Unsere Autorin Theresia Schwenk gibt in ihrer Reihe des zyklusbasierten Trainings Einblicke auf ihr Verhalten – im dritten Teil der Reihe widmet sie sich der konkreten Fragen, wie der Zyklus ihre Renn-Performance beeinflusst. Anhand eines Rennblocks in Spanien gibt sie ein Beispiel, wie sich in den Zyklusphasen Unterschiede in ihrer Leistung zeigen.
In meinen ersten Berichten über den weiblichen Zyklus habe ich bereits einige Grundlagen zum zyklusbasierten Training erklärt:
Doch wie wirkt sich der Zyklus konkret auf meine Leistung aus? Anhand meines ersten Rennblocks des Jahres in Spanien möchte ich zeigen, wie sich die unterschiedlichen Zyklusphasen anfühlen und wie sie sich in der Leistung widerspiegeln können.
Zunächst möchte ich betonen, dass der weibliche Zyklus zu 100 % individuell ist und ich somit keine Verallgemeinerungen treffen werde. Symptome und Wohlbefinden sind dennoch bei vielen Frauen ähnlich. Ich nehme keine hormonellen Verhütungsmittel oder generell hormonelle Medikamente, die auf meine Periode Einfluss haben könnten und habe somit einen natürlichen Zyklus.
Am Beispiel meines Saisonstarts in Spanien beschreibe ich den Einfluss meiner Periode auf die ganzheitliche Performance
Meine Reise nach Spanien startet in der zweiten Zyklushälfte. Das macht sich direkt nach dem langen Reisetag (circa 10-11 Stunden insgesamt, circa 8 Stunden sitzend) bemerkbar, da ich bei Ankunft in unserer Unterkunft ziemlich schwere Beine habe. Das ist jetzt natürlich nicht nur auf den Zyklus zurückzuführen, jedoch ist es oft so, dass ich Reisetage in der ersten Zyklushälfte besser „wegstecke“. Dann sind auch die Wassereinlagerungen spürbar. Die Vorbereitungen auf das erste Rennen der Saison stehen an und ich habe noch ein paar intensivere Einheiten auf dem Trainingsplan stehen, da ich mit meinem Trainer beschlossen habe, für den ersten Rennblock kein allzu langes Tapering vorzusehen (Tapering = Reduzierung des Trainingsumfangs vor einem Wettkampf).
Bei einer intensiven Einheit vier Tage vor dem Rennen fühlte ich mich nicht stark, weshalb ich auf mein Gefühl höre und die Trainingseinheit kürze. Auch auf der Rennstrecke in Chelva fühlte ich mich anfangs nicht sonderlich wohl, da sie einen hohen technischen Anspruch hatte. Es ist nicht so, dass ich das nicht kann, jedoch traue ich mir in der zweiten Zyklushälfte oft nicht so viel zu wie in der ersten. Das ist übrigens auf die hormonellen Schwankungen zurückzuführen und so fühlen sich viele Frauen in der zweiten Zyklushälfte etwas träge.
Das erste Rennen der Saison steht an und ich bin motiviert und weiß, dass ich trotz zweiter Zyklushälfte gut performen kann. Dadurch, dass ich in den Trainingstagen zuvor auf mein Bauchgefühl und mein Wohlbefinden geachtet habe, stehe ich gut erholt und ready to race an der Startlinie. Als der Startschuss fällt, bin ich sowieso direkt voll in meinem Element. Meine Renntaktik geht auf und ich kann mich direkt nach dem Start sehr gut positionieren. Nach der ersten Rennhälfte merke ich dann aber, dass es allmählich zäh wird, ich schon richtig schwere Beine habe und sich auch mein unterer Rücken bemerkbar macht.
