Ich habe aufgrund von zu hohem Systemgewicht (so etwa 130 kg) und vielen Höhenmetern in den Alpen (so etwa 100.000 im Jahr) chronische Bremsprobleme. Und zwar egal wie ich bremse. Kurz und knackig, Intervalle, Schleifbremsungen. Ich bike seit vielen Jahren, kann also denke ich halbwegs bremsen. Sicher nicht so gut, wie die Freerider hier, aber es hat immer gereicht bisher.
Ich fahre entweder 203/203 oder 203/180.
Anfangs Tektro Auriga Comp mit Wave-Scheiben (ging erstaunlich gut, ich war aber auch 15 kg leichter und mit einem Hardtail etwas langsamer unterwegs),
dann Avid Code (ging natürlich noch besser),
Shimano Saint (keine wesentliche Verbesserung),
Formula The One (beisst ziemlich, hat aber bei meinem Systemgewicht ein Hitzeproblem bei langen Abfahrten und seitdem ein schlimmes Kreischen beim härteren Bremsen),
Shimano XT 2-Kolben (siehe The One),
Shimano XT 4-Kolben (starke Geräuschentwicklung),
Shimano ZEE (Originalbeläge organisch, bisher problemlos, hat aber auch noch nicht so viel mitgemacht)
Was ich bisher probiert habe:
Shimano Originalbeläge Sinter und Organisch mit Shimano Stahlscheiben:
Problematisch aufgrund von Geräuschentwicklung, teils heftiges (!) Rubbeln, so dass die Gabel von vorne nach hinten wackelt beim scharfen Bremsen
Avid Code mit Originalbelägen (Sinter?) und Avid Scheiben:
Funktionierte gut, selten Überhitzung. Mittlerweile sind die Kolben festgefressen. Damals war ich deutlich leichter…
Shimano Originalbeläge Organisch 4-Kolben mit Trickstuff Dächle HD Scheiben:
Funktioniert bisher ohne Kreischen, noch nicht überhitzt, kein Rubbeln.
Trickstuff Power Beläge mit Shimano Stahlscheiben:
Hat initial gut funktioniert, nach einem halben Alpencross und längerem Stehen fast keine Funktion mehr gehabt. Evtl. überhitzt, habe ich nicht wieder gekauft.
Trickstuff Standard Beläge mit Trickstuff Dächle HD:
Starke Geräuschentwicklung bei jedem Anbremsen, dann leise und gute Verzögerung. Auf einer langen und steilen Teerabfahrt mit tiefen Querrinnen (15-20% Gefälle, sehr schnell auf 60 Sachen und dann wieder Runterbremsen auf 15 für die Rinnen) kamen sie allerdings an der Saint an ihre Grenzen, so dass ich mehrere Stops einlegen musste.
Semimetallische Beläge von diversen Herstellern mit Dächle HD:
Funktioniert an sich gut, bremst gut, und macht vertretbar Geräusche. Nachdem ich aus Verzweiflung mittlerweile eine grössere Auswahl gekauft habe, stelle ich überrascht fest, dass es funktioniert. Was ich damit noch nicht getestet habe ist besagte 20% Abfahrt.
Keramische Beläge von N&T mit Dächle HD:
Funktioniert ok, Bremswirkung ist überschaubar, reicht aber auch, wenn man beherzt zugreift. Wenig Fading, hitzestabil. Gut am Hinterrad.
Organische Beläge von diversen Herstellern mit Dächle HD:
Geht anfangs gut, Einbremsen macht Spass, läuft eine Weile gut, bis die erste schnelle Abfahrt kommt. Dann fangen sie an zu verglasen oder kreischen wie ein Güterzug, das bekomme ich nicht mehr weg. Passt für mich nicht.
Sinterbeläge von diversen Herstellern mit Shimano Stahlscheiben:
Starke Geräuschentwicklung, heftiges Rubbeln, gute Bremswirkung. Geht für mich nicht.
Scheiben von Drittanbietern (z.B. Gorilla) mit dazu passenden organischen Belägen:
Das ist mir schon fast böse ins Auge gegangen. Die Scheiben (203 mm) haben sich durch die Hitzeentwicklung so verformt, dass sie leicht nach Frisbeescheiben aussahen und im Bremssattel geklemmt haben. Dadurch bedingt musste unsere ganze Gruppe alle 100-200 hm Zwangspausen zum Abkühlen einlegen. Ein Freund fährt jetzt dieselbe Scheibe bei 75 kg mit grosser Freude, bei ihm läuft sie absolut einwanfrei, rubbelt nicht und verzögert gut.
Mein Fazit:
Die bremse ist das sicherheitsrelevanteste Teil am Rad. Im gemässigten Gelände mit durchschnittlichem Gewicht und normalen Geschwindigkeiten funktioniert fast alles halbwegs gut. Wenn das Systemgewicht hochgeht und die Abfahrten alpin und steil werden, und man eben auch einmal schnell fahren will zwischen den Kurven, sieht es schon anders aus.
2-Kolben Bremsen sind überlastet, ich muss regelmässig Stops einlegen um sie abkühlen zu lassen.
4-Kolben Bremsen sind weniger anfällig, fallen aber unter Extrembedingungen auch einmal aus. Die Shimano Scheiben neigen zum Rubbeln und sind nicht besonders dick, deswegen nehme ich die Trickstuff HD. Die besten Scheiben, die ich bisher hatte. Leichtbauscheiben gehen gar nicht, die Shimano Sandwichscheiben will ich nicht einmal ausprobieren.
Von den Belägen her habe ich mit den Semimetallischen und mit den N&T Keramik die besten Erfahrungen gemacht. Auch die Shimano Original Organisch auf der ZEE laufen bislang sehr gut. Sinter läuft mit der Formula halbwegs, zumindest brauche ich abwärts keine Klingel mehr.
Was ich auch noch wichtig finde:
Viele von Euch kennen solche Probleme nicht. Einige sind nicht so oft in den Alpen oder auf den Hometrails sind die Abfahrten nicht so lange am Stück. Manche bringen nur das halbe Systemgewicht auf die Waage und wundern sich, warum ich mich beschwere.
Wenn man aber wie ich immer wieder einmal mit Überhitzung, Fading, deformierten Bremsscheiben, Güterzugkreischen oder Bremsrubbeln, dass die Gabel wie ein Kuhschwanz wackelt zu tun hatte, schwindet das Vertrauen ins Material, und man beginnt deutlich defensiver zu fahren. Ich bin mir inzwischen nie mehr sicher, dass von meinen Bremsen auf einer langen Abfahrt nicht eine oder sogar beide versagen und schaue mir das entsprechend misstrauisch an. Vor 15 Jahren bin ich da weniger vorbelastet unterwegs gewesen…