Rennbericht Inselsberg Enduro 2023:
Als der Wecker kurz nach sechs Uhr klingelte, war ich schon mindestens eine viertel Stunde wach und sortierte meine Gedanken. Meine Bikeklamotten habe ich vorsorglich schon am Vorabend gepackt, und musste nur alles zusammensammeln.
Nach kurzem Energiefrühstück lud ich mein Gepäck ins Auto, schnallte das Rad aufs Dach und holte meinen Mitfahrer ab. Auch er war schon bereit und sehr aufgeregt. Wir hatten nur etwa eine Stunde Anfahrt und fachsimpelten während der Fahrt. Im kleinen Örtchen Tabarz war schon viel los, auf dem Weg zum Eventgelände fanden wir nur mit Mühe einen Parkplatz - die schmale Straße bis zum Waldrand war von oben bis unten komplett zugeparkt. An jedem Auto war etwas los, die Fahrer checkten ihre Bikes, zogen sich um, lachten, fachsimpelten.
Wir holten die Räder vom Dach, schnappen die wichtigsten Utensilien und waren auf dem Weg zur Anmeldung. Das Eventgelände war ein kleines eingezäuntes Areal mit großem und kleinen Pumptrack. Ringsrum standen schon hochkarätige Enduromaschinen, und warteten auf ihren Einsatz. Die Anmeldung war unaufgeregt, das Personal sehr freundlich und sehr gut organisiert. Wir bekamen die Startnummer und einen Transponder für die Zeitmessung.
Dummerweise bin ich das Rad schiebend einen kniehohen Wiesenhang aufgrund von Morgentau hinuntergerutscht, und habe mir den rechten Nackenmuskel gezerrt... ein Kopfdrehen nach rechts war sehr unangenehm, das fing ja gut an, dachte ich mir.
Es ging zurück zum Auto, und wir machten uns und die Bikes fertig. Um gut auf die Strapazen vorbereitet zu sein, hing ich wie ein Salamander auf dem Boden und tätigte Aufwärm- und Dehnübungen, der Nacken konnte etwas besänftigt werden, die Beine waren locker. Unsere Bikes wurden ein letztes Mal geprüft,
Bremsen, Kette, Schaltung, Luftdruck... was man eben so macht.
Um uns herum wuselten immer mehr Fahrer und sattelten ihre Maschinen. Einige kamen aus dem Stadtzentrum hinaufgeradelt, wir, oder sie, grüßten alle freundlich. Das ist mir gleich positiv aufgefallen: die Atmosphäre bei dem Rennen war anders - offener, weniger bierernst - das merkte man sofort.
Bis zum Start waren es nur noch zehn Minuten. Wir rollten entspannt los und kehrten im gefüllten Pumptrackareal ein. Nach kurzer Begrüßung und Briefing waren wir alle heiß. Die Meute rollte zum Startpunkt, es sollte in Blöcken gestartet werden, damit sich das Feld auf dem Transfer zur ersten Stage etwas entzerrt. Die Sonne kam jetzt durch, der frische morgendliche Waldduft lag in der Luft. Ich schaute im Startblock die ganzen Bikes an, edelste Maschinen, welche man nur aus News-Ankündigungen kennt. Fitte Jungs und Mädels, schick gekleidet, und viele begrüßten sich herzlich - man kennt sich eben.
Und mitten in dieser Racefam stand ich, mit meinem Hardtail - mein erstes Endurorennen, und keinen blassen Dunst was da überhaupt auf mich zukommt.
Mein Startblock rückte an die Linie, gleich geht's los - ich bin gespannt ob es genauso rasant zugeht wie bei den Marathons an welchen ich teilnahm. Ich fasste meine Gedanken zusammen, horchte nochmal in den Körper, und schon hob der freundliche ältere Mann sein Fähnchen. Auf geht's!
Mein Startblock rollte entspannt los, die Fotografen hielten drauf, ich lächelte freundlich. Die ersten Mitfahrer waren sich nicht einig wer zuerst die kleine enge Rampe hinauffährt, einer von beiden alberte herum und wollte einen Baumstumpf stylish überspringen, und setzt allen Ernstes gleich mit lautem Krachen mit dem Kettenblatt auf. Gelächter, zurecht. Es ging hinauf, es war eng, es war steil, wir malmten uns die ersten 100m auf einen Forstweg. Von da an rollten wir geschmeidig in kleinen Gruppen. Es wurde sich unterhalten, die erste Gruppe hat gleich den falschen Abzweig genommen, kam zurück und schlug letztlich den richtigen Pfad ein. Markierungen auf dem Boden wiesen uns den Weg. Es ging stetig wie eine Spirale bergauf, schöne Wälder, enge Wanderwege, kleine Kehren, blühender Fingerhut, Steine, Wurzeln - von allem etwas. Kurz vor Erreichen der ersten Stage hatten wir bereits 300hm in den Beinen, der Schweiß tropfte schon von der Stirn, Helme hingen an Lenkern oder Armbeugen - jeder machte es sich einfach.