Die Ermüdung setzt etwas früher ein als normal, was aber auch an der Laktatparty liegen kann, die ich mir in den ersten vier Minuten des Rennens eingeflößt habe. Ich kann mit aller Kraft meine Position halten und sogar zwei Versuche von Konkurrentinnen, an mich aufzuschließen, erfolgreich abwehren. Die letzte Runde ist dann noch mal besonders hart, da der Abstand nach hinten nicht groß ist. Ich überquere die Ziellinie als 9te (HC Rennen) und bin komplett leer. Meine Schwester empfängt mich im Ziel, nimmt mich in den Arm und ich muss losheulen. Nicht, weil ich mich freue oder traurig bin, sondern einfach, weil überhaupt keine Energie mehr in meinem Körper steckt. Recovery Shake, locker ausfahren und ab ins Bett. :D
Rennen in der zweiten Zyklushälfte
- Es fühlt sich oft „alles etwas schwerer an“
- Intensive Trainingseinheiten oder Rennen fühlen sich oft härter an
- Rennen in der zweiten Zyklushälfte können trotzdem erfolgreich sein
- Ich brauche mehr Zeit für meine Erholung
- Ich brauche gefühlt mehr „mentale Hilfe“ und habe mehr Hunger ;-)
Nach dem Rennen in Chelva stand das nächste Rennwochenende mit gleich zwei Wettkämpfen an: XCC am Freitag, XCO am Sonntag. Achja, und meine Periode sollte Montag oder Dienstag kommen. Ziemlich perfekt für die Rennen in Banyoles, da ich mich dann in der ersten Zyklushälfte befinde und im Idealfall mögliche Periodenschmerzen, die ich durchaus intensiv durchlebe, bereits abgeklungen sind. Meine Zyklusdauer beträgt zwischen 29 und 31 Tage, in Ausnahmen 32-36 Tage. Ehrlich gesagt ist die Zeit zwischen zwei Rennen, wenn man hofft, dass die Periode einsetzt, manchmal etwas stressig. Man möchte, dass sie jetzt kommt, weiß aber natürlich auch, dass man mit Stress überhaupt nichts beeinflussen kann. Mir gelingt es auch nicht immer, mich so runterzufahren, dass ich mich, was die Periode angeht, komplett entspannen kann. Vielleicht auch, weil ich mittlerweile weiß, wie viel sie beeinflussen kann.
Der Renntag kommt näher und meine Gedanken sind ziemlich oft bei meinen hormonellen Schwankungen und meiner Gebärmutter, wann sie denn jetzt endlich anfangen möge mit der Menstruation. Nach 32 Tagen ist es dann so weit und die Periode setzt ein. Es ist Donnerstag und am darauffolgenden Tag bereits das erste Rennen. Nicht optimal, aber besser als eine weitere Verzögerung der Periode und somit auch der zweiten Zyklushälfte. Ich habe an den ersten drei Tagen meiner Regelblutung in unregelmäßigen Abständen leichte bis intensive Unterleibsschmerzen. Was ich hierüber weiß ist, dass mir Meditation, Entspannung, guter Schlaf und eine ausgewogene Ernährung hilft, diese Beschwerden zu minimieren und reduzieren. Rennstress ist da natürlich eher kontraproduktiv.
Da ich mit meinem Umfeld sehr offen darüber spreche, wissen meine Schwester und ihr Freund, die mich nach Spanien begleitet haben, Bescheid. Sie kümmerten sich um alles drumherum, sodass ich nur Radfahren, Essen und Schlafen „muss“. Das ist mir eine große Entlastung, nicht nur körperlich, sondern vor allem auch mental. Ich weiß, dass ich mich bis zum Rennen einfach entspannen und meine Energie für die bevorstehenden Rennen bündeln kann.
Freitag, Short Race Tag und ich bin am zweiten Tag meiner Periode. Ich fühle mich grundsätzlich sehr gut und voller Energie, um alles zu geben. Ehrlich gesagt sogar trotz der Menstruation noch besser als am Sonntag zuvor. Als der Startschuss fällt, ist alles rund um die Periode vergessen und ich „gehe all in“. Es läuft gut, sogar richtig gut. Ich kann mich im gut besetzten Feld bis zur Rennhälfte in der Spitzengruppe halten und danach in einer kleinen Verfolgungsgruppe weiterhin all out fahren, während es sich gut und schnell anfühlt. Ich überquere die Ziellinie als Zehnte und überrasche mich mit diesem Ergebnis sehr. Einige bekannte Namen sind hinter mir und ich bin stolz auf mich und meine Leistung. Nein unsere Leistung, denn mein Team hat wie oben beschrieben eine entscheidende Rolle dabei gespielt.
