Procore ist in der Tat die Neuheit des Jahres 2014 (für Tubeless-Fahrer). Auch wenn sich seit der Präsentation des Systems Anfang des Jahres zahlreiche Profi-Fahrer, Reifen-Hersteller und Hobby-Bastler zu Wort melden und das System als "alten Hut" abtun, so muss man fairerweise festhalten, dass Schwalbe ein solches System erstmals konsequent zur Serien-Reife, -Produktion und Markteinführung vorangetrieben hat.
Was mich an Procore beeindruckt
Mich beeindruckt das System jedoch weniger aufgrund besseren Grips, als viel mehr durch gesteigerten Komfort und eine angenehmere Fahrdynamik. Gerade in Sachen Bremstraktion und Kurvenhalt konnte ich trotz Procore bei normaler Fahrweise keinen nennenswerten Vorteil spüren. Was sich jedoch stark bemerkbar machte, war der Fahrkomfort und das deutlich höhere Vertrauen ins Bike. Durch den geringen Luftdruck im Hauptreifen/Hauptkammer den das System ermöglicht, nimmt der Reifen hochfrequente Schläge bestens auf, die vom Fahrwerk aufgrund der Massenträgheit kaum abgefangen werden können. Gerade auf langen Abfahrten macht sich das beispielsweise in den Händen stark bemerkbar.
Procore zum Anpassen der "Federkennlinie"?
Da der Reifen ein entscheidendes "Federelement" am Gesamtsystem Mountainbike ist, profitiert man bei der Verwendung von Procore durch die fein einstellbare "Federkennlinie" des Reifens. So kann man auch durch den Druck in der Procore-Kammer (viel mehr als zweiter Reifen mit dünnem Schlauch zu sehen) die "Progression" des Reifen anpassen. Gerade in diesem Hinblick sind die von Schwalbe empfohlenen 6 Bar Druck fast etwas zu hoch.
Mehr Grip durch Procore?
Um nochmals zum Thema Grip zurückzukommen: Ein Problem des Procore-Systems und dessen Massenkompatibilität sehe ich in dem Punkt, dass sich der Grip erst dann spürbar verbessert, wenn man mit ordentlich Nachdruck fährt. Schon beim ersten Test in Malaga/Spanien spürte ich, wie der Reifen bei aggressiven Kurvenfahrmanövern trotz niedrigem Luftdruck rutschte. Erst ich als bewusst Druck auf den Reifen (Vorderrad) ausübte, sodass dieser "wegknickte" und sich mit der Karkasse am inneren Reifen abstütze, generierte der Reifen plötzlich wieder volle Traktion und folgte wie auf Schienen meiner vorgegebenen Linie. Den Reifen bis zu diesem Punkt zu belasten kostet jedoch einiges an Überwindung, womit fraglich ist, ob man bei gemäßigter Fahrweise den Gripvorteil des Systems überhaupt nutzt.
Pannensicherheit
"Burping" - also das Entweichen von Luft aus dem Schlauchlossystem zwischen Reifenwulst und Felgenhorn - ist für mich die nervigste und häufigste Panne bei Schlauchlossystemen. Bei mir meist am Hinterrad und bei aggressiven Kurvenfahrten zu spüren. Diesem Phänomen kann das Procore-System tatsächlich nahezu komplett vorbeugen - für mich wäre allein das schon ein Kaufargument. Ganz abgesehen von den Notlaufeigenschaften und der Tatsache, dass trotz Luftverlust in der Hauptkammer noch volle Bremstraktion gewährleistet ist, da der äußere Reifen auf dem inneren aufliegt, wodurch das Profil weiterhin vollen Anpressdruck am Boden erfährt.
Dass der innere, prall aufgepumpte Reifen (Procore) aber konsequent vor Dellen in der Felge schütze, konnte ich mit meinem doch recht rustikalen Fahrstil aber lediglich 80 kg fahrfertigen Gewichts nicht bestätigen. Gerade seitlichen Schlägen kann die Felge auch trotz Procore nicht standhalten.
Mein Resümee
Ich als eingefleischter Tubeless-Fahrer finde Procore super. Auf meiner Hausrunde habe ich weder Rucksack noch Tools am Bike dabei, im Falle einer Reifenpanne war ich bisher immer aufgeschmissen. Dank der Notlaufeigenschaften des Procore-Systems kann ich so nun problemlos nach Hause radeln. Zudem schützt das System vor genau dem Defekt, der in meiner Rennsaison 2013 die häufigste Ursache auf "DNF" war - nämlich Burping. Abgerundet werden die Vorteile letzten Endes vom spürbar höheren Fahrkomfort auf langen Abfahrten. Das Mehrgewicht nehme ich daher gerne in kauf.
PS: Schade nur, dass das Procore-Ventil für hohe Felgen wie z.B. Enve M70 zu kurz ist.