Bis
@annos uns aus den schottischen Sümpfen berichtet, will ich hier die Zeit mit einer Tour aus der für einmal trockenen Schweiz verkürzen. Man kann schon fast von einer Tradition sprechen: Wenn der Frühling so richtig begonnen hat, dann zieht es mich alljährlich auf den Jurahöhenweg. Die Tradition wurde dieses Jahr durch ein böses Knie fast unterbrochen, doch als das Wetter zu Auffahrt endlich besser wurde, dachte ich, dass das Knie nun einem Test unterzogen werden kann.
Den Winter über war ich nicht faul, sondern hab mich gebildet. Keine Wechselwäsche, hab ich gelesen, mache das Gepäck leichter, Beschränkung auf das Minimum mache schnell, und solange man etwas zu essen hätte, würde man nicht erfrieren. Darum musste der erprobte 30l
Deuter zuhause bleiben und ich beschränkte mich auf meinen 12l
Camelbak. Regenjacke, Zelt und Wechselwäsche mussten das Schicksal des
Deuter teilen. So brachte ich meinen Kram plus Lebensmittel für geplante 24h am Bike und im Rucksack unter und war dann gefühlt recht leicht unterwegs.
Das ROS9 im Bikepacking-Gewand: Am Lenker Schlafsack, Isomatte und Pyjama ;-); im Tank Schloss, Sound und Zwischenverpflegung; im Rahmen Werkzeug, Heringe, Zwischenverpflegung; im Bidonhalter Schlafunterlage und Minitarp und am Sattel die Windweste. Im Rucksack Daunenjacke, Mütze, Kocher, Elektro- und Fotozeug, Zahnbürste, Waschlappen und je nach Temperatur Pullover und zipoff-Hosenbeine. Weil die Rolle am Lenker zu schwer war, wanderten das Pyjama und manchmal auch die Isomatte ebenfalls in den Rucksack.
Am Donnerstag fuhr ich um 9 Uhr los und war schon bald am Zürichsee. Es tat gut, auf Reisen zu sein. Ich und mein Bike - ein lange vermisstes Freiheitsgefühl ermächtigte sich meiner

In Rapperswil ging's über den Seedamm - eine Hinterlassenschaft der letzten Eiszeit - und von da in die Hügel der reichen Steuerflüchtlinge. Hinter diesen Hügeln liegt das Sihltal, wo ich noch nie so wirklich war. Das Sihltal war toll: Viel Trail, viel zu gucken, Fischer, Nagelfluhfelsklötze, Wasser und wenig Volk.
An der Sihl
Nach Sihlbrugg ging's in das Naturschutzgebiet Sihlwald. Weil da der Weg fast durchgehend bergauf führte, hatte ich jede Menge Musse, den Bärlauch zu riechen, den Vögel beim Singen zuzuhören und dem Totholz beim Vermodern zuzuschauen. Es blieb still, bis ich beim Aussichtsturm Albis Hochwacht unvermittelt das Naherhohlungsgebiet Zürichs betrat. Hier kochte ich mir meine Nudeln und fror im kalten Wind. Nicht etwa, weil ich keine Wechselkleider dabei hatte, sondern weil ich schlicht zu bequem war, meine Daunenjacke auszupacken.
Ab da slalomte ich dann zum Uetliberg. Während das Alpenpanorama hervorragend blieb, hatte ich trotz der ca. 4m breiten Strasse Mühe, vorwärts zu kommen, da sich die Spaziergänger auf ihr förmlich stauten.
Prima Pano
So war ich froh, dass ich vom Uetzgi nach Westen abbiegen konnte. Ich nahm den ersten Teil des
Antennentrails mit, doch ist so ein ausgefahrener Downhilltrail mit Gepäck nicht gerade eine Wohltat, und trailte weiter in Richtung Birmensdorf. Hier organisierte ich mir ein Treffen in Baden, damit ich am Abend nicht alleine grillen musste. Das bedeutete aber zugleich, dass ich vorwärts machen musste. Also liess ich die Trails am rechten Rand des Reppischtales aus und folgte der verkehrsfreien Strasse im Talgrund bis es in Richtung Hasenberg wieder den Berg hoch ging.
Aus irgendwelchen Gründen meinte ich, der Heitersberg sei 100m tiefer als er dann wirklich war. Das und eine unerklärliche Mattigkeit in den Beinen führte dazu, dass mir die Zeit davonzulaufen begann. Ich liess mich nicht stressen und zuckelte unbeirrbar den Berg hoch.
