Ich erlaube mir mal hier ein Posting von Frank aus dem Outdoor forum zu zitieren. Frank ist meines Wissens Redakteur bei der "outdoor".
Hallo zusammen,
unsere Erfahung in den Praxistests zeigt, dass man die Werte für RET (Feuchtigkeitsdurchgangswiderstand) und MVTR (Feuchtigkeitsdurchgang) nicht zu erst nehmen darf - sie stimmen nicht immer mit der Praxis überein. Das hat verschiedene Gründe (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).
1.) Diese Methoden messen nur, was durchs Material entweicht. Für den Körper spielt aber zuersteinmal das Feuchtigkeitsgefälle zwischen Hautoberfläche und Umgebungsluft (in der Jacke) eine Rolle. Je größer dieses ausfällt, desto mehr Feuchtigkeit verdunstet. Und desto größer die Kühlwirkung - was der Körper druchs Schwitzen erreichen möchte.
Eine Verringerung der Feuchtigkeit in der Umgebungsluft der Haut kann man einerseits dadurch erreichen, dass Feuchtigkeit tatsächlich entweicht; andererseits aber auch dadurch, dass das Material selbst Feuchtigkeit aufnimmt. Am besten funktioniert das, wenn die Feuchtigkeit großflächig verteilt wird. Dadurch kann sie wiederum besser verdunsten - und das Material kann erneut Feuchtigkeit aufnehmen. Genaue Aussagen, wie groß dieser Einfluss ist, gibt es noch nicht - unserer Erfahrung nach scheint er aber z.T. gewaltig zu sein.
2.) Bei den meisten Messmethoden fällt Feuchtigkeit nur in Form von Dampf an, in Realität ist Schweiß aber oft flüssig - dieser legt sich dann als hauchdünner Wasserfilm über die Membran und kann die Dampfdurchlässigkeit extrem reduzieren. Das passiert vor allem bei Materialien, deren innere Schicht kaum/keine Feuchtigkeit aufnimmt.
3.) Je schlechter das Material isoliert, desto besser die Werte - aber auch das widerspricht z.T. der Praxis. Berühmtestes Beispiel: Ein dünner Windstopper schneidet bei der RET-Messung sehr viel besser ab als ein (etwas) wärmeres Powershield light (z.B. bei der Arc'teryx Gamma MX Hoody oder Millet Touring Hoody). In der Praxis bietet Powershield Lite sowohl bei Kälte als auch bei wärmeren Temperaturen, viel oder wenig Anstrengung ein besseres Klima. Und das liegt nicht nur am oft erwähnten Ventilationseffekt, den Powershield bietet. Das Material lässt durch seine offenere Struktur einfach mehr Feuchtigkeit entweichen. Klima. Nur bei starkem, eisigen Wind schneidet Windstopper besser ab.
4.) Der Pumpeffekt, der durch Bewegung entsteht, fällt bei diesen Messungen völlig unter den Tisch - er spielt in der Praxis aber ebenfalls eine große Rolle: Vergleicht man eVent und Gore mit gleichen RET-Werten, schneidet eVent in der Praxis immer deutlich besser ab.
5.) Auch die Imprägnierung des Oberstoffs hat eine enorme Auswirkung auf den Feuchtigkeitstransport. Je mehr sich der Oberstoff vollsaugt, desto stärker geht der Dampfdurchgang in den Keller - in Laborversuchung hat sich der Dampfdurchgang um bis zu 80 Prozent reduziert.
Übrigens: Auch Materialien gleicher Bezeichnung sind nicht immer direkt zu vergleichen. Je dichter der Oberstoff zum Beispiel gewebt ist, desto weniger Feuchtigkeit entweicht.
So weit zum Material, es gibt aber noch sehr viel mehr Punkte, die das Jackenklima beeinflussen.
Zum Beispiel die Konstruktion: Je geringer die Tapefläche einer Jacke, desto mehr Feuchtigkeit entweicht - auch das ist spürbar. Außerdem helfen Ventilationsöffnungen, das Klima enorm zu verbessern - selbst bei top Materialien wie eVent verzichte ich nur ungern auf Pitzips. Auch der Schnitt beeinflusst das Klima: Je enger die Jacke anliegt, desto mehr Feuchtigkeit entweicht, weil das Temperaturgefälle größer ist. Andererseits verringert sich auch das Luftvolumen - und damit die Speichermöglichkeit für Feuchtigkeit und der Luftaustausch durch Zirkulation. Welcher Einfluss größere Auswirkungen hat, ist diskussionswürdig...
Wie leistungsfähig eine Jacke ist, hängt also von mehr ab als nur dem Material. Keines ist perfekt - aber es gibt viele sehr gute Materialien;-)
Schöne Touren,
Frank