Ich kann nun aus eigener Erfahrung berichten und teile die Infos hier gerne.
Wir haben Ende Juni/Anfang Juli eine Schleife von etwa 2600km gemacht und sind in 18 Tagen von Vancouver/Abbotsford zum Okanagan Lake (Ellison Park und Kelowna), dann Revelstoke, Lake Louise, den Icefields-Parkway hoch zu den Columbia Icefields, von dort nach Valemount, dann Clearwater, Lillooet, Whistler, Squamish und wieder zurück nach Abbotsford, wo der Wohnmobilvermieter sitzt.
Die durchschnittliche Fahrzeit ermöglichte ausreichend Zeit für alle möglichen Aktivitäten vor Ort, sodass es kein reiner Roadtrip war. Das war eine meiner wesentlichen Bedenken gewesen.
Campen/Übernachten:
Es lohnt sich, Campingplätze vorab zu reservieren. Ab März des selben Jahres ist dies möglich. Generell würde ich dabei nach meiner Erfahrung eher zu den öffentlichen Plätzen tendieren, da hier deutlich mehr Platz und Privatsphäre gewährleistet sind und meist mehr Bäume stehen, die Schatten spenden. Außerdem sind sie billiger. Reservieren kann man diese über
https://camping.bcparks.ca/
Eine entsprechende Seite gibt es auch jeweils für Alberta und die übrigen Provinzen.
Registrierung und Kreditkarte sind notwendig. Zunächst etwas umständlich, aber letztlich zuverlässig und transparent. Man kann/muss hierüber auch andere Aktivitäten buchen, die in und von den Parks angeboten werden (Z.B. beliebte Ausflüge zu den berühmten Seen)
Eine lückenlose Planung ist aber nicht zwingend (zumindest solange keine Ferien in Kanada sind. Man sollte allerdings Feiertage und Wochenenden beachten.) So hat man noch Freiraum für spontane Entscheidungen. Bei der Auswahl der Campgrounds können spezielle Apps und Google Maps helfen, die man am besten miteinander kombiniert, da sich die Listungen ergänzen. Ich habe meist RV Parky benutzt, kostenloses Tool. Das in Europa beliebte und hervorragende Park4Night ist in Übersee lückenhaft.
Eine beträchtlicher Anteil auch der öffentlichen Campgrounds funktioniert nach dem Prinzip First come first served. D.h. spontan anfahren und mit etwas Glück rechtzeitig noch was bekommen. Auf dem Icefields Parkway gab es ein gutes Dutzend davon. Wo es noch freie Plätze gibt, wird auf einem von der Straße sichtbaren Schild ausgewiesen (das war bei der deutlichen Mehrheit der Plätze der Fall). Die Plätze waren hier meist für max. 25ft. lange Fahrzeuge und Gespanne begrenzt.
Ein offenbar beliebter Anlaufpunkt sind allgemein Walmart-Parkplätze, wo Übernachten geduldet wird. Wir selber waren auf so einem in Kelowna, kein Problem. Außerhalb der Nationalparks kann man sich auch abgelegene freie Plätze in der Natur suchen, was allerdings einen zusätzlichen Zeitaufwand bedeuten kann.
MTB:
Unser Trip war nicht als reiner Biketrip geplant, zumal nur 2 von 4 biken. Alle sind dennoch voll auf ihre Kosten gekommen. Wo man biken kann, gibt es oft auch andere Aktivitäten wie Wandern, Rafting, Golf, Museen, Bademöglichkeiten (tolle Seen).
Eigenes Bike vs. Mietbike:
Wer in Bike-Metropolen wie Whistler oder Squamish bleiben will, der kann wahrscheinlich getrost auf ein Mietbike zurückgreifen. Wer, wie wir, einen Roundtrip mit mehreren Destinationen macht, ist wahrscheinlich besser beraten, das eigene Bike mitzunehmen. Die meisten unserer Touren fanden nach Ladenschluss statt, und es ist aufreibend, sich immer wieder vorab um Leihräder zu kümmern und diese ganzen Formalitäten abzuwickeln. Kurz: Es ist wenig realistisch. Ich habe einen Fahrradträger zum Wohnmobil dazugebucht (56€ für den gesamten Zeitraum) etwas
Werkzeug, eine Überzugplane und ein hochwertiges
Fahrradschloss sowie eine große Plastiktüte für das gesammelte Verstauen aller Bikesachen im Kofferraum mitgenommen.
