Es ist so weit, nach langer Testdauer können wir euch einen ausführlichen Test zu einer der wohl spannendsten Neuerscheinungen 2014 präsentieren – dem YT Capra. Im Frühjahr 2014 präsentierte YT Industries aus Forchheim mit einem Paukenschlag sein erstes Carbon-Bike: ein Enduro mit 165 mm Federweg, einer aggressiven Geometrie und auf 27,5″-Laufrädern stehend. Das Interesse seitens der Kunden war enorm, doch ließ die Auslieferung bis Mitte des Jahres auf sich warten. Im Spätsommer erhielten wir eines der ersten Serienmodelle, zu dem wir euch hier nun unsere Erfahrungen präsentieren möchten.
YT Capra CF Comp 1 – Modell 2014/2015
Kurz und bündig
- Carbon-Enduro-Rahmen
- 165 mm progressiver Federweg
- aggressive Geometrie (kurzer Hinterbau, flacher Lenkwinkel)
- 222 mm x 66 mm Rock Shox Dämpfer
- für 27,5″ Laufräder
- in drei Größen erhältlich: S, M, L
- Rahmengewicht: 2,4 kg (Herstellerangabe, „M“-Rahmen ohne Dämpfer), ca, 2,74 kg (Realgewicht, „M“-Rahmen ohne Dämpfer)
- Komplett-Bike-Gewicht: 13,4 kg (in „L“ ohne Pedale)
- Preis: 3.499 Euro (Komplett-Bike)
Was das Capra Comp 1 können soll
Hinter dem Namen Capra (italienisch für Ziege) verbirgt sich laut Hersteller ein reinrassiges Enduro-Bike, das auf einem leichten Carbon-Rahmen aufbaut. Das Bike soll sowohl für den Renneinsatz wie auch den täglichen Gebrauch gerüstet und Enduro-Fahrern mit einer hohen Affinität für Abfahrtsspaß ein idealer Begleiter sein.
Das wohl spannendste Merkmal des neuen Enduro-Hobels ist das Rahmenmaterial, denn erstmals setzt YT für ein Serien-Bike auf Carbon (ein Tues Carbon wird folgen). Das Ergebnis spricht für sich: lediglich 2,4 kg (ohne Dämpfer) soll der im Monocoque-Verfahren produzierte Rahmen laut Hersteller auf die Waage bringen, andere Messungen ergeben knapp 300 Gramm Mehrgewicht (hier zum Gewicht). Nach Aussage der Forchheimer sei es dank des einteiligen Hauptrahmens gelungen, dessen Widerstandsfähigkeit maßgeblich zu verbessern. Auf dem Prüfstand hätte man somit Werte erreicht, die um die 30% über den Maximalwerten eines herkömmlichen Aluminium-Downhill-Rahmen liegen würden.
In Sachen Federungssystem wird am Capra auf Bewährtes gesetzt:
- Das V4L-System (Virtual 4 Link) ist bereits von anderen YT-Bikes bekannt und soll auch dem Capra ein sattes Fahrwerk verleihen.
- Bis zu 170 mm Federweg (je nach Dämpfer) wird dem Vier-Gelenk-Hinterbau entlockt.
- Die von uns getestete Modellvariante (Capra Comp 1) mit Rock Shox Fahrwerk bietet an der Front 160 mm und am Heck 165 mm Federweg.
- Die Kennlinie des Hinterbaus zeichnet sich stark progressiv ab.
Auf Schnickschnack wie eine Geometrieverstellung wurde zugunsten des Gewichts sowie der Langlebigkeit und Einfachheit verzichtet. Der Rahmen soll vor allem eines: möglichst lange halten. Innen verlegte Züge findet man nur bei den Schaltkabeln, die Kabel für Hinterradbremse und Vario-Stütze verlaufen geschützt auf der Oberseite des Unterrohrs. Im Großen und Ganzen entspricht das YT Capra der Vorstellung eines durchdachten und unkomplizierten Aufbaus.
YT Capra Test – der erste Kontakt
Wie aus einem Guss wirkt das durchgestylte Capra. Jedes Bauteil fügt sich dem wuchtigen Antlitz des Rahmens, was in Summe ein martialisch wirkendes Gesamtpaket ergibt. Die großen Flächen und durchgezogenen langen Kanten des Carbon-Rahmens vermitteln das Bild eines modernen Sportwagens. Am Capra hat der Designer ganze Arbeit geleistet.
