Alkoholismus? Der Thread für Betroffene und Interessierte

Ja, bin ich vollkommen bei Dir!

Ich meine, die evolutionäre Schutzfunktion kommt langsam wieder durch. Alkohol entsteht ja eigentlich dann, wenn kohlehydratreiche Lebensmittel mikrobiell verderben und Hefen ordentlich loslegen. 🦠

Bei mir kommt beim Geruch von Alkohol mittlerweile wieder ziemlich schnell die Assoziation: Verdorben, gefährlich, Finger weg!
Das ist bei Zigaretten so. Wenn ich die rieche oder dran denke dann schüttelt es mich direkt.
Hab neulich nen Negroni getrunken. Wollte mal wieder nen Cocktail trinken und wusste nicht was es ist. Jetzt weiß ich dass es Alkohol mit Alkohol mit Alkohol ist. Mal abgesehen davon dass das natürlich richtig ekelig war musste ich danach 🤮. Ich schiebs auf den Negroni und nicht auf die Tapas und werde nächstes mal nicht so wagemutig sein und mal „was ausprobieren“.

Ich wie gut dass das bei alkoholfreien Getränken nicht so ist. Die haben mir früher gar nicht geschmeckt, da fehlte irgendwie was (geschmacklich). Jetzt finde ich sie ganz gut.
 
Dem widerspreche ich so verallgemeinert entschieden.
Ganz genau!

Das passiert eben total unbewusst und im Automatikmodus!

Und deswegen wird in der Therapie auch so viel Wert auf Achtsamkeitsübungen gelegt. Dass man sich seiner Handlungen und Entscheidungen bewusst ist. Denn nur bewusste Entscheidungen kann man auch beeinflussen!

Irgendwo hier im Thread hab ich die "S-O-B-E-R Technik" schon mal vorgestellt, oder? Ich such mal.

Edit: Erster Googlefund. Sich damit zu beschäftigen lohnt sich.

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Der Griff zur Flasche oder zum Glas läuft also unbewusst? Die Ausrede ist mir zu einfach. Das habe ich zu meiner Prime Time oft genug mitgemacht. Von wegen Automatikmodus. Das Verlangen nach dem kick oder der Dröhnung übernimmt das Kommando. Was da unbewusst dazu führt, ist eine gaaaanz andere Sache
 
Der Griff zur Flasche oder zum Glas läuft also unbewusst? Die Ausrede ist mir zu einfach. Das habe ich zu meiner Prime Time oft genug mitgemacht. Von wegen Automatikmodus. Das Verlangen nach dem kick oder der Dröhnung übernimmt das Kommando. Was da unbewusst dazu führt, ist eine gaaaanz andere Sache

Du musst dich schon entscheiden: Ist es jetzt bewusst oder übernimmt das Verlangen?

Im Zweifel sprichst du für dich, nicht für die Allgmeinheit. Es gibt Leute, die von Automatismen sprechen, weil es einfacher ist. Aber es gibt auch Automatismen mit Verlust der bewussten Steuerungsfähigkeit. Und das entspricht ja letztlich auch der Verkettung, die die dopaminergen Mechanismen durch die Droge erzeugen.
Das heißt gleichzeitig nicht, dass man das nicht ändern kann. Aber einen Automatismus zu kennen, heißt längst nicht, dass man ihn immer bemerkt.
 
Ich finde dich da ganz schön überzeugt von deiner Meinung und wenig interessiert an einem Austausch.

Abseits vom Ignorieren von Tonnenweise Forschung zu Impulskontrollstörungen im Allgemeinen und im Zusammenhang mit Abhängigkeitserkrankungen im Besonderen.

Oder wir reden richtig hart aneinander vorbei.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Dilemma des Rückfalls drückt folgende Textzeile meiner Lieblingsband gut aus:

„Ja, ich habe Angst, die Kontrolle zu verlieren - Darum sehn' ich mich danach die Kontrolle zu verlieren.“
 
Ich bin sogar sehr interessiert an einem Austausch, da ich nie mehr in diesen Teufelskreis geraten möchte, der jahrzehntelang einen erheblichen Teil meines Lebens dominiert hat. Ich für mich habe gelernt und nur das wollte ich einbringen. Ich weiss gar nicht, warum ich hier jetzt so attackiert werde🤷 Vor 20 Jahren bin ich auf null runter gefahren und bei mir (!) funktioniert nur die null.
 