Transport war teuer: 250 Euro pro Rad und Strecke bei Lufthansa! Ich habe lange überlegt, aber letztlich bin ich sehr froh, das so gemacht zu haben. So viele tolle Trails hätten wir sonst nie fahren können. Dazu komme ich jetzt konkret.
Gute Reviere findet man mit der App Trailforks, die in Amerika sehr verbreitet ist und in Deutschland noch vergleichsweise wenige Trails anzeigt. Damit kann man auch ganz gut navigieren. Für die Auswahl der Reisestopps ist sie hervorragend geeignet, weil sie sowohl die lokale Traildichte gut abbildet als auch eine gute und vor allem realistische Orientierung zu den jeweiligen Schwierigkeitsgraden gibt. Die allermeisten Trails haben zudem eine offzielle(!) Ausschilderung, die in der Regel deckungsgleich mit trailforks ist. Trails sind teilweise auch für Wanderer offen, teils exklusiv für Bikes und in beiden Richtungen oder nur in einer Richrung befahrbar. Trails aller Schwierigkeitsgrade haben häufig bauliche Features wie Wellen, Doubles und Anlieger mit exzellenter Qualität. Ich empfehle, das Handy am Lenker zu montieren.
Kelowna und Okanagan See: Kelowna hat mehrere Spots mit dichtem Trailnetz und fast allen Schwierigkeitsgraden. Eine warme Gegend mit generwll eher trockenen und staubigen Pisten. Wir waren am Mt. Knox in West-Kelowna. Ausgangspunkt war ein Parkplatz am südlichen Zipfel des Berges.
Ellison Park (nördlicher Okanagan Lake): Ausgangspunkt war der traumhafte Campground mit gleichem Namen. Bis an dessen Rand führt ein grüner, spaßiger Trail. Weiter oben ist noch ein Parkplatz mit einem feinen Pumptrack. Wir nahmen die Auffahrt zum Predator Ridge und einen schwarzen Trail namens Granite mit ein paar Varianten, wie Mantle, bergab. Glatte, griffige Felsen und sonst gemischter Untergrund und zahllose Anlieger mit schnellen Kurvenwechseln, Brocken und Wurzeln, an denen man abziehen kann, etc. Fantastisch! Spektakuläre Ausblicke außerdem.
Revelstoke: Ein Wintersport-Kaff mit einer spannenden Mischung aus dem noch vernehmbaren Pioniergeist mit der brachialen Technik aus vergangenen Tagen der industriellen Revolution und einer sympathischen woken alternativen Szene, die den lokalen Bikeclub belebt, der offensichtlich einen guten Job macht bei der Pflege der Trails. Diese finden sich an verschiedenen Spots. Uns wurde der Mt. McPherson empfohlen. Am gleichnamigen Parkplatz wimmelte es nach Feierabend von Bikern, und zwar Männern und Frauen zu gleichem Anteilen. Zum Warmwerden gibt es in der Nähe der Straße einen kleinen abschüssigen Übungsparcour mit Doubles, Gaps.... Wir sind u.a. einen schwarzen Trail namens Super Happy Fun gefahren. Nomen est omen. Allerdings mussten wir den wegen einer Mückenplage schnell absolvieren. Die anderen Reviere haben anscheinend auch viel zu bieten. So gibt es den Downhill Fifty Six Twenty (blau) mit 1700 Tiefenmetern auf fast 14 km Länge mit Gondel am Revelstoke Mountain Resort. Da waren wir aber nicht. Gondel sollten wir noch genug bekommen.
In Banff und Lake Louise standen andere Aktivitäten im Vordergrund. Der nächste Bikespot war
Valemount: Hier gibt es einen kleinen aber sehr feinen Bikepark, der mit einem professionellen Shuttleservice betrieben wird. Man kann auch eine Gravelroad selber hochpedalieren, und rundherum gibt es einen Haufen spaßiger Trails, die sogar bergauf Laune machen. Im oberen Teil gibt es mindestens eine Jumpline mit massiven Kickern und Drops im Whistler-Stil. Am besten gefiel uns ein schwarzer Trail namens Womp Rat.
Clearwater: Wir verbrachten hier mehrere Tage im Dutch Lake Resort Campground, der am malerischen See liegt, in dem sogar Schildkröten leben. Ein paar Kilometer nordwestlich liegt ein kleiner Park namens Candle Creek. Hier finden sich weniger Trails, aber das, was wir dort fanden, gehört zum Besten, was ich je gefahren bin. Hervorzuheben sind die Trails Pub Feed (schwarz) und Raft Rim (blau). Letzterer führt im sicheren Abstand entlang beeindruckender Klippen am Rand einer tiefen Schlucht. In der Nähe des Parkplatzes am südlichen Zipfel des Gebietes findet sich auch ein schöner, kleiner Übernachtungsplatz mit Toiletten ohne weiteren Service, wo man selber einchecken und für eine Handvoll Dollar bleiben kann, auch für Wohnmobile geeignet.
Nach einer Zwischenstation in der Nähe des Nestchens Lillooet (steppen- und wüstenartige Landschaft, die eher an Südspanien erinnert, zwischen hohen Bergen) ging es dann schon nach
Whistler. Neben den bekannten Jumplines gibt es hier zahllose Trails unterschiedlicher Schwierigkeitgrade. Dort hielt es uns aber nur einen Tag. Zudem war der Whistler RV Campground recht weit entfernt und eigentlich auch nicht zu empfehlen (teuer, tagsüber kein Schatten, laute und helle Nachbarn, beengt in dem Teil, der uns beherbergte), sodass wir einen Tag früher abreisten und stattdessen spontan in einem netten, kleinen Nonprofit Campground namens Mamquam in Squamish unterkamen, der von ein paar Leuten aus der Kletterszene betrieben wird und der 'eigentlich' ausgebucht war.
Squamish:
Urwald. Mindestens 2 Campgrounds bieten quasi direkten Zugang zu den Trails auf denen Thomas Vanderham, Richie Schley, Rémy Metailler und sicher auch ab und zu der kleine Goldstone unterwegs sind. Von spaßig-easy (grün) bis brutal (rot) gibt es hier alles: Alice Lake (öffentlich) und MTN Fun Base (privat geführt). Diverse Unternehmen in Squamish bieten Shuttles und geführte Touren an. Direkt im MTN Fun Base gibt es einen kleinen Laden mit Leihbikes und geführten Touren, die man vorab buchen sollte. Für einen Nachmittag haben wir dort für den Dritten im Bunde ein Kona Process 153 für 80 Dollar (55 Euro) gemietet. Der nette Typ im Laden gibt gerne Tips für Touren, und an einer Tafel kann man Qr-Codes mit Links zu Trailkombinationen bei Trailforks scannen. Man kann hier sicher 1-2 Wochen verbringen, ohne dass es langweilig wird, und ich selber würde Squamish dem Bikepark in Whistler vorziehen. Wir hatten leider nur Zeit für 3 Touren, dann mussten wir zurück nach Vancouver. Tolle Stadt, aber auch ganz schön kaputt; je nachdem, wo man ist, kann man dort ganze Gruppen von Crack-Zombies antreffen, die die Straßenzüge unübersehbar prägen.
Fazit:
Mountainbiking in British Columbia ist mehr als nur Squamish und Whistler. Die Provincial-Parks und die Skigebiete haben riesiges Trail-Potenzial und eine unvergleichliche Infrastruktur. Der obige Text soll einige Anhaltspunkte bieten für Leute, die, wie wir, diese Trail-Juwelen finden wollen. Da wir nur knapp 3 Wochen Zeit hatten, konnten wir lediglich einen kleinen Teil der Reviere testen. Jesse, ein Biker mit Wohnsitz in Calgary, den wir auf dem Campingplatz kennenlernten, und der große Teile von Alberta und BC bereist hat, konnte uns ein paar gute Tipps geben und berichtete uns von weiteren fantastischen Trailnetzen in z.B. Banff, Golden, Jasper und Mt. Abriel. Und Vancouver Island ist wahrscheinlich noch eine eigene Reise wert.
Allerdings lohnt es sich, das eigene Bike mitzubringen. Und billig ist das alles nicht. Wer zögert, dem sei gesagt: Man bereut vor allem die Dinge, die man nicht gemacht hat. Ich freue mich auf weitere Einträge und Anregungen in diesem Thread.