FR-Rahmen mit hohem Drehpunkt - Fehlkonstruktion oder genial?

[Piefke]

In letzter Zeit ist mir aufgefallen, dass es immer mehr FR-Rahmen gibt, die Eingelenker mit hohem Schwingendrehpunkt sind. Dies gibt es sowohl bei hochwertigeren Rahmen (Santa Cruz, Yeti...) als auch bei "Billigmarken" (Poison).
Mir ist duchaus klar, dass der hohe Schwingendrehpunkt das Ansprechverhalten verbessert.
Aber der große Nachteil ist doch der Pedalrückschlag.
Meist werden solche Rahmen mit 5th-Element oder Manitou SPV Dämpfern verbaut, um die Antriebseinflüsse zu mindern.

Ist das Ganze nun eine Fehlkonstruktion da man gutes Ansprechverhalten mit Antriebseinflüssen erkauft, die man mit einem entsprechenden Dämpfer bekämpft, was aber wieder das Ansprechverhalten verschlechtert?

Oder ist das Ganze nun genial, da man gutes Ansprechverhalten mit Antriebsneutralität verbindet?

Bei nem DH-Bike ist das klar, da geht Ansprechverhalten über alles, aber mit nem FR-Bike will oder muss man ja auch noch berghoch.

Ich halte es für eine Fehlkonstruktion und habe mich daher für einen Viergelenker mit Schwingendrehpunkt auf Höhe des mittleren Kettenblattes und Fox DHX 5.0 entschieden.

Aber postet mal bitte eure positiven oder negativen Erfahrungen mit oben beschriebenen Rahmen.

 

[HugePanic]

und woher weist du das "dein" viergelenker den "drehpunkt" (den er nicht hat) auf höhe des so-und-so-vielten kettenblattes hat?????

 

[Piefke]

und woher weist du das "dein" viergelenker den "drehpunkt" (den er nicht hat) auf höhe des so-und-so-vielten kettenblattes hat?????

OK, dies war vielleicht etwas unklar formuliert. Ich meinte damit die Lage des Hauptlagers. Mit geht es hier aber nicht um Viergelenker oder System mit virtuellem Drehpunkt sondern um Eingelenker, welche den Drehpunkt (= Hauptlager) über dem großen Kettenblatt liegen haben.

 

[pat]

In letzter Zeit ist mir aufgefallen, dass es immer mehr FR-Rahmen gibt, die Eingelenker mit hohem Schwingendrehpunkt sind.

Bei nem DH-Bike ist das klar, da geht Ansprechverhalten über alles, aber mit nem FR-Bike will oder muss man ja auch noch berghoch.

Ich halte es für eine Fehlkonstruktion und habe mich daher für einen Viergelenker mit Schwingendrehpunkt auf Höhe des mittleren Kettenblattes und Fox DHX 5.0 entschieden.

für freeride bin ich orange patriot gefahren, hab dann auf ein bighit gewechselt, nach einer saison wieder auf orange gewechselt. das konzept mit SDP oben und vorne liegt mir einfach besser.

am beispiel von nem patriot 7+ zähl ich mal paar relevante punkte auf:
- da die kettenlinie anders als bei den meisten konstruktionen UNTER dem SDP durchläuft, wird die federung beim antreten verhärtet. man verliert beim antreten keine energie in der federung, insb. das lästige wegsacken von vielen 4gelenkern mit konv. dämpfer beim antreten gibts nicht. das fahrwerk fühlt sich nicht so satt und 'auf dem trail klebend' an wie ein guter viergelenker, es ist dafür aber auch spielerischer und agiler zu bewegen.
- kehrseite dieser medaille ist, dass das fahrwerk zwangsläufig einen gewissen pedalrückschlag aufweist. dieser ist am stärksten auf dem kleinen, auf dem grossen blatt aber kaum spürbar. mit korrekt abgestimmtem dämpfer und inbs. mit einem runden fahrstil kommt man aber damit auch über >1'000hm bergauf ohne lästiges wippen. ich hatte nie irgendwelche probleme mit dem pedalrückschlag.
- wegen dem SDP federt das hinterrad anfangs nicht nur nach oben, sondern leicht nach hinten weg. --> gutes ansprechen.
- bremstraktion hinten ist schlechter als beim 4gelenker, insb. ohne bremsmomentabstützung.
- bloss 2 grosse, austauschbare lager (die gleichen wie beim 223, die sollten halten ) technisch einfache aber durchdachte konstruktion, sehr steif, leicht, robust, wartungsarm.