Das ist Klasse für dich. Und du hast ja scheinbar die Erfahrung gemacht, dass deine Rückfälle und die einiger deiner Peers, sehr wohl bewusst waren und der Automatismus als Ausrede genutzt wurden. Das ist eine gute und enorm hilfreiche Erkenntnis.
Schwierig finde ich aber die Unterstellung, und so lese ich deine Posts, dass das bei allen so ist. Das halte ich nämlich einerseits schlichtweg für falsch und andererseits finde ich, dass es vor diesem Hintergrund den Eindruck erweckst, dass du dir die Deutungshoheit für die Erkrankung der anderen anmaßt. Das erlebe ich immer wieder in Gruppen und finde das sorgt für sehr unangenehme Dynamiken. Grade unsichere Personen leiden da oft drunter und die Selbstzweifel schießen durch die Decke.
Der wertschätzende Umgang und das Akzeptieren von Vielfalt hat diesen Thread immer ausgezeichnet:love:
 
Ich würde mich nie anmaßen, andere zu belehren. Ich hatte keinen einzigen Rückfall, nicht einen. Alleine aus panischer Angst, das damals zarte Gebilde Abstinenz zu zerstören. Und ich würde mich niemals trauen, auch jetzt nach genau 20 Jahren ohne Stoff auch nur ein Glas anzurühren. Andere mögen das können, ich nicht. Meine Erfahrungen mit Leidensgenossen, die sich dieser Gefahr bewusst ausgesetzt haben, habe ich beschrieben. Mehr nicht. Sorry, falls das falsch rüber kam. Jeder muss seinen Weg finden. Ich wünsche jedem dazu viel Kraft. Stark bleiben lohnt sich, und zwar sehr. Alles Gute, Leute
 
edith sagt noch:
Alkohol entsteht ja auch in Lebensmitteln durch natürliche Gährung. eine reife Banane hat knapp 0,6vol%
Fermentierte Lebensmittel sind natürlich auch per se nie ganz ohne Alkohol.
Burgerbrötchen 🤢 kann nicht mal mehr die Packung öffnen jaja, kann man selbst backen blabla

Das eine war ein Baldrianauszug, weil Baldrian so schön beruhigend ist. Das Zeug hat aber 70% vol. Alkohol. Selbst mit der empfohlenen Menge war das schon grenzwertig viel Alkohol pro Tag. Seitdem ist sie mit dem Zeug extrem vorsichtig.
Abschlussfahrtflug nach Prag, Lehrerin mit Flugangangst "ach, mit den Bachblütentropfen geht's mir jetzt echt besser, die helfen schon zur Beruhigung"
50 ml (?) Fläschchen, 30% :daumen:

Alleine aus panischer Angst, das damals zarte Gebilde Abstinenz zu zerstören.
🤝
nach jedem "boah, das muss echt weniger werden", wurde es nicht aus Versehen oder zufällig wieder wie zuvor. Mechanismen bekannt, enthemmende Wirkung des ersten Glases bekannt, eigene Prädisposition bekannt und trotzdem aktiv losgelegt - ich vermute ich weiß was du sagen wolltest und habe die Ahnung, dass das alles zu deinem "Schutzmechanismus" gehört und scheinbar funktioniert das für dich :daumen:

Dennoch vermute ich, dass es auch in der Abhängigkeit 1000 Betroffene mit 1000 unterschiedlichen Ausprägungen gibt. Als @Avocado von seinem Rückfall schrieb war mein erster Gedanke auch sehr subjektiv geprägt "was soll das denn? nicht mal n Jahr? Naja, dann eben nicht" anstatt zu denken "wow, das haut er hier trotzdem raus, das braucht Mut finde ich Klasse" - letzteres kam mir erst in einem hellen Moment der Selbstreflektion ;)


3 Jahre und 362 Tage oder so aber wer zählt schon mit 🤭
 
Bisschen ruhig geworden hier!

Hier sind es nunmehr 15 trockene Monate!

Der März hat mich mit sehr unschönen Herausforderungen konfrontiert. Existenzängste und massive Drohkulissen schwebten über mir und haben mich viele Nächte kaum schlafen lassen!

Das war eine wirklich harte Prüfung! Mehr als einmal war mir klar, dass ich in der Vergangenheit tief abgestürzt wär, nur um die Gefühle zumindest zeitweise ausblenden zu können und etwas (schlechten) Schlaf zu finden. Ich weiß ja nur zu gut, dass der Alkohol kurzfristig tatsächlich das beste Mittel dafür ist! Ja, er funktioniert! Sehr gut sogar! Nichts kommt da ran!

Aber: Ich habe mich den Problemen gestellt, aktiv gearbeitet, Lösungen gesucht. Und die Situation sieht jetzt wieder ganz gut aus!

Hier bin ich! Stolz! Trocken! Blick nach vorne!
 
Bisschen ruhig geworden hier!