An Stage 1 angekommen bildete sich eine sehr lange Schlange, der Wind war hier oben stark und pfiff ordentlich ums Eck. Zeit um sich nochmal einen Riegel einzuverleiben, und etwas zu trinken. Die ersten Biker waren heiß, sie hingen im Trackstand und warteten auf das Signal vom Startermenschen. Manche schossen wie Pfeile los und man hörte das Gebälg nur so krachen. Dreißig Sekunden Versatz hatte jeder Fahrer, bei Wunsch auch etwas mehr. Im Akkord schossen die Jungs und Mädels auf den Trail, in Summe traten am heutigen Tag über 200 Fahrer an. Ich wartete auf meinen Mitfahrer, sodass wir hintereinander starten können. Die Aufregung stieg, was erwartet mich auf dem Trail, bin ich technisch fit, hält das Hardtail, viele Gedanken. Dann schaute mich der Startmensch an und meinte: noch 10, 9, 8... bei 1 lehnte ich mich auf den Lenker und trat ins Pedal. Mit ordentlich Schwung ging ich in die erste Sektion. Wurzeln, Kurven, loser Boden, dumpfes donnern der
Reifen begleiteten mich. Der Trail war gut, der Boden staubig und locker. Ich verlor keinen Gedanken an
Bremsen, konzentrierte mich voll und ganz auf den Pfad, es wurde eng, ich schnalzte an Bäumen vorbei, dropte einen Absatz hinunter, schlängelte mich um Baumstümpfe und suchte die ideale Hardtaillinie damit ich nicht ganz durchgeschüttelt werde. Ich dropte einen steilen Offcamber hinab und die Fliehkräfte pressten mich in die Landebank, das trieb mir ein dickes Grinsen ins Gesicht - pures Mountainbikegefühl.
Der Trail wandelte sich auf einen Forstweg, ich schaltete und gab ordentlich Gas, das ist schließlich ein Rennen. Der Weg wechselte in ein abgeholztes Baumfeld, sehr enge Wege, kaum Linienwahl möglich, lose Erde, stumpfe Anlieger bremsten mich. Es ging wieder hinab auf einen weiteren Forstweg, und dann direkt scharf rechts wieder in den Nadelwald.
Und genau da passierte es: ich habe die Ideallinie einen Hauch verlassen, und mir rutschte das Vorderrad links einen Hang hinab, und ich legte mich sanft in den staubigen Dreck! Argh! Rad mühevoll auf den Trail gezogen, wollte starten, und .... Lenker schief!!!! Rad zur Seite, zwsichen die Beine und gerade gezogen. Umgedreht, kein Fahrer in Sicht, und wieder ab auf die Strecke. Zirka fünfzig Meter weiter war Stage 1 vorbei... gott was habe ich mich da geärgert, mindestens vierzig Sekunden liegen gelassen. Dennoch toller Start ins Rennen. Mein Mitfahrer kam sturzfrei durch.
Wir rollten ein paar Kilometer auf einem weiteren Forstweg zu Stage 2. Es waren wieder einige Höhenmeter zu bewältigen, es hagelte Gegenwind und Sonne ins Gesicht, aber belohnte mit einer grandiosen Aussicht auf Bad Tabarz. Durch den Borkenkäfer kam es zu massiven Abholzungen, überall waren nur Baumstümpfe, oder blanke Erdfelder - ein Trauerspiel. An Stage 2 angekommen haben einige Fahrer nochmal durchgeschnauft und sich das Treiben angesehen, eine Schlange gab es diesmal nicht. Der Start war jetzt verblockter, man sprintete direkt in einen kurzen Wurzelteppich, musste nach Verlassen einen Forstweg überqueren, und sich dann wieder dem Baumwurzelfeld aussetzen. Ideale Bedingungen für das Hardtail... nicht.
Egal, hauptsache alles geben und Spaß haben. Also ran an den Start, konzentrieren, und schon mal eine Linie suchen. Zack, los! Wurzelteppich mit Bravur überwunden, über den Forstweg geschmettert und dann ab in den Trail. Lange Kurven, Querwurzeln und jede Menge Gerumpel machten den Anfang. Dann wurde es abrupt brutal, direkt nach einer Querwurzel plötzlich ein Drop. Geschickt weggedrückt und gleich wieder Vollgas. Staubtrockene Anliegerkurven schlängeln sich in Mustern den Hang hinab, Linienwahl war nicht leicht - egal wo man ansetzte, die Räder hatten einfach keine richtige Traktion, man schlitterte hin und her. Zwischen den Mustern gab es raue Wurzeln, lose Steine und eine Bananenschale...