nun ja, alles in allem ists schwierig zu beschreiben. ich komm mit nem eingelenker im stil eines patriot, bullit o.ä. einfach viel besser klar als mit einem 4gelenker. hat ein paar vorteile, aber auch ein paar nachteile diesem gegenüber. fragt sich dann einfach, was will ich PERSÖNLICH? und ich stelle nach ein paar freeridebikes in den letzten jahren, eingelenker und viergelenker einfach fest, MIR sagt das orange-konzept einfach besser zu. ist aber rein subjektiv und ich glaubs dir, dass du anders empfindest und wohl auch andere prioritäten hast. aber deswegen ein seit jahren bewährtes konzept in einem satz und pauschal als fehlkonstruktion abzutun, bloss weil es dir subjektiv nicht zusagt, halte ich für vorschnell geurteilt.

gruss pat

ps: im übrigen wird die pedalrückschlagproblematik bei verwendung einer rohloff deutlich entschärft, da man dann ja nur noch ein kettenblatt von mind. 38z. hat und ein wippen primär mal mit dem 22er ring und unsauberem fahrstil auftritt. je grösser das verwendete blatt, desto näher ist die kettenlinie dem SDP, desto geringer der pedalrückschlag.
bei den meisten rahmenkonstruktionen, deren SDP unter dem grossen blatt liegen, wird bei verwendung einer rohloff die federung beim antreten etwas zusammengezogen, da die schwinge mit dem kettenzug etwas nach oben gezogen wird. das kann beim bergauffahren mit rohloff (und grossem kettenblatt, logisch) ein lästiges weichwerden des hinterbaus zur folge haben. bei meinem patriot ist der SDP <2cm über der kettenlinie, also nahezu neutral, kein pedalrückschlag, kein wegsacken, kein wippen.
in kombination mit rohloff macht ein höherer SDP auf jeden fall sinn, da vorne nur auf dem grossen blatt gefahren wird und der SDP kein kompromiss für gute fahrbarkeit sowohl mit 44er wie auch mit 22er blatt sein muss.

 

[Piefke]

Der Begriff "Fehlkonstruktion" ist vielleicht schlecht gewählt von mir, aber ich wollte einfach mal eine Diskussion darüber anzetteln und habe meinen Beitrag bewusst etwas provozierend geschrieben.
Ich will auch nicht die alte Diskussion Eingelnker gegen Viergelenker wieder anfangen.
Mir ist nur aufgefallen, dass es in letzter zeit immer mehr dieser Rahmen gibt und das sich Rahmenhersteller immer merh auf die Anti-Wipp-Dämpfer verlassen.

 

[pat]

Mir ist nur aufgefallen, dass es in letzter zeit immer mehr dieser Rahmen gibt und das sich Rahmenhersteller immer merh auf die Anti-Wipp-Dämpfer verlassen.

tja, jedes funktionierende konzept wird abgekupfert. nebst nem haufen 4gelenker à la fsr, nem haufen abgestützter eingelenker à la stinky gibts jetzt halt noch einen haufen eingelenker à la patriot/bullit.

