist nach wie vor unterirdisch!
Und treten und treten und treten und juhuu, der Regen hört zwischenzeitlich sogar (ein bisschen) auf!
Mittels einer Karte am Straßenrand weiß ich, wo lang ich muss. (Hinter- und Vorderriß)
Über nen Berg fahr ich jedenfalls heute nicht mehr! Ich werd einfach nur die Straße bzw. den Isarradweg nach Mittenwald oder GAP dackeln!
Das Wasser steht(!) übrigens in den Schuhen!
Was ich nicht gemerkt hab: Ich bin ja schon in Bayern! Was ich gemerkt hab: Der Regen hat wirklich aufgehört.

Schnell ne Banane reindrücken, sonst ist der Kraftstoff alle, bevor ich in GAP bin. Noch 40 min bis zum Bahnhof.

Wooowww! Meine Schuhe sind schon am Trocknen!
Es sind unglaubliche 15°C!!! Gegen viertel eins bin ich in GAP: Bahnhof! Es hatte wieder angefangen zu regnen... Jetzt schnell: Reisepläne ausdrucken! Nach Freital? Vielleicht. Nach Dresden? Nee, zu lange Fahrzeit. Nach Hause? Wäre ich um Mitternacht.
Ticket ziehen!
Ab zu Lidl! Vier Brezeln + Hummus + Kaffee.
Ab zum Brunnen! Wasser zapfen!
Wieder hoch zum Bahnhof!
Und rein in den Zug. Und endlich das Wasser aus den Schuhen kippen... Das schöne Alpenwasser!
13:07 Uhr: Abfahrt!
Puh!
Fahr, fahr, fahr...

Schuhe mit der bahninternen Zeitschrift ausstopf

Immer nur am Essen...

Das wars. Heuel!

(Ich trag auf dem Bild keine Maske, weil ich grad am ESSEN bin.)
München. Vor sechs Stunden war ich noch in 2000 m Höhe in den Bergen quasi alleine... Jetzt sitz ich im Zug, sehe hektische Menschen, Leuchtreklamen, die Zugbegleiterin kann dem fragenden Herren nicht freundlich "nein" sagen, die beiden Menschen neben mir hängen am Smart Phone (ok, das war auf der Stettiner Hütte auch so). Wie
ruhig das in den Bergen war! Wie ich Youtube usw. gar nicht gebrauche habe! (Dafür Sonnenschein und jeden Tag zumindestens ein Berg.)
Ich entscheid mich übrigens, doch bis ganz nach Hause zu fahren. Sonst hätte es wohl noch drei Tage mehr Bericht gegeben. Tja...
Aber ich sag mal so: Was für ein Glück, dass ich noch die
letzte Zugverbindung erwischt habe! Nach dem Mittag erst los und trotzdem noch bis nach Hause geschafft! Uuuuunglaublich!!! Dass sowas geht! Mit dem Bummelzug!
Die Zugfahrt verläuft super, unspektakulär, jeden Anschlusszug bekommen! Zwischendurch hätte ich fast meine nassen (und hüüübschen) Socken verloren, weil ich sie zum Trocknen aufgehängt hatte, sie dann vergessen hatte, beim Aussteigen mir's wieder einfiel, sie aber nicht mehr an ihrem Platz hingen... und ich sie im Mülleimer wieder gefunden hab... oops.

Da simma wieder. Aufm Bahnhof in Hof. Mit Maske. Und nicht, weil es kalt wär... (Für die Zukunftsleser: Damals musste man aufm Bahnhofsgelände und im Zug sowieso Maske tragen, um andere vor den eigenen Aerosolen und damit womöglich vor dem Corona-Virus zu schützen.)
Elf Stunden Regionalzug; in einem Zug gabs zum Glück ne Bücherecke; die Züge in Brandenburg machen den modernsten Eindruck.

Uuunglaublich.. Heut morgen noch im Karwendel in schwindelerregenden Höhen (na ja....) und jetzt gleich wieder daheeme...
In einer Bahnzeitschrift steht geschrieben:
Wenn man alles neu und anders sieht, kann's sein, dass anderes auch geschieht. MARY POPPINS
Ach Leute, es war so schön... * nochmal schnell einige Impressionen der letzten anderthalb Wochen rauswühl *
Aber alles hat ein
ENDE.
Vielen, vielen Dank fürs Mitfahren an alle fleißigen Leser! Danke fürs Kommentieren, fürs Reagieren, fürs Fragenstellen, fürs Selbererzählen, fürs Witzereißen! Vielen, vielen Dank an alle ***Fans und an alle, die neu hinzu gekommen sind! Ich hab mich über jegliches Mitmachen gefreut und freu mich auch weiterhin! ; )
hihi
Epilog:
Der Wetterbericht einen Tag später lautete:
"+++ Österreich: In den Bergen wird es tiefwinterlich! +++
Beispiel Lech am Arlberg: Am Freitag kommt es zu einem Wintereinbruch & der Regen geht in Schneefall über."
Dem bin ich ja grade nochmal entkommen! Und hatte ja während der Reise sooo viel gutes Wetter wie lange nicht mehr. Zwei Tage später wurde Tirol übrigens als Risikogebiet eingestuft und ich hätte wohl in Quarantäne gemusst.