Hier sind es nunmehr 15 trockene Monate!

Der März hat mich mit sehr unschönen Herausforderungen konfrontiert. Existenzängste und massive Drohkulissen schwebten über mir und haben mich viele Nächte kaum schlafen lassen!

Das war eine wirklich harte Prüfung! Mehr als einmal war mir klar, dass ich in der Vergangenheit tief abgestürzt wär, nur um die Gefühle zumindest zeitweise ausblenden zu können und etwas (schlechten) Schlaf zu finden. Ich weiß ja nur zu gut, dass der Alkohol kurzfristig tatsächlich das beste Mittel dafür ist! Ja, er funktioniert! Sehr gut sogar! Nichts kommt da ran!

Aber: Ich habe mich den Problemen gestellt, aktiv gearbeitet, Lösungen gesucht. Und die Situation sieht jetzt wieder ganz gut aus!

Hier bin ich! Stolz! Trocken! Blick nach vorne!
Ich habe den Eindruck, du bist auf einem RICHTIG guten Weg!
 
Passt hier gut hin, zum Thema, "Saufen positiv darstellen"!


Aber wenn er doch recht hat? Einfältig ist es, sehenden Auges ins eigene Verderben zu steuern. Und damit auch noch hausieren zu gehen, um Beifall für die eigene Blödheit zu erlangen. Das wollen die, die Säufer tolerieren, nur immer nicht wahrhaben. Auch die Folgen will man meistens verdrängen. Im Laufe seiner Selbstzerstörung zerstört der Alki (niedliche Bezeichnung, nicht?) nicht nur sich selbst, sondern auch seine Familie und auch sein Umfeld, wenn es sich nicht rechtzeitig davon trennt. Trennen heiß heißt hier: Null Kontakt.

Ich hatte in jungen Jahren (nach den Dinos) vielfältige Erfahrungen mit Alkoholismus sammeln müssen, der Ablauf ist immer der gleiche und das Ende ebenso.
 
Da das Zitat von 430er aus dem Thread stammt, in welchem ich vom Tod meines Freundes erzählt habe und Avocado micht diesbezüglich anschrieb kann ich gerne etwas zum Thema Alkohol schreiben.

@Enginejunk und ich kannten uns seit 25 Jahren, er war mein erster Freund, ich seine erste Freundin, hielt aber nicht, weil noch jung und Fernbeziehung. Wir blieben aber immer in Kontakt, trafen uns ab und zu in den Jahren. 2015 schrieb ich ihn wieder an und Anfang 2016 sind wir wieder zusammengekommen.
Er musste zu der Zeit in 3-monatige Therapie, erzählte mir aber eine Lüge, warum er dort war. Erst im Nachhinein fand ich raus, dass das wegen des Alkohols war. Ich wusste nicht, dass er Alkoholiker war, aber mit sowas geht man ja auch nicht hausieren...
Er zog dann im August 2016 zu mir und nach 2 Wochen fing es dann an. Erst kamen Ausreden von wegen das käme von Schmerztabletten blabla, bis er mir dann mal die Wahrheit sagte.
Im Endeffekt hatte er seit 2010 rum angefangen zu trinken, größtenteils wegen der Vergangenheit mit seinem Vater (auch Alkoholiker, starb 2012) und wegen der Routine nach Arbeit auf Montage zu trinken.
Die Therapie war bereits die zweite und brachte genau wie die 1. nichts.
Er war wirklich intelligent, hat seinen Industriemeister fast fertig gemacht (fehlte nur noch die AEVO) und hatte in seinem Job wirklich was drauf. Nur wurde er eben ständig gekündigt, weil er entweder betrunken auf Arbeit kam, während der Arbeit trank oder sonstiges. Ich hab ihn gebeten zur Suchtberatung zu gehen, da war er auch 2x, dann nie wieder. Er wollte es alleine schaffen. Daraufhin bekam er immer wieder epileptische Anfälle während des Ausnüchterns.
Aber wie jeder weiß, ist es nicht einfach, mit einem Alkoholiker zusammen zu leben, der keine Hilfe annehmen will. Er war extrem unzuverlässig, hatte nie Geld, alles (Miete, Strom, Internet, Einkäufe etc.) musste ich von meinem Gehalt alleine bezahlen, klaute mir öfters Geld, belog mich, wurde aggressiv im Suff und ist auch einmal fremdgegangen.
Ich hab dann 2023 die Reißleine gezogen und bin ausgezogen. Wir sind weiterhin befreundet geblieben und haben uns sehr oft getroffen. Er hat auch oft bei mir übernachtet, teilweise bis zu 2 Wochen lang (nein, kein Freundschaft+!). Als das dann wieder mit der Lügerei und Geldklauerei anfing, hab ich ihm gesagt, dass es das jetzt endgültig war und hab mich von ihm verabschiedet. Er war noch 2x oder so bei mir und hat geklingelt, aber ich hab nicht aufgemacht, weil ich endlich abschließen und meine Ruhe haben wollte.
Das letzte Mal hab ich ihn am 22. Oktober gesehen, als er vor meinem Haus war, das letzte Mal geschrieben hatte er mir am 25. Oktober, dann war Ruhe. War ich ganz froh drum ehrlich gesagt.
Da er keinen Strom in seiner Wohnung hatte (er hat nie Rechnungen bezahlt), konnte er sein Handy nicht laden, daher hatte ich mir nichts dabei gedacht.
Am 31. Januar schickten mir sein Bruder dann ein Foto von einem Schreiben der Stadt, in dem stand, dass sie ihn am 6. Januar tot in seiner Wohnung gefunden haben. Am 14. Januar wurde er eingeäschert.

