Ein Sieg, ein weiteres Podium hinterher: Viel besser hätte Aaron Gwins Einstand bei YT Industries kaum laufen können. Auf dem Sea Otter Festival haben wir die YT-Crew um Markus Flossmann und Stefan Willared getroffen und uns über den ersten World Cup und die Jeffsy-Kampagne unterhalten.
MTB-News.de: Bei euch funktioniert gefühlt gerade alles – bei eurem World Cup-Einstieg habt ihr direkt das allererste Rennen gewonnen. Wie bekommt ihr das hin?
Markus Flossmann: Ich würde sagen – ein bisschen Glück ist schon auch dabei. Ich meine, dass das Rad schon das Potenzial besitzt, um einen World Cup zu gewinnen, wussten wir – aber es gehört trotzdem auch viel Glück dazu und wir wären auch happy gewesen, wenn er es überhaupt nur aufs Podium geschafft hätte mit dem ersten Rennen. Aber dass er es gewinnt, das war natürlich Wahnsinn.
Das Ganze hatte ja angefangen weil jemand gefragt hat, ob unser Bike in der Lage wäre, einen World Cup zu gewinnen. Ich sagte damals: Ja, ich glaube schon. Aber wir sind irgendwie den Beweis schuldig geblieben. Das war ja auch der Grund, warum wir uns für den Aaron entschieden haben – er passt zur Marke und ist auch in der Lage, einen World Cup zu gewinnen, so haben wir zusammengefunden. Und dass er es gleich am ersten WE so unter Beweis stellen kann, haben wir so nicht gedacht.
Steht er jetzt unter noch größerem Druck, weil er ja schon bewiesen hat, dass das Bike funktioniert – erwartet ihr, dass er jetzt die ganze Saison über gewinnt?
Wenn er jetzt nur bei einem Rennen auf den zweiten Platz fährt, dann ist es vorbei – das war’s dann. Er hat jetzt ja gezeigt, dass es am Fahrrad liegt – es muss dann also an ihm liegen! (Lacht) – nee, Schmarrn. Wir handhaben das beim Aaron wie bei unseren anderen Teamfahrern auch. Wir setzen niemals einen Teamfahrer unter Druck – weder Andreu Lacondeguy noch Cam Zink. Setz die Leute nicht unter Druck, dann erzielen sie die besten Leistungen – das war schon immer so.
Genauso war es bei Aaron: wir hatten nie den Anspruch, dass wir jedes Rennen gewinnen wollen – natürlich würden wir uns drüber freuen. Wir haben gezeigt, dass unser Rad in der Lage ist, einen World Cup zu gewinnen und jetzt noch weniger Druck da als vorher. Von meiner Seite ist der Druck komplett abgefallen – ich weiß, das Rad schafft es, Aaron schafft es auch, jetzt müssen wir abwarten, wie sich das Ganze weiterentwickelt.
Jetzt habt ihr es bewiesen – da könntet ihr euch eigentlich wieder zurückziehen…
Ja, eigentlich könnten wir jetzt wieder gehen (lacht). Es fängt aber gerade an, soviel Spaß zu machen. Ich habe gar nicht gewußt wie geil das ist, ein World Cup-Rennen zu gewinnen. Lourdes war mein erstes WC-Rennen wo ich live vor Ort war, und dann gleich mit meinem eigenen Team, und noch gleich beim ersten Rennen der erste Platz – das war schon etwas ganz Besonderes. Ich hab’s auch erst am nächsten Tag richtig realisiert!
Und eure ganze Firma hat dann Kopf gestanden?
Vollgas! Die ganzen Jungs, die nicht mitfahren konnten, haben zuhause bei uns in der Firma gesessen und den Beamer angeschmissen, jeder hat das Rennen geguckt. Stefan (Willared), Kerstin (Kaufmann) und ich waren vor Ort und es war einfach Wahnsinn. Die ganze Firma war völlig stoked.
Stefan, wie war das Gefühl für dich selbst, als dein Bike das World Cup Rennen in Lourdes gewonnen hat?
Stefan Willared: Es war überwältigend. Wir hatten ja den Rückhalt unserer Kunden und von vielen Testern, dass das Rad wirklich super ist und dass man damit auch richtig schnell fahren kann. Aber diese finale Bestätigung, dass das Fahrrad wirklich fähig ist einen WC zu gewinnen war noch das fehlende i-Tüpfelchen. Das war für mich schon extrem überwältigend – ich kann gar nicht sagen, wie aufgeregt und aufgelöst ich dabei war, da sind sogar ein paar Tränchen gekullert.
Mit eurem Junior hatte es nicht perfekt geklappt – was war da passiert?
Markus Flossmann: Die Tage vorher hatte es ja stark geregnet und im Trainingslauf war es extrem rutschig und matschig auf der Strecke. Er hat einfach die Linie falsch erwischt, ist mit dem Vorderrad hängengeblieben und hat den Abgang gemacht, ist auf den Rücken gefallen und hatten dann noch Rückenschmerzen am nächsten Tag. Damit hat er dann natürlich auch die Quali versemmelt. Er hat sich selbst mehr Sorgen und Gedanken gemacht und sich unter Druck gesetzt als wir ihn – wir haben gesagt, komm sieh es locker, du fängst jetzt gerade erst an, das ist dein erstes richtiges Jahr im DH-World Cup. Einfach dazulernen und lockerbleiben!
