Shimano SLX/XT im Test: Double-1x10 im Trail-Einsatz
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Mit Einführung der verstellbaren Kettenführung haben sich neue Möglichkeiten beim Mountainbiken ergeben, die früher einfach undenkbar waren. Zwei Fragen gingen uns durch den Kopf. Erstens: Wie praktikable ist die verstellbare Kettenführung? Zweitens: Wie groß ist der Einsatzbereich denn nun wirklich?
Das Funktionsprinzip von Double-1x10
Eigentlich ist die Idee ganz einfach: Anstatt nur eines Kettenblatts wie bei herkömmlichen 1x10 und 1x11-Schaltungen werden derer zwei direkt fest an die Kurbel montiert. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Es ist nicht mehr notwendig, vor oder gar während der Ausfahrt Kettenblätter passend zum Gelände zu montieren. Gerade bei Spontanausflügen und auf unbekannten Strecken ein gewaltiger Vorteil. Wenn man ein kleineres Kettenblatt benötigt legt man die Kette einfach auf das kleine Blatt um - und umgekehrt.
Der eigentliche Trick von Double-1x10 liegt aber in der innovativen verstellbaren Kettenführung mit Remote-Bedienung. Die Technologie dafür wurde aus dem Rennradbereich übernommen und dann an die spezifischen Bedürfnisse der Mountainbiker angepasst. Es ergibt sich eine Kettensicherung, die gleichzeitig das situationsabhängige Anpassen des Kettenblatts ermöglicht, und all das ohne vom Rad abzusteigen! Man kann den Hersteller für diese Innovtionskraft nur bewundern.
Wer schon länger mit 1x11 oder 1x10 unterwegs ist wird das Problem sicher kennen. Abhängig von Strecke und Gegebenheiten sind oft kleinere oder größere Kettenblätter notwendig. Besonders ärgerlich, wenn so ein Wechsel mitten auf der Strecke notwendig wird. Man hat dann die saure Wahl zwischen dem falschen Übersetzungsbereich und verölten Finger, die über kurz oder lang auch noch die Kleidung, den Rucksack und die Brotzeit versauen.
Quasi nebenbei ergeben sich durch die schmalere Kassette (zumindest im Vergleich zu 1x11) und die leicht versetzten Kettenblätter prinzipbedingt günstigere Kettenlinien und damit weniger Leistungsverluste im Antriebsstrang, selbst in extremen Gängen.
Durch geschickte Wahl der Kettenblätter lässt sich zudem das Übersetzungsverhältnis optimal auf Rad und Fahrer abstimmen. Typische Kombinationen reichen von 22-36 bis 28-40, wobei auch schon kleinere und größere Kettenblätter gesichtet wurden.
Soweit zumindest die Theorie. Ob sich das System in der Praxis bewährt haben wir für euch getestet.
Das Testbike
Beim Testbike handelt es sich um ein Canyon Nerve AL 29. Der Hersteller stattet das Rad großzügig mit einem Mix aus SLX- und XT-Komponenten aus. Unser Langzeittest erstreckt sich nun auf über ein Jahr, in dem mehrere tausend Kilometer abgespult wurden.
Die Teststrecken
Getestet wurde quasi überall, von Ufertrails bis in die Hochalpen, auf Feldwegen, Teer, alpinen Trails, moderaten Park-Trails, auf Schotterabfahrten, im Schlamm, auf Kies, in verblocktem Terrain, langen sowie kurzen künstlichen und natürlichen Treppen, und auf vielbefahrenen Trails mit Bremswellen. Die Bremswellen stellen aufgrund der hohen Geschwindigkeiten und des geringen Federwegs eine besondere Herausforderung an Bike und Fahrer, doch die serienmäßig vorhandene, leichte Kettenführung war allemal genug, die Kette auf den Blättern zu halten.
Langzeit-Testerfahrungen
Am spannensten war natürlich die Frage, ob die Verstellung der leichten Kettenführung mittels Remote-Hebel überhaupt praktikabel ist. Um es kurz zu machen: Es funktioniert ausgezeichnet! Das Umlegen der Kette auf das jeweils andere Blatt meisterten wir mit nur wenig Übung nach den hilfreichen Instruktionen des Herstellers. Man gewinnt tatsächlich ein vollwertiges zweites 1x10-Setup zum bestehenden Drivetrain dazu.
Wir haben uns dann in der Praxis ausführlich mit dem optimalen Einsatzbereich der verfügbaren Kettenblätter beschäftigt und sind zu dem Schluß gekommen, dass das große Blatt (bei uns ein 38er) für die meisten Steigungen das richtige Blatt ist. Es ermöglicht die Fahrt von steil abwärts bis zu mäßigen Anstiegen und flotten Trails mit Gegenanstiegen. Damit deckt es einen Geschwindigkeitsbereich von ca. 14 km/h bis deutlich über 40 km/h ab - und hierbei verzichten wir zugunsten eines geringeren Verschleißes sogar auf die größten Ritzel!
Sollte der Anstieg dann steiler oder länger werden legt man per Remote während der Fahrt die Kette einfach auf das kleine Kettenblatt um, und erweitert den Entfaltungsbereich damit beeidruckend nach unten. Probehalber hatten wir auch noch ein 22er Kettenblatt statt dem standardmäßig verbauten 24er montiert - da hält dann auch kein 1x11-Antrieb mehr mit, selbst mit den kleinsten Kettenblättern. Uns gefiel dieses Setup so gut, dass wir es bis zum Ende des Tests beibehielten. Selbst mit dem kleinen 22er Kettenblatt ergibt sich eine äußerst nützliche Überlappung in den Entfaltungsbereichen der beiden Kettenblätter, die wirksam verhindert, dass man allzu oft die Remote bedienen muss - da hat der Hersteller mal richtig mitgedacht!
Ein Nachteil ergibt sich aus den systembedingt kürzeren Zähnen auf den Kettenblättern, die ein Abspringen der Kette nicht immer zuverlässig verhindern können. Allerdings ist selbst in diesem sehr selten auftretenden Fall das Wiederauflegen der Kette mit Hilfe der Remote-Kettenführung trivial und meist sogar während der Fahrt machbar. In der Tat merkt man es oft nicht mal, dass die Kette (zumindest teilweise) abgesprungen war. Zudem hat sich herausgestellt, dass, wenn man die Kettenführung schon vor einer Abfahrt auf das korrekte, nämlich das große, Kettenblatt legt, Kettenabsprünge gar keine echten Absprünge sind - die Kette kommt einfach auf dem kleinen Blatt zum liegen und wird mit dem Anfang der nächsten Kurbelumdrehung wieder nach oben gezogen. Auch wenn wir Berichte gehört haben, bei denen Fahrer ihre Kette von Hand wieder auf das Blatt gelegt haben, so war dies während unseres gesamten Testlaufs kein einziges mal notwendig. Dies hat uns sehr positiv Überrascht angesichts so mancher verölten Finger, die uns ein Narrow-Wide-Antriebsstrang mangels Kettenführung schon beschert hat.
Ein weiterer kleinerer Nachteil entsteht durch teilweise abgesprungene Ketten, wenn man rückwärts treten will. Wir sind uns nicht ganz sicher, warum ein Rückwärtstreten überhaupt notwendig sein könnte, außer bei blockiertem Hinterrad. Doch blockierende Hinterräder sind wegen ihrer erosionsfördernden und reifenschädigenden Wirkung unter echten Mountainbikern verpönt und werden allenfalls in Bikeparks bei "Stylern" geduldet. Trotzdem ist hier mit einem Double-1x10 Drivetrain erhöhte Vorsicht angebracht, könnte ein unbedachtes Rückwärtstreten doch den Antrieb schädigen.
Zuletzt aber noch zwei positive Punkte: Erstens ist uns im Laufe des Tests aufgefallen, wie wenig die Performance des Antriebsstrangs unter Abnutzung leidet. Weder springt die Kette leichter ab, noch ergibt sich ein "Kleben" der Kette am Kettenblatt. Zweitens ist es erstaunlich, dass der Hersteller die vollständige Kompatibilität mit den etablierten 1x10-Schaltungen erhalten konnte. Das sorgt für Flexibilität und niedrige Preise im Ersatzteilmarkt. Insbesondere bleibt es dem Kunden überlassen, ob er bei Verschleißteilen in teuren Leichtbau, haltbare oder günstige Komponenten investiert.
Fazit
Uns hat der Double-1x10-Antriebsstrang vollstens überzeugt. Die überlegene Funktion erlaubt es endlich, ohne lästiges Wechseln von Kettenblättern einfach überall zu fahren. Dazu kommen bezahlbare Preise und dank kompatibilität ausgezeichnete Flexibilität bei der Komponentenwahl.
Was wird die Zukunft bringen? Wie uns ein Hersteller flüsterte sind die Probleme mit abspringenden Ketten durch eine komplementäre "untere" Kettenführung vollständig in den Griff zu kriegen. Die Hoffnung ist, dass dann auch extremen Downhill-Fahrern ein vollwertiges System zur Verfügung steht, und die aktuellen Prototypen, so wurde uns mitgeteilt, sind äußerst vielversprechend. Weiterhin scheint das Konzept erweiterbar zu sein, und erste Gerüchte über einen Triple-1x10-Antrieb machen die Runde. Wir sind auf jeden Fall gespannt!
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Disclaimer: Manche Passagen bilden die Wirklichkeit leicht verzerrt ab
@nuts: Sorry, aber bei
der Vorlage konnte ich einfach nicht anders
Alpenstreicher