Da ich noch den Zweitschlüssel von seiner Wohnung hatte, bin ich am nächsten Tag hingefahren, weil ich das nicht glauben wollte. Und dieser Anblick der Wohnung... wow.

Im Bad war das komplette Waschbecken voller Blut, die komplette Toilette voller Blut, in der Küche haben die Lebensmittel vor sich hin geschimmelt, aber das Wohnzimmer war am schlimmsten.
Dort sah es noch so aus wie an dem Tag, an dem sie ihn abgeholt hatten. Er ist auf dem Sofa gestorben, die ganze Leichenflüssigkeit war auf dem Boden, die Oberhaut war noch auf dem Sofa. Man hat sogar noch den Umriss des Körpers gesehen....

Ich habe dann mit der Nachbarin gesprochen, die die Polizei wegen des Geruchs angerufen hatte. Sie hatte ihn am 19. Dezember das letzte Mal gesehen, am 22. fing es an komisch zu riechen. Er lag also 18 Tage tot in seiner Wohnung, ehe er gefunden wurde.
Ich bin natürlich kein Arzt, aber alle Berichte, die ich gefunden habe deuten auf Risse in den Ösophagusvarizen aufgrund einer Leberzirrhose hin. Also quasi verblutet.
Da sein Bruder nicht wirklich Interesse an der ganzen Geschichte hatte, habe ich ihn gebeten, für mich den Polizeibericht anzufodern, weil ich Details wissen wollte. Aber dort stand nur drin, dass es ein natürlicher Tod war. Daher wurde auch keine Obduktion vorgenommen.
Ich weiß also nicht zu 100% *, ob es wirklich eine Leberzirrhose war, aber er hat jeden Tag getrunken. Vor dem Sofa standen noch 4 Tetrapacks Weißwein und im Schrank lagen 6 leere Flaschen Wodka.
Zudem hatte ich seinen Bruder gebeten, um Einsicht der E-Akte bei der Krankenkasse anzufordern, aber die lehnten ab und verweigern ihm den Zugriff.
Am 23. Mai ist die Beerdigung und mich graut es vor dem Tag.
Ich vermisse ihn extrem, aber ich mache mir keine Vorwürfe. Es war nicht meine Schuld, dass keine Hilfe annehmen wollte. Zudem bin ich mir sicher, dass es früher oder später trotzdem so passiert wäre. Im schlimmsten Falle in meiner Wohnung.
Er schrieb mir füher oft, dass er sich wünschte, einfach zu sterben. Ihn hat es angekotzt, Alkoholiker zu sein.
Daher hoffe ich, dass er jetzt seinen Frieden gefunden hat und es ihm endlich gut geht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es gäbe zudem Unmengen an Stories, wie oft er im Krankenhaus war, wie oft ich ihn auf der Polizei abgeholt habe, oder die Polizei bei mir/uns zu Hause war. Wie viele Rücksäcke/Handys/Geldbeutel/Fahrräder/Handykarten/etc. er verloren hat.

Aber ich beschreibe Alkoholiker immer als Jekyll/Hyde Phänomen.
Man liebt Dr. Jakyll, aber wenn die Person getrunken hat, wird sie zu Mister Hyde.
Mit diesem Menschen will man nichts zu tun haben und freut sich nur auf die Tage, in denen die Person wieder Dr. Jakyll ist. Die Person, die man liebt, mit der man gerne zusammen ist und mit der man eine Zukunft haben möchte. Wenn aber die Zeit mit Mister Hyde überhand nimmt und man damit nicht mehr glücklich ist, muss man leider gehen, um sich selbst zu schützen.
 


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