...viel angenehmere Haltung auf dem Rad...
Genau da liegst du leider falsch. Kurzzeitig mag das nach deinem Befinden stimmen. Aber mit Ergonomie hat das noch gar nichts zu tun. Orthopäden raten von solch breiten Lenkern ab. Zumindest meiner, mit dem ich mal beiläufig darüber gesprochen hatte. Und Internet-Artikel, wo Ärzte in dieselbe Kerbe schlagen, habe ich auch schon gelesen. Wichtig ist neben der Lenkerbreite natürlich auch der Backsweep und geringfügig auch noch der Rise. Und dann spielt noch die allgemeine Haltung auf dem Rad eine Rolle (sportlich mit Sattelüberhöhung oder clownhillig mit extrem hoher Front), aber die Grundaussage ist immer ungefähr folgende: Ab einer gewissen Lenkerbreite stützt sich der Oberkörper durch den flacher werdenden Öffnungswinkel zwischen den Armen in einem immer ungünstiger aufgespannten Trapez ab. Klar, in technischen Terrain sollte gar kein Gewicht auf dem Lenker liegen, sondern auf dem Tretlager. De facto ist das aber nie zu 100% einzuhalten und schon gar nicht über Stunden hinweg. Durch die diagonale Kraftflussrichtung ergibt sich eine höhere Gesamtkraft und gleichzeitig eine Stauchung der Schulterpartie, die auf Dauer unangenehm wird und in Extremfällen auch zu Fehlhaltungen führen kann.
Vgl. zum Beispiel das Extrembeispiel, wenn du möglichst lange einen Liegestütz mit ausgestreckten Armen halten musst. Das ist bei senkrechtem Armlot auch deutlich angenehmer und einfacher, als wenn du viel breiter greifst als deine Schultern es sind.
Und jetzt sag mir nicht, dass ihr in der Redaktion alle 800mm Schultern und breiter habt. Es zählt übrigens die Mitte des Schultergelenks und nicht die Absolutbreite der Schulter inkl. Haut und Muskeln.
Und das Argument "präzisere Manövrierbarkeit" kann man auch dann nur gelten lassen, wenn der 810mm Lenker von ENVE genau diegleiche Steifigkeit aufweißt, wie das 711mm Modell von Hersteller XY. Oftmals ist das aber nicht so ganz der Fall, behaupte ich jetzt mal. Leider fehlen euch auch die Möglichkeiten, das Gegenteil zu beweisen. Auf jeden Fall wird es ein Hersteller schwerer haben, die Steifigkeit konstant und das Gewicht gering zu halten, je breiter der Lenker wird. Das ist physikalisches Gesetz.
Ich kann den Trend zu breiteren Lenkern durchaus nachvollziehen, versteh mich da nicht falsch. Ich bin auch vom Hardtail (580mm Lenker) auf ein Fully mit 685mm Lenker umgestiegen und letzteres gefällt mir inzwischen wesentlich besser. Aber auch da habe ich bei längeren Touren zeitweise schon das Gefühl unnötig breit zu greifen. Die Haltung wird etwas weniger sportlich. Der 711er soll nun bei Gelegenheit den 580er am Hardtail ersetzen oder er landet in meiner Teilekiste, bis ich bessere Verwendung für ihn habe. Aber breiter, habe ich für mich entschieden, brauche ich nicht und will ich nicht.
Wo war Leichtbau denn ein Kriterium? Das ist schlichtweg der erste Carbon-Lenker für Gravity-Aktivitäten von SRAM/Truvativ und daher vermutlich für einige Fahrer interessant - daher haben wir ihn in den Bericht mit aufgenommen.
Ganz einfach: besonders bei den ersten zwei Lenkern wird das sehr geringe Gewicht gelobt und ein Vergleich zum Alu-Pendant angestellt. Hier ist auch definitiv ein Mehr an Vorzügen bei Carbon sichtbar, außer, dass es eben schwarz ist und nicht silbern. Bei dem Truvativ ist dieser Vorteil dagegen kaum gegeben. Der Preis dennoch extrem hoch. Ich halte es für selbstverständlich, dann auch zu hinterfragen, wozu es diesen Carbon-Lenker gebraucht hätte...
Leichtbau ist zugegebenermaßen ein kritisches Wort und wird hier gern gleich falsch aufgeschnappt.