Die Ausstattung fällt ebenso hochwertig aus wie der Rahmen wirkt. Ein Race Face Altlas Cockpit geht mit einer Turbine Kurbel aus gleichem Hause einher. Weiter Richtung Heck blickend wird der Antrieb durch eine SRAM X01-Schaltung komplettiert, welche vom Lenker aus über den günstigeren X1-Schalthebel angesteuert wird. Den Bodenkontakt sichern Conti Trail King Reifen, die mit einem Schlauchaufbau auf e.thirteen TRS+ Laufräder aufgezogen sind. Die weißen Decals der Laufräder widersprechen als einziges dem sonst so gradlinig durchgezogenem schwarz-grünen Design.
Beim ersten Anheben folgt eine kleine Überraschung: Das Gewicht scheint höher zu sein als erwartet. Die Waage bestätigt diesen Eindruck: 13,4 kg bringt das Rad ohne Pedale auf die Waage. Nicht falsch verstehen, das ist kein schlechter Wert, nur hatten wir bei leichten 2,4 kg Rahmengewicht, die der Hersteller verspricht, auf einen ähnlich beachtlichen Wert am Komplett-Bike gehofft.
Auffällig ist die relativ geringe Reifenfreiheit am Hinterbau des Capra. Zwar passt ein 2,4″-Reifen problemlos durch, doch viel Platz ist nicht mehr zu den Sitzstreben – was sich bei aggressiven Kurvenmanövern durch Schleifen auch während der Fahrt bemerkbar machte. Zudem ist bei matschigen Verhältnissen nicht viel Dreck nötig, um am Hinterbau eine ordentliche Dreckanreicherung aufzubauen.
Als geradezu schlecht muss die Naben bzw. Lagerqualität der e.thirteen Hinterradnabe beschreiben werden. Schon nach kürzester Zeit wies die Hinterradnabe beim Drehen hör- und spürbares Rattern auf. Selbst im Praxiseinsatz war dies zu spüren, und zwar immer dann, wenn das Hinterrad den Boden verließ und die Vibrationen durch das ganze Rad fuhren. Auch ein umfangreicher Service (zerlegen, säubern, fetten, zusammensetzen und Lagerspiel einstellen) brachte keine nennenswerte Verbesserung. Über die Testdauer hinweg entwickelte die Hinterradnabe so viel Spiel, dass wir die Laufräder kurzerhand tauschten, um den Test weiterführen zu können.
Setup und andere Anpassungen am YT Capra
Das erste Setup erstelle ich anhand der Hersteller-Empfehlungen, an die ich mich noch vom exklusiven Kurztest ihm Rahmen der Produktvorstellung Anfang 2014 erinnern kann: 30% SAG am Hinterbau und rund 20% SAG an der Gabel, die wiederum werksseitig mit nur einem Volumenspacer (Token) in der Luftkammer versehen ist. Beim ersten Parkplatztest fällt mir das Cockpit des Capra auf, welches ich mir durchaus höher wünschen würde. Zwar misst der Lenker eine recht hohe Kröpfung von 35 mm, doch der Rahmen-Stack beläuft sich auf moderate 602 mm. Zwei 10-mm-Spacer müssen es richten, mehr passen ohnehin nicht auf den relativ kurz abgeschnittenen Gabelschaft.
Progressiver Hinterbau und lineare Gabel ergeben ein unharmonisches Paar.
Nach einigen Testfahrten in alpinem Gelände zeichnet sich folgendes Bild ab: Für meine Vorlieben und Körperproportionen könnte das Cockpit nochmals höher sein, wodurch ich in steilem Gelände weniger stark über der Front hängen würde, was ein sichereres Fahrgefühl begünstigen könnte. Zudem sackt die Gabel aufgrund ihrer flachen Kennlinie relativ stark weg und harmoniert nur schlecht mit dem sehr progressiven Hinterbau. Während die Gabel zwei zusätzliche Luftkammer-Spacer (Tokens) für mehr Progression bekommt, senke ich den Luftdruck des Dämpfers und gehe knapp auf 33% SAG – nur so ist es mir möglich, den Federweg des sehr progressiven Hinterbaus abseits von unsanften Sprunglandungen voll auszuschöpfen.
Das YT Capra in der Praxis
Alltagseinsatz (moderate Singletrails)
Aufsitzen, wohlfühlen! So lässt sich der Eindruck des Capras im gemäßigten Einsatz auf der entspannten Feierabend-Endurotour wohl am besten beschreiben. Die Sitzposition fällt angenehm sportlich aus (ambitionierte Langstreckenfahrer mögen das vielleicht anders sehen). Beim Treten lässt sich die Kraft effizient aufs Pedal bringen, was auch längere Enduro-Touren nicht zum Kraftakt werden lässt. Lediglich die Laufräder könnten für sportlicheres Vorankommen leichter ausfallen – ein Tubelessaufbau würde hier spürbare Vorteile bringen.
Da der Hinterbau feinfühlig arbeitet und der Dämpfer im oberen Federwegsbereich eine schnelle Federwegsrückgewinnung vorweisