Was war deine gefährlichste Begegnung beim Radfahren?
Vor ca. 10,5 Jahren habe ich es schon mal im Spandexforum beschrieben.
Gut, vielleicht habe ich das Erlebnis ein bisschen überzogen. Aber dass wir beide überlebt haben, ist schon bemerkenswert.
"Ich erinnere mich noch genau. Es war einer dieser Abende, die man nie in seinem Leben vergessen wird. Ein lauer Frühherbstabend. Die Vögel waren noch nicht gen Süden geflogen um zu überwintern. Man hörte sie noch zwitschern und auch wenn die Sonne schon untergegangen war, konnte man ihre wohlige Wärme noch erahnen und auch ihre letzten Anzeichen am dunkel magentafarbenen Himmel erhaschen. Ich war auf dem Rückweg von einem Besuch bei meiner Freundin, damals, als wir noch nicht zusammen wohnten. Mein treues Velo hatte mich die drei Kilometer schon fast nach hause gebracht, als es geschah. Es war wie ein Blitz, ja ein unvorhersehbares Naturphänomen das einen eiskalt erwischt und überrumpelt. Man ist den Gewalten ausgeliefert und kann nichts anderes tun, als sich seinem Schicksal zu stellen, in der Hoffnung lebend aus der Sache rauszukommen. Es traf mich mit einer Wucht, wie sie die Götter höchst persönlich kaum hätten ausstoßen können. Ich wusste, jetzt wird sich alles entscheiden, jetzt ist der Punkt gekommen, an dem sich die Geister für oder gegen dich wenden. Es war die Perfekte Überraschung, leider eine negative. David gegen Goliath, Maus gegen Schlange, Dicke alte Frau auf klapprigen Fahrrad, gegen Mann aus und auf Stahl. Der perfekte Kampf zweier uneinschätzbarer Gewalten, auf den kein Buchmacher eine Wette angenommen hätte! Zu ungewiss der Ausgang, zu heikel das Risiko. Sie schwammig, träge, sackschwer und unheimlich reaktionsgehemmt. Er schnell, flink, gewitzt, schmaler und leichter als sie. Was für ein Battle! Was wenn sie auf ihn fällt? Der Drops wäre gelutscht gewesen. Doch die Götter meinten es gut mit mir. Aber die Schlüsselszene von Anfang an. Wie schon geschrieben war ich auf dem Nachhauseweg. Ich fuhr auf dem Fahrradweg da das Stück Straße an dieser Stelle nicht zuließ selbige zu nutzen. Ich war auch auf der richtigen Seite, vorsichtshalber auch noch rechtshaltend. Nach einer langen Geraden an einigen Häuserfassaden entlang, machen Straße und Radweg einen recht engen und abrupten Rechtsknick. Der Ort des Geschehens. Ich wusste nicht wie mir geschah und war noch in meinem Gemütlichkeitsfahrrausch, als sie einen Zentimeter hinter der genannten Ecke genau auf mich zusteuerte. Es waren nur Bruchteile von Sekunden, aber in diesen spielten sich Welten von Reaktionen und Emotionen ab. Wir erblickten uns, sie, wohlwissend auf der falschen Seite zu fahren, panisch und hektisch. Ich, bereit alles zu geben, um einer schrecklichen Kollision aus dem weg zu gehen, viel mehr zu fahren. Ihr Lenker schlackerte, schon längst hatte sie die Kontrolle verloren. Ich dagegen wirkte trotz der Überraschung cool und abgeklärt. Ein beherzter aber kontrollierter Griff am Lenker und die erste Gefahr war abgewand. Doch für einen Kurswechsel war es zu spät. Es musste zum letzten Mittel gegriffen werden und Gott sei Dank konnte ich meinen Urinstinkten der Gefahrenabwendung vertauen. Als könnte ich es im Schlaf vollbringen, fasste ich an den Bremsgriff um meinem stählernden Ross Entschleunigung beizubringen. Bei ihr war bereits alles zu spät, niemals hätte sie es geschafft uns beide zu retten, also musste ich derjenige sein, der die Situation entschärft. Und ich hatte Erfolg. Ich siegte auf ganzer Linie. Die Bremse quietschte, meine Beine kamen nach einer leidenschaftlichen Phase aufregenden Fahrradfahrens urplötzlich zum Stillstand ohne auch nur zu wagen die Frage nach dem Warum zu stellen. Es war geschehen. Ich hatte uns gerettet. Die Kollision war mit ihren bösartigen Absichten gescheitert und die dicke alte Frau damit, unbeeinträchtigt in die falsche Richtung zu fahren. Was für ein Erlebnis."