Mit viel Einsatz der Hinterradbremse, jeder Menge Angstschweiß, und halbwegs sauberer Linienwahl kam ich durch die Stage. Das war nicht mein Highlight, das hatte keinen Flow. Andere Fahrer äußerten auch ihren Unmut, aber so ist das eben wenn man auf Sicht fährt. Mein Mitstreiter trudelte mit etwas Verzögerung ein, wir amüsierten uns über die Bananenschale und machten die obligatorischen Mariokart Witze - die ersten Anzeichen von Dehydration? Es ging direkt zur Stage 3. Entspannt rollten wir einen Forstweg, dann eine Dorfstraße hinab, kreuzten einen Verpflegungspunkt der Ultramarathonläufer, und durften snacken und Flasche auffüllen. Wir hatten bereits die Hälfte der Tageshöhenmeter in den Beinen, aber es fühlte sich alles großartig an.
Der Forstweg zog sich wie Kaugummi, neben groben Geröll für die Forstfahrzeuge, lag Rindenmulch (Fatbike-Vibe!) und ein wirklich steiler Anstieg zwischen uns und dem Start zu Stage 3. Die meisten Fahrer schoben, eine tapfere Fahrerin strampelte das alles hinauf - hätte ich auch gekonnt, aber ich solidarisierte mich mit meinem Mitfahrer. Oben angekommen verschnauften wir ganz kurz, ich war so im Rennmodus, dass ich eigentlich sofort hätte ballern wollen. Stage 3 wurde als Flowtrail bezeichnet. Ein Track direkt im Nadelwald, mit Waldboden und langen Kurven. Ja, das wollte ich wissen...
Also an den Start, und dann direkt rein ins Vergnügen. Ich feuerte los, die ersten Meter waren entspannt, hier und da eine Kurve, eine Wurzel, eine Senke, nix wildes. Aber kurz danach startete die Abrissparty. Durch das hohe Eingangstempo musste man sich jetzt über unzählige Wurzelteppiche drücken, mein Heck spielte Pingpong, ich suchte Linie, fand aber nur selten eine. Überspringen war nicht möglich, also Zähne zusammengebissen, aus den Knien gewippt und den Körper in eine Feder verwandelt. Nach ganz viel Zickzack ging es scharf links eine Senke hinab und gleich wieder rechts hinauf. Ich streifte den Baum links am Eingang fast mit meinem Lenker, aber ich hatte noch etwas Platz, war im Flow, und presste das Hardtail mit Druck und Style durch diese Schikane. Wieder ein breites Grinsen, neben den brennenden Oberschenkeln. Aber ich versuchte das Stechen zu ignorieren, einfach atmen, alles geben und alles wegdrücken was einem in den Weg kommt. Mit letzter Kraft und Kondition bin ich aus Stage 3 gekommen, und musste wirklich auf dem Lenker einsacken und tief einatmen. Was für ein wilder Ritt! Anstrengend aber geil!
Mein Mitstreiter kam einige Zeit später, das hat ihm garnicht gefallen - und das sagte der Fullyfahrer!
Wir waren uns einig, dass wir jetzt ganz entspannt zur Stage 4 rollen - entspannen, atmen, an der Versorgungsstation verpflegen. Wir waren ein wenig aus Bad Tabarz hinausgefahren, und mussten erst wieder in Richtung Stage 1. Also wieder Höhenmeter fressen. Das hat auch gut geklappt, landschaftlich weiterhin schön, ab und an überholten uns Mitfahrer, oder sie kamen uns entgegen. Einen Rettungseinsatz gab es auch, ein Fahrer muss schwerer gestürzt sein - schade!
Die Anfahrt zu Stage 4 war ziemlich cool. Vorbei an Harvesterstraßen, großen Baumstammstapeln, und hinauf auf einen Steinkamm mit Aussicht auf Stage 1. Einfach eine tolle Kulisse. Es begann ein wenig zu tröpfeln, der Wind zischte, und wir hatten fast 900 Höhenmeter weggestrampelt - neuer Rekord! Am Start zu Stage 4 war ich mir nicht sicher ob das ein Spaß wird. Es begann mit einer Line im Steinfeld, ich kam da irgendwie mit heilem Schaltwerk heraus, gefolgt von einem weiteren abgeholzten Baumfeld mit eingeschränkter Linienwahl. Es wurde wieder ruppig, technisch, mit scharfen Kurven, man konnte kaum Geschwindigkeit aufbauen, weil man ständig von einer Welle oder Kurven ausgebremst wurde. Ich stolperte mit meiner Technik irgendwie dort hindurch, bekam wieder Forstweg unter die Räder und beschleunigte. Der Track wurde von toter Baumlandschaft direkt in den noch lebenden Nadelwald gelenkt, es erwartete einen wieder weicher staubiger Waldboden, Offcamber-Kurven, scharfes links-rechts - ein wahrer Spielplatz für Fahrtechniker. Mit Sicherheitsfuß konnte ich geschmeidig einige fiese Kurven meistern und kam zufrieden im Stageziel an.