wichtiger als die wipp-problematik erscheint mir die frage einer sinnvollen hinterbaukinematik.
schlussendlich kommts (beim original wie bei der 'kopie') bloss drauf an, ob das konzept technisch sauber umgesetzt wird. bei einigen modellen wurde z.b. eine unnötig degressive anlenkung gewählt. die kann man mit nem spv-dämpfer wohl kaschieren, allerdings bin ich der meinung, primär sollte mal die kinematik an sich sinnvoll sein und prinzipiell mit jedem dämpfer funktioneren.
ein bullit oder ein 7+ sind ungefähr linear angelenkt, man kann sie mit nem vanilla rc ohne ppd oder mit nem 5thE fahren und ein vernünftiges setup erzielen. stützt der hersteller (z.b. aus optischen gründen) den dämpfer ans oberrohr statt ans unterrohr ab, wie das z.t. zu sehen ist, muss der dämpfer in der lage sein, den nachteil der degressiven hinterbaukennlinie zu korrigieren. d.h. mehr progression in der druckstufendämpfung, damit trotzdem akzeptabler durchschlagschutz erzielt wird. die folge ist eine höhere belastung des dämpfers, höhere ausfallquote. und mit nem klassischen dämpfer mit linearer dämpfung wird man halt leider das straffe ansprechen mit anschliessender tendenz zum durchsacken nicht korrigieren können. und wenn man gerne eine progression in der kurve hätte, wird das halt nicht gehen, weil alles lässt sich auch mit den spv nicht korrigieren.
von daher geb ich dir recht. die hinterbaufederung sollte primär mal auch mit ner standarddämpfung sinnvoll konstruiert sein.

bei nem orange mit korrekt abgestimmtem vanilla rc ohne ppd ist beim treten ein leichtes wippen zu spüren. bei jedem pedaltritt federt der hinterbau durch den hohen SDP bedingt ein klein wenig AUS, er verhärtet etwas. der hinterbau wippt nach "aussen" nicht nach "innen". dadurch erzielt man eine sehr gute traktion beim antreten, da das hinterrad quasi an den boden gepresst wird. mich hat das nie gestört. bei einem bighit mit klassischem foxdämpfer ohne ppd trat ein anderer effekt auf. du bist am freeriden, technisch verblockt, zirkelst da was rum, bist in einer engen kehre schon halb am abkippen und willst dich mit nem kurzen antritt noch rausretten ohne einen fuss abzustellen. was passiert? der erste impuls auf das pedal führt zu einem einfedern, einem leichten wegsacken des hinterbaus, erst danach kommt der vortrieb. und dieses verhalten mag ich ganz und gar nicht. das ist mir ne orange viel lieber, da ich in solchen situationen direkt und unverzögert wie mit einem hardtail antreten kann.
mit einem 5thE, der für ein system à la orange sehr zu empfehlen ist, kann man dieses leichte wippen beim harten treten übrigens vollständig eliminieren. ich hab an meinem freerider den 5the mit relativ straffer plattformdämpfung so eingestellt, dass er beim langsamen zirkeln in technisch schwerem gelände kaum anspricht, weshalb das rad in solchen situationen straff und direkt reagiert. wird die fahrt schneller und das gelände rauher, öffnet die druckstufendämpfung und die grossen brocken werden trotzdem sehr gut geschluckt. dank der sehr gut einstellbaren druckstufe kann ich beim freeriden mit 40% sag fahren und habe trotzdem weder wippen bergauf noch durchschläge bei harten aktionen bergab.

hmm, weiss grad nicht, ob ich noch on topic bin , aber ich kann dir versichern, das konzept "eingelenker mit hohem und nach vorne versetztem SDP" funktioniert bestens. das 7+ ist echt der beste freerider den ich je hatte.

gruss pat

 

[Santa Cruiser]

Ich will mich kurz fassen, Pat hat ja schon alles wunderschön beschrieben!

Die Antriebseinflüsse sind bei meinem Bullit für mich auch nur beim kleinen KB bemerkbar und da eigentlich auch nur bei größeren Bodenunebenheiten (bspw. beim Uphill durch ne tiefe Regenrinne). Stört mich persönlich aber überhaupt nicht, die aufgezählten Vorteile überwiegen auch in meiner persönlichen Pro/Contra-Wertung.

Mein Fazit: Bullit- jederzeit wieder!