Blick zurück vom Hasenberg. Der bewaldete Hügel links der Mitte ist der Uetliberg, an den sich rechts der Albisgrat anschliesst.
So kam es, wie es kommen musste, dass ich irgendwann oben war und von da via flowige Waldwege nach Baden surfen konnte, wo ich nur 10min verspätet eintraf.
Zu zweit fuhren wir weiter über einen Hügel, der sich Chörnlisberg nennt und dessen knapp 200hm gut Körner kosteten. Gefühlt war es nun auch nicht mehr kalt wie am Alpenrand, sondern eher schon heiss. Über eine langweilige Abfahrt erreichten wir Gebensdorf und schlängelten uns von da via Quartierstrassen durch den mittelländischen Siedlungsbrei rund um Brugg. Ich staunte über die Wassermassen, die die Reuss runterkamen und fürchtete mich vor dem Schlussaufstieg. Nachdem wir in Villnachern bei einem Schulhaus Wasser aufgetrieben hatten, folgten die letzten 360hm auf den Linnerberg. Gleich zu Beginn kündigte sich ein Krampf in einem meiner Beine an. Durch Dehnen wollte ich ihm wehren, was aber dann einen Krampf in einem anderen Muskel zur Folge hatte. Nach einmal tief Durchatmen konnte es weiter gehen. Dabei hatte ich doch extra viele gesalzene Erdnüsse gegessen.
Ohne weitere Zwischenfälle erreichten wir die Grillstelle auf dem Linnerberg, wo wir unsere Würste brieten und dem Alpenglühen zusahen.
Mein Begleiter verabschiedete sich und ich suchte meinen Lieblingsplatz auf dem Hügel auf. Traditionen sind halt schon was Schönes.
Schön ist auch, wenn man beim Biwakieren verpennt. Weil ich mir die Kappe über die Augen gezogen hatte, verpasste ich den Sonnenaufgang und erwachte erst um 8 Uhr. Zum Frühstück gab es Pancakes mit Käse und eine schöne Aussicht.
Das dauerte und so kam ich erst nach 10 Uhr in die Gänge. Das wiederum forderte meine Lebensmittellogistik heraus, denn eigentlich hätte ich vor Mittag einkaufen wollen, doch mit diesem späten Start schien das nicht mehr möglich. Immerhin: Angst vor dem Erfrieren brauchte ich vorläufig nicht zu haben.
Ab hier fuhr ich auf der Nr. 5, der Route des Crêtes, dem Jurahöhenweg. Die Jurahöhen zeichnen sich v.a. dadurch aus, dass sie ihre Höhe häufig ändern und so sammelte ich fleissig Höhenmeter und weniger fleissig Kilometer. Schön war es aber und auch wieder recht ruhig. Allerdings gab es immer wieder Wandergruppen, die offensichtlich auch dieser Nr. 5 folgten. Ihren Rucksäcken nach zu urteilen hatten die aber noch nie etwas von UL gehört.
Ich kam am höchsten Punkt des Kanton Aargau vorbei (908m) und fuhr weiter hinauf auf die Geissflue. Langsam begann ich mir zu überlegen, wo ich bloss ein Mittagessen herbekommen könnte. Meine mageren Vorräte hatte ich schon rationiert, denn nach dem Mittagessen würde es nochmals recht lange dauern, bis es eine Einkaufsgelegenheit gibt.
Aussicht von der Geissflue nach Norden mit dem Schwarzwald im Hintergrund
Es folgten ein paar anstrengende Wiesenaufstiege, doch zum ersehnten Restaurant war es nicht mehr unendlich weit.
Bei der Froburg gab's Zmittag - frittierte Spargeln, darauf muss man erst mal kommen und, nein, nachmachen muss man das nicht - und anschliessend setzte sich das muntere Auf-und-Ab fort. Ich war auch schon mal munterer gewesen, doch freute ich mich auf die alte Militärstrasse zur Belchenfluh. 1914 hat das Schweizer Militär da eine
Verteidigungslinie gegen möglich Angriffe aus Nordwesten gebaut. Davon ist noch einiges sichtbar. Für den durchfahrenden Biker v.a. die Petroglyphen gelangweilter Soldaten.