Dort erwartete uns ein weiterer Verpflegungsstand mit Getränken und Snacks! Sehr gut!
Nach Speis und Trank ging es zur Final Stage, also nochmal zweihundert Höhenmeter rauf und ordentlich Schwitzen. Mittlerweile hat man die Belastung auch etwas gemerkt, mein Mitfahrer war deutlich geschafft, ich wurde noch von Endorphin und Racevibe angetrieben. Wir rollten die selbe Strecke wie Stage 4 hinauf, das Feld wurde dichter, und wir gliederten uns tempomäßig ein. Beim Erreichen von Stage 5 wirkte es alles sehr unscheinbar, ein enger Track im Nadelwald... wer weiß was da kommt. Ein letzter Schluck, Brille richten, nochmal die Glieder schütteln, und dann ab dafür. Vollgas auf die letzte Stage.
Der enge Track im Wald bestand eigentlich nur aus Offcamber-Kurven, es war schon eine Line von Mitfahrern gezogen, und man musste dieser eigentlich nur folgen. Nach anfänglich seichtem Gefälle, wurde es steil und technisch. Gefühlvoll musste ich die Bremse dosieren, um ja nicht vorne wegzuschmieren. Mit ein wenig Versetzen konnte man sein Bike gut und flüssig platzieren (ja, dafür ist das da!!), ich ließ mich einfach nur durch den Wald führen, rumpelte über Wurzelteppiche, hörte das prasseln von Gestein, dumpfes Reifenabrollen und konzentrierte mich auf meine Linie. An einer schwierigen Kurve hatten sich einige Fans platziert, motivierten und warten vor der Kurve. Die hatte es wirklich in sich. Eine scharfe über neunzig Grad Spitzkehre eine kleine Senke hinab, und gleich wieder links auf einen Wurzelteppich. Das Ding habe ich sehr gut gemeistert und startete mit Körperlehnung und Sicherheitsfuß ins nächste Abfahrtsstück. Es rumpelte und prasselte noch lange, hinaus aus dem Nadelwald gab es wieder abgeholzte Bäume und eine Rumpelpiste Deluxe. Mit großer Geschwindigkeit rumpelte ich zurück in den Mischwald und driftete mit Sicherheitsfuß durch eine sehr steile Offcamberkurve - ich frage mich bis heute wie ich das sturzfrei hinbekommen habe. Der Track wollte einfach nicht enden, die Oberschenkel brannten durch das Mitwippen, aber ich biss und schob das Rad mit Druck durch jede Kurve - Zeit Zeit Zeit! Ich sah einen Fahrer vor mir, und war überrascht, denn das war das erste Mal. Ich gab Gas und holte Meter um Meter auf. Aus Mischwaldforstweg wurde Wandweg mit kleinen Absätzen, ich drückte alle Weg und zog wie ein Bluthund dem Fahrer vor mir hinterher. Noch eine Linkskurve geschnitten und in die Landung gepresst wurden, und schon war ich im Startbereich. Den Mitstreiter habe ich um ein paar Meter verpasst, aber ich war im Ziel. Was für eine finale Stage, einfach nur geil!
Im Eventgelände war schon einige los, die Fahrer wurden getrackt und über Lautsprecher durchgesagt. Man hat den Transponder abgegeben und seinen Kassenzettel mit den Zeiten bekommen. Alles sehr gut und flüssig organisiert. Toll! Mein Mitstreiter kam etwas später, er wurde überholt und hatte aufgrund der Länge stark zu kämpfen. In Summe waren wir beide zufrieden und freuen uns aufs nächste Mal.
Man kann den Inselsbergenduro nur empfehlen, ein feines Stück Trail wurde da in die Erde gezimmert, die Leute waren alle cool, und die Atmosphäre einfach schön.
Ich bin letztlich im mittleren Block der Gesamtwertung gelandet, ohne Sturz wären nochmal 10 Plätze weiter vorn drin gewesen, aber das heb ich mir dann für nächstes Jahr auf. Nun weiß ich, woran ich technisch arbeiten muss, und kann gezielt meine Defizite trainieren. Soviel sei klar: am Willen hat es nicht gefehlt. Danke für's Lesen!
Wer sich den Track ansehen möchte, findet bei Youtube alle Stages. (nicht mein Kanal!) Allerdings bügelt die Gopro ziemlich viel Unebenheit platt - es war ruppiger als es scheint.