So, ein paar Fragmente, statt einem Erfahrungsbericht:
Ich bin letztendlich von Ehrwald in 4 Tagen nach Bozen gefahren, den ersten Tag von Füssen habe ich wegen Starkregen ausgelassen. Anreise mit der Regionalbahn. Bis auf die ersten Stunden Richtung Fernpass war es die gesamte Reise lang trocken mit Sonne-Wolken-Mix und Temperaturen zwischen 15 und 25 Grad, also perfekt.
1. Ausrüstung: Der Thule Chariot Cross 2 (Modell von 2018) hat sich bewährt: mein Knirps hatte neben sich Spielsachen, Kuscheltier, Snacks und ein paar Klamotten liegen (fixiert), unsere gemeinsame Reisetasche war hinten im "Kofferraum" des Anhängers platziert. Sein kleines Rad habe ich per Spanngummis an den aufgestellten Griff montiert - das ist ja gängige Praxis bei Chariot-Besitzern. Auf dem Rücken hatte ich deshalb nur einen recht leicht gepackten
Deuter Trans Alpin.
Mein Rad war ein Steppenwolf Transterra Light 6.1, ein unspektakuläres Starrgabel-Trekkingrad mit LX-Komponenten, HS11, Top Contact ii von Conti und gut 15kg in RH 62.
Die Fahrerei war tadellos. Auf flachen Abschnitten habe ich durchaus 20km/h halten können, bergauf gab es Passagen, wo Komoot mir noch 3km/h anzeigte. An insgesamt 2-3 Stellen musste ich schieben (nie länger als 3 Minuten), was gerade auf Schotter allerdings eine Herausforderung war. Die
Bremsen haben wie erhofft durchgehalten, ich hab allerdings bei der längeren Abfahrt vom Reschenpass ins Vinschgau alle paar 100hm angehalten, um nichts zu riskieren.
2. Route: ich bin die Standard Via Claudia gefahren, hatte mir aber vorab auf den GPS-Track allerlei Highlights gelegt (vor allem Spielplätze, aber auch Freibäder etc.), da ich eher einen kindgerechten Urlaub "mit Radfahren zwischendurch" machen wollte, als eine Radreise mit ein bisschen Kinderbelustigung. Das ist auch gut aufgegangen. Unterwegs habe ich mehrere Familien getroffen, allerdings mit älteren Kindern. Nichtmotorisierte Räder gab es kaum, ich war ein Exot und wurde mehrmals angesprochen, ob ich denn ernsthaft vorhätte, mit einem normalen Rad plus Anhänger plus Kind über die Alpen zu fahren.
3. Beschilderung / Beschaffenheit: wirklich TOP. Ich bin mit Komoot gefahren, hätte mich aber problemlos mit den zahlreichen Wegweisern durchschlagen können. Die Route ist inzwischen durchgehend trekkingrad- und anhängerkompatibel, am Fernpassanstieg stört lediglich der teilweise grobe Schotter und man muss sich durchbeißen. Ansonsten viel Teer, meistens Radwege, Nebenstraßen mit wirklich kaum Verkehr, Forstwege. Landschaftlich insgesamt schon reizvoll, wobei der Radweg von Imst nach Landeck an der Inn entlang sowie Teile der Strecke von Meran nach Bozen für verwöhnte Radreisende recht monoton sind.
4. Tagesablauf: kleinkindbedingte Frühschicht (was sonst), Frühstück meist um 7:30 Uhr, Packen (Kind liest Buch oder guckt ein paar Maus&Elefant-Clips auf iPad), ein bisschen Proviant im Supermarkt kaufen, ab 9 im
Sattel, dann meist 2-3h Durchfahren (inkl. 1h Schläfchen vom Junior), dann ausgedehnte Mittagspause, dann in 2-3 kürzeren Etappen mit Spielplatz-Pausen bis zum Etappenziel. Ankommen, Quartier beziehen, Duschen, Abendessen, nochmal Spielplatz etc --> Durchschlafen! (Höhenluft wirkt Wunder).
5. Kind-kompatibel?: Jein. Man mutet den Kleinen da schon etwas zu, deshalb sollte man genau überlegen, ob sich solch ein Unternehmen für das eigene (Klein)kind eignet. Mein Sohn sitzt sehr gerne und geduldig im Anhänger und kann stundenlang aus voller Kehle sämtliche Kinderlieder rauf und runter singen. Trotzdem habe ich ihn das ein oder andere Mal für 10-15 Minuten vertrösten müssen, wenn er anhalten wollte, weil es genau dort einfach nicht ging oder ich wusste, dass in 10 Minuten ein Spielplatz kommen würde. Da wurde es dann für ein paar Minuten etwas "stressig". Wäre das zu oft oder deutlich länger der Fall gewesen, hätte ich die Tour abgebrochen - das hatte ich mir vorher so vorgenommen, da ich es albern gefunden hätte, weiterzufahren, wenn mein kleiner Sohn sich offensichtlich unwohl fühlt.
6. Höhepunkte: an Tag 1 natürlich zunächst mal die Zugfahrt (allein im Fahrradabteil), die Aussicht oberhalb des Fernpasses (mit schlafendem Kind), die an Mountainbike-Transalps erinnernde Bergab-Passage unterhalb des Fernpasses. An Tag 2 die spielerisch gesammelten Höhenmeter auf der leicht ansteigenden Strecke zwischen Landeck und Pfunds, Waldspielplatz Ochsenbühel oberhalb Pfunds (fieser Anstieg!). An Tag 3 die Gondelfahrt mit der Bergkastelbahn (ausdrücklich nicht der durchindustrialisierte Sommer-Erlebnispark am Berg!), Spielplatz in Schleis. An Tag 4 das Freibad bei Kastelbell, die rasante Fahrt runter nach Meran, die reißende Etsch, die letzten paar km Zug statt Rad nach Bozen (keine Lust auf Großstadtverkehr).
7. Rückreise: Wer mit Anhänger und Kleinkind trotz bester Planung, Reservierung etc. von Bozen via Brenner mit dem EC 81 der ÖBB fährt, braucht starke Nerven. Ich hätte es wissen können, schließlich sind die einschlägigen Transalp-Horrorberichte über die Rückreisen mit der Bahn gut dokumentiert, aber ein Shuttle kam wg. Kindersitz nicht in Frage. Wer kann, sollte sich abholen lassen, oder gemütlich per Regionalzug auf den Brenner und mit der S3 nach Innsbruck wieder runter. Ich pack's einfach nicht, wie man diese populäre Strecke nach wie vor nur so dilettantisch bedienen kann.
Insgesamt war es also eine ganz schöne Erfahrung für uns beide und ich bin super froh, es durchgezogen zu haben. Mein Sohn erzählt immer wieder von der Tour und was er auf dem Trip alles gelernt hat (Spaghetti mit Gabel essen, Pinkeln im Stehen, unzählige Tiere, Mücken sind doof, "Ciao bella!"-Rufen, ...), ist wirklich schön zu sehen.
Ich kann mir dennoch nicht vorstellen, das noch einmal zu machen, weil wirklich vieles passen muss: ein Kind im richtigen Alter (unter 2 fände ich es nicht angemessen, ab 4 gäbe es wahrscheinlich zu viele Diskussionen über Langeweile etc) und mit viel Begeisterung für den Anhänger, das richtige Wetter (ich mag mir nicht vorstellen, wie das bei >30° Grad gelaufen wäre), kinderfreundliche Unterkünfte, keine Stürze oder größere Pannen, ...
Wenn jemand weitere Infos braucht, kann er sich gerne melden.