Zurück zu Gwin und seinem Bike: war das Serie oder habt ihr was dran verändert?
Es war 100 % Serie. Am Rahmen wurde nichts gemacht – es wurde weder ein neuer Umlenkhebel gefräst noch irgendwie ein Rahmen verstärkt oder sonst irgendwas. Es ist „out of the box“. Und auch fast alle Komponenten – bis auf Bremsen und Reifen, die haben wir ja in der Serie anders spezifiziert. Aber ansonsten ist das Ding komplett so, wie man es bei uns bestellen kann.
Es ist ja nicht ganz einfach, einen Fahrer unter Vertrag zu nehmen, der schon mal gewonnen hat. Wenn er nicht weiter gewinnt, liegt es dann ja am Rad. Wenn sich die Chance mit Aaron nicht geboten hätte, wärt ihr dann trotzdem in den World Cup gestartet?
Hätte sich die Chance mit Aaron nicht geboten, wären wir 2016 nicht eingestiegen. Wir hatten feste Pläne für 2017 und hatten dann Gespräche mit Aaron und haben festgestellt, er würde freiwerden und er würde gut zu uns passen – wenn nicht er, wer sonst? Manchmal musst du die Chance, die sich ergibt, einfach nutzen. Einfach mal sagen „All In“. Natürlich ist das ein extrem großes Risiko. Er hatte ja schon mal einen Wechsel vollzogen, wo er im ersten Jahr hinterhergefahren ist, wir waren aber ziemlich zuversichtlich dass das bei uns nicht passieren würde. Das erste was er gemacht hat, ist: er hat den Rahmen gecheckt und auf Herz und Nieren geprüft, passt die Geometrie, passt die Funktion. Ansonsten hätte er es nicht gemacht und auch wir hätten es sonst nicht gemacht. So hatte ich auch keine Angst, dass er hinterher fährt – aber natürlich kann es schlecht laufen, er ist nicht in den Top 10, dann ist es doof und du weisst nicht wie du reagieren sollt.
Aber es hat geklappt (lacht) – manchmal muss man auch Glück haben.
Für Jeffsy habt ihr eine klasse Kampagne gemacht, die bei vielen hängengeblieben ist. Kannst du uns was zur Geschichte der Kampagne erzählen?
Die Grundidee, dass das Fahrrad den besten Freund darstellen soll – das Rad ist immer für dich da, egal wo du unterwegs bist oder in welche Situation du kommst, egal ob du eine Tour machst und plötzlich auf nem hammerharten DH-Trail endest und du nicht weißt, ob du nicht mit deinem Rad runterfahren kannst – also diese Grundidee des besten Freundes. Die hatten wir selbst entwickelt, da kamen wir bei einem Bier drauf. Dann haben wir mit einer sehr guten Agentur zusammengearbeitet, die uns dann den Hinweis gegeben hat: vielleicht solltet ihr nicht mit dem Positiven im Vordergrund werben, sondern mit dem Gegenteil – also: „ich hasse dieses Produkt, weil…“ aus der Sichtweise einer anderen Person. Und ich glaube, das war eine ziemlich geile Idee.
Die nächste Kampagne wird dann auch so ein Kracher?
Das setzt uns dann ein wenig unter Druck (lacht), das ist dann auch nichts Neues für uns. Vielleicht kannst du dich noch dran erinnern: als wir mit dem Capra auf den Markt gekommen sind, haben wir eine ähnliche Kampagne gemacht, das war zwar keine Hass-Kampagne – wir haben aber auch einen Monat nur mit Anzeigen angeteasert, wo man einen Teamfahrer mit einer Ziege gesehen hat – und keiner hat gewusst, was es ist. Also diese Teaserphase, nicht zu sagen worum es geht, das hat sich bei uns in der Vergangenheit schon bewährt. Deswegen haben wir das mit Jeffsy auch so gemacht. Ich denke, das werden wir in der Zukunft bei neuen, wichtigen Modellen auch wieder machen.
Etwas ganz anderes – ihr hattet mal das Carbon Slopestyle Projekt, ist das gestorben?
Das war nur ein Marketingprojekt. Wir wollten zeigen, was mit Carbon möglich ist. Ein Carbon Slopestyle Bike zu machen ist aus wirtschaftlichen Gründen sowas von bescheuert, das kannst du dir nicht vorstellen. Das kostet so viel Geld und bringt nicht mal ansatzweise einen Return of Invest – es ist einfach ein Marketingprojekt. Es soll zeigen, was möglich ist – und Dirtjumpen und Slopestylen ist in unserer DNA, damit haben wir angefangen und wir wollen den Bereich nicht vernachlässigen, auch wenn der Bereich immer kleiner wird und du damit keine großen Umsätze mehr generieren kannst. Aber ich finde es nach wie vor geil.
Cheers und Danke für das Interview!
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