Weil die Zeit schon gut vorgerückt war, beschloss ich meine trailreichen Schreibtischexperimente fallen zu lassen und weiterhin der Nr. 5 zu folgen. Das war ein guter Entschluss, denn die Routenplaner dieses Wanderweges haben sich auch Gedanken gemacht. Nach ein paar bergauf Schiebereien und schönen bergab Trailereien erreichte ich um 17 Uhr endlich den ersehnten Supermarkt in Balsthal.
Der wurde natürlich sofort geplündert. Anschliessend zog ich mich mit meiner Beute in den Schatten eines Baumes vor der Kirche zurück und stopfte mir den Bauch voll. Was nun? Ich beschloss die höhenmeterreichen Hügel links und rechts liegen zu lassen und dem Radweg im Thal zu folgen, um etwas Strecke zu machen. In Welschenrohr hatte ich dann aber genug davon und bog links in den gefürchteten Aufstieg zum Balmberg ab. Gümmeler werden bleich, wenn man mit ihnen über diese
Rampe spricht. Kann ja nicht so wild sein, dachte ich mir und lachte auch noch beim 25% Steigungsschild. Dass die Strasse in 2,8km 404hm überwindet, spürte man dann aber auch mit den kleinen Gängen eines Mountainbikes, v.a. weil ich nachher gleich nochmals 300hm hinauf zur Röti anhängte, die ich zu meinem Übernachtungsplatz auserkoren hatte.
Ich erreichte die Röti kurz vor Sonnenuntergang und traf einen Vater samt Sohn, die auch da oben biwakieren wollten. Wir plauderten etwas, nebenbei kochte ich mir einen Dosendöner und knipste ein paar Fotos. Der Platz gefiel mir sehr mit seiner Aussicht in alle Richtungen, nur etwas störte etwas: Der starke Wind.
Sonnenuntergang von der Röti
Ich bastelte mir aus meinem Minitarp einen Windschutz unter dem Dreieck des Triangulationspunktes und ging noch etwas auf Fotopirsch, während der Sohnemann sich schon frierend ins Zelt zurückgezogen hatte und der Vater ihm fürsorglich gefolgt war.
Dann legte auch ich mich schlafen, wunderte mich aber um 23 Uhr darüber, dass die beiden anderen schon wieder munter rumstiefelten. Es stellte sich aber heraus, dass es zwei weitere nächtliche Besucher der Röti waren - nun waren wir also schon zu fünft auf diesem touristischen Hotspot oberhalb Solothurns. Wobei "hot" war es nicht da oben auf 1400m. In der Nacht drehte der Wind und ich musste auf die andere Seite meines Windschutzes umziehen. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich hätte gut geschlafen in dieser Nacht.
Dass es sich aber doch lohnt, die Nacht zuoberst zu verbringen, zeigte sich am nächsten Morgen um 6 Uhr.
so quasi der Blick aus dem Schlafsack
Eine weitere Ladung Pancakes später machte ich mich kurz nach 8 Uhr auf den Weg. Noch vor Mittag musste ich in Biel sein, weil da ein Familientreffen stattfand. Ich liess die Hasenmatt links liegen, "fuhr" aber über die Stallflue hinüber zum Grenchenberg. Ein sehr schönes Wegstück, dass aber viel Zeit brauchte.
Vom Grenchenberg ging es trailig runter nach Pieterlen und bald war ich dann auch pünklich da, wo ich hin sollte.
Am Sonntag hängte ich noch eine Tour nach Luzern an, die führte dann aber mindestens zur Hälfte über Asphalt.
kurz vor Luzern
Fazit: Die Ausrüstung hat mehr oder weniger funktioniert. Allerdings weiss ich nicht, ob ich mich je daran gewöhnen kann, draussen ohne Zelt zu schlafen. Irgendwie fühle ich mich da so ungeschützt und gerade Wind macht das Schlafen sehr unangenehm. Das Rucksäckchen hat an den drei Biketagen nicht gestört. Auf der Etappe nach Luzern ging es mir aber auf den Wecker. Bei Gelegenheit werde ich mir wohl eine Satteltasche kaufen, die den Rucksack ersetzt. Die wirklich technischen Abschnitte waren auf dieser Tour so selten, dass das wohl gut gegangen wäre. Die Wechselkleider für den Abend habe ich nicht vermisst - auf mein Merino-Pyjama möchte ich aber nicht verzichten.
Leider löst sich mein rotes Merinooberteil auf. Ein kleiner Junge rief seiner Mutter zu, als er mich sah: Mami, schau, Spiderman!