Rennen während der Periode
- Für mich besteht ein gewisses Risiko für Unterleibsschmerzen
- Meistens habe ich ein gutes bis sehr gutes körperliches Gefühl
- Ich bin selbstbewusst und trau mir technisch anspruchsvolle Passagen direkt zu
- Ich kann meine Leistung trotz Regelblutung meistens abrufen
- Hormonell gesehen sind wir hier „Männern am ähnlichsten“
Nach dem erfolgreichen Short Race-Rennen brennen mir zwar ziemlich die Beine, aber dennoch bin ich abends in keinem allzu erschöpften Zustand. Ich bin optimistisch für das XC-Rennen am Sonntag und freue mich auch, weil ich genau weiß, dass meine Regelblutung dann schon wieder fast vorbei ist und ich von meinem Zyklus her in der optimalen Phase bin, um meine Bestwerte abzurufen. An Tag 4 meiner Periode habe ich in der Regel (Achtung, Joke) keine Menstruationsbeschwerden mehr. Und dann kommt doch alles anders als gedacht. Über Nacht regnet es intensiv und ich treffe morgens leider eine falsche Entscheidung, was mein Material angeht.
Das Rennen läuft okay, aber ich kann nicht das zeigen, was in mir steckt. Ich bin stürze einmal blöd mit anderen Fahrerinnen zusammen, bin daraufhin genervt und frustriert und rolle irgendwo im Mittelfeld über die Ziellinie. Auf der einen Seite bin ich natürlich nicht zufrieden, auf der andere Seite akzeptiere ich sehr schnell, dass einfach nicht mehr drin war. Tja, das zeigt wohl einen Punkt ganz offensichtlich: Die Phase der Periode spielt eine große Rolle, was das körperliche Wohlbefinden betrifft, ist aber nur ein Faktor von vielen, was sportliche Performance angeht. Racen ist ein ganzheitliches Konstrukt, bei dem der weibliche Zyklus für die Frauen (sofern sie einen natürlichen Zyklus haben) zwar eine wichtige Rolle spielt, es müssen aber viele Punkte zusammenspielen.
Rennen in der ersten Zyklushälfte
- Großes Selbstbewusstsein und Fokus auf meine Stärken
- Abrufen der Bestleistungen am „wahrscheinlichsten“
- Das körperliche Wohlbefinden ist hoch
- Erholung nach Intensitäten schneller
Fakt ist: Wenn alle äußeren Bedingungen gleich wären, würde ich direkt sagen, dass ich in der ersten Zyklushälfte (etwas) besser performen kann als in der zweiten. Dennoch hatte ich schon viele Rennen, die etwas anderes beweisen. Der Sport ist ein ganzheitliches Konstrukt, bei dem viele Faktoren zusammenspielen. So konnte ich in der zweiten Zyklushälfte in Chelva ein sehr gutes Rennen fahren und habe alles aus meinem Körper herausholen können. Ich hatte ein extrem gutes Rennen während meiner Periode und in der ersten Zyklushälfte konnte ich dann doch nicht zeigen, was in mir steckt. Nun ja, müsste ich es in einem Beziehungsstatus ausdrücken, würde ich sagen „es ist kompliziert“.
Das Wichtigste für mich ist, dass ich nicht auf den Zyklushälften verharre und es „einfach“ so akzeptiere wie es ist. Ich bin stolz darauf, in allen Zyklusphasen Rennen zu fahren und auch in allen meine Leistung abrufen zu können, auch wenn diese durchaus wegen des Zyklus etwas schwanken kann. Ich bin eine Frau und wenn ich betrachte, was während eines Zyklus alles in meinem Körper abläuft, dann ist dies das natürlichste der Welt. Ich bin mir über die Jahre hinweg zudem darüber bewusst geworden, dass mein mentaler Zustand oft viel mehr „schwankt“ als meine körperliche Leistungsfähigkeit.
Hast du Fragen zu den unterschiedlichen Zyklusphasen? Oder vielleicht speziell zu meinen Erfahrungen in Sachen Zyklus in Chelva und Banyoles?
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