Nach dem Brief an die taz habe ich mich nun auch an den Minister selber gewandt.
Tilman Kluge
Gartenstrasse 4A
65812 Bad Soden Ts.
Herrn Bundesumweltminister Juergen Trittin
Bundesumweltministerium
Alexanderplatz 6
10178 Berlin
Sehr geehrter Herr Bundesminister,
lassen Sie mich einige Anmerkungen zu Ihren Ausfuehrungen in der taz v. 27/28.9.2003 machen.
Wenn Sie sich (relativ) positiv zum Motorsport aeussern ist das zu begruessen, das zeugt das von differenzierrter Denkfaehigkeit, denn damit bestaetigen Sie (nebenbei bemerkt im Gegesatz zu Ihrem Beirat fuer Sport und Umwelt in Ziff. 7 dessen seinerzeitger Thesen zur Naturvertraeglichkeit iSd - damals zu novellierenden - BNatSchG), dass auch ,,kritische" Sportarten bei entsprechenden Anstrengungen der Sporttreibenden und -planenden umweltvertraeglich betrieben werden koennen.
Beim Mountain-Bike (Downhill) verlaesst Sie dann leider die Differenziertheit, Sie drehen den Spiess um und kritisieren undifferenziert die Nutzung von Liften beim Downhill-Sport. Nicht die Kritik, die Undifferenziertheit ist an Ihrem Beitrag zu kritisieren. Genauso undifferenziert waere es, von Ihnen zu verlangen, so wie man auf den Lift verzichten koennte, so moegen Sie bei Pressenkonferenzen doch ins Freie gehen, um Beleuchtungsenergie zu sparen. Denn wenn letzteres ggf. stellenweise der Fall gewesen war, war es doch zumindest nicht die Regel.
Es soll auch entsprechende Kritik an Wanderern geben, wobei solche Kritiker in vielen Faellen verkennen, wie es auf die Knochen geht, einen permannten physikalischen (und ggf. physiologisch orthopaedischen) Abstieg zu praktizieren.
Aber fast keiner kaeme auf die Idee, Ihre Auftritte unter Kunstlicht statt unter natuerlichem Licht in des zweitgenannten ganzer spektralen Breite zu kritisieren. Fast keiner kommt- und da wird es schon spannend - z.B. auf die Idee, nachzufragen, warum Bundesliga-Fussballspiele stellenweise ,,unnoetig" wie am Freitag- und Sonntagabend unter Flutlicht (zumal unter insektenpopulationsdynamisch nachteiligem Quecksilberdampfhochdruck- statt Natriumdampfhochdrucklicht - ) stattfinden bzw.warum sie im Herbst nicht energieressourcenschonend eine Stunde frueher beginnen.
Sondern in ueberwaeltigem Masse wird fast jeder - wenn er denn schon denkt - denken, dass der Minister oder der DFB wohl vernuenftigen Gruende fuer ein bestimmtes Tun haben werden. So hat alles seine oekologischen ,,Nachteile", die zu minimieren waeren.. Gleiches duerfen Sie beim DH-Sport annehmen. Wie beim Skisport handelt es sich um Leistungssport, den man nun nur unter einem grossen DH-Zeitverzicht ohne Lift durchfuehren koennte. Nebenbei bemerkt waere das Schieben auf ansonsten im Winter als Skihang genutzten Locations schon deshalb problematisch, weil die Aufstiege ( oftmals von der Breite her, aber auch wegen stellenweise vorhandener Stufen etc.) nicht fuer Personen konzipiert sind, die ein Bike schieben (wollten). Denn die DH-Maschine ist nicht so einfach steile Berghaenge hinauf-radelbar, wie Sie denken moegen. Viele Skihaenge sind gar nicht auf kurzem Wege fusslaeufig erschlossen, Rettungswege, wenn vorhanden, sind schon aus technisch zwingenden Gruenden gefaellereduzierend weitlaeufiger angelegt. Ob die Anlage von neuen Aufstiegs- oder gar Radfahrwegen besonders ,,oekologisch" waere, wage ich zu bezweifeln.
Vielleicht ist das Ganze am besten damit zu vergleichen, dass Sie auch das KFZ und nicht nur die Bahn benutzen. Zweifellos kann man das KFZ auch mit regenerativen Treibstoffen betreiben (eine Variante waere auch schwefelfreier Diesel mit RME-Additiv), aber das kann man auch im Falle Ski-/Bikelift per BHKW machen. Eine entsprechende, wenn auch nicht neue, Forderung Ihrerseits waere ein konstruktiver Beitrag zum DH-Sport gewesen (vgl. auch die sicher dahingehend ausbaubare und im uebrigen auch jetzt schon nicht nur theoretische Umwelterklaerung 2002 der Schnalstaler Gletscherbahnen - Erste Ausgabe - gem. EU-VO 761/2001 - EMAS II- )
Nun moegen Sie lediglich darauf hinweisen gewollt haben, dass ,,oekologische" Sportarten wie Radfahren/MTB mit oekologischen Nachteilen verbunden sein koennen.
Nur, warum taten Sie es nicht, sondern wollten es nur?
Umweltbelastungen sind insoweit zu relativieren, dass sie noch nicht zwingend Umweltueberlastungen sein muessen. Warum stellen Sie nicht alle in Frage kommenden Sportarten zunaechst einmal - wie den Motorsport - in die Kategorie ,,bei entsprechenen Anstregungen der Sporttreibenden und -plandenden im spezifisch moeglichen Rahmen umweltvertraeglich machbar". Das waere dann von der - von o.g. Beirat ausgeklammerten - Erschliessung (,,KFZ-Lawinen" zu und von bestimmten Sport-Events) bis zur Sportausuebung durchzupruefen.
Dass darueber hinaus die Abfahrt ueber unbefestigte Berghaenge zu Schaeden an der Grasnarbe und damit zu Erosionen fuehren kann, ist unbestritten. Bergwiesen und Abhaenge reagieren besonders sensibel auf Schaedigungen. Die damit verbundene Vorsichtspflicht ist aber bei der Location-Planung zu beruecksichtigen. Ist diese Planung unter Wahrung der angesprochenen Belange einschliesslich eines oekologisch vertraeglichen Streckenmanagements (bis hin zum richtigen Treibstoff fuer einen Lift) erfolgt, wird sich die zweifellos gestattete Diskussion hinsichtlich der Sportausuebung nicht an einem ,,koennte" des Worst Case festmachen, sondern hoechstens an Ideen zur weiteren Verbesserung. Karl Partsch ist nicht nur bei Skifahrern bekannt.
Dass Downhill ein Sport ist, ist nach allgemeiner Definition bis hin zum BFH zumal hinsichtlich weit weniger ,,sportlicher" Sportarten nicht anzweifelbar. Von der erforderlichen koerperlichen Anstrengung moegen Sie sich auf einem von Ihnen fuer Location und Minister blessurfrei nutzbaren Hang durch eigene Erfahrungen ueberzeugen. Es macht auf jeden Fall keinen Sinn, eine Sport in eine ,,sportliche" und ,,nicht-sportliche" Komponente aufzuteilen, wenn beides zusammengehoert. Sich mit einem Lift den Berg hinauf bringen zu lassen ist daher sowohl bei Skifahrern als auch Downhillern durchaus sportlich, es sei den, sie liessen sich auch berab wieder ,,liften".
Abschliessend bleibt festzuhalten, dass es Ideologie ist, ,,oekologisch" mit ,,gut" gleichzustellen. ,,Oekologisch" ist alles, was mit der Wissenschaft ,,Oekologie" erklaerbar ist, also z.B. auch der Decline-Effect in der Landwirtschaft, wobei sich in einer ,,unoekologischen" Fruchtfolge ein klassisches oeologischesGleichgewicht zwischen Schaderreger und Kulturplanze einstellt. Es sei dahingestellt, ob man das unter der landwirtschaftlichen Zielsetzung ,,Qualitaetsertragsoptimierung" wertungsmaessig noch als ,,gut" stehenlassen koennte.
Sprachliche Undifferenziertheiten fuehren bereits jetzt vor dem Hintergrund zunehmder Informationskomplexitaet dazu, dass Inhalten kein genuegend aussagefaehiges sprachliches Potential zur Wiedergabe dieser Inhalte gegenuebersteht. Es waere genauso pervers, wollte man nun sprachlich Ueberzogenheiten im Sinne von V. Havels Drama ,,Die Benachrichtigung" etablieren wie es pervers waere, das gegebene Sprachpotential nicht wieder vollumfaenglich zu nutzen, sondern es zunehmend wertemaessig in einer Weise zu ,,belegen" und so seine Aussagefaehigkeit einzuengen, dass man Hoerender mit einer Aussage gewissermassen nichts ohne eingehende Kenntnis der politischen oder gesellschaftlichen Vita des Sagenden anfangen koennte.
Mit freundlichen Gruessen
10.10.2003
Tilman Kluge
*) Umlaut-Druck (ae etc.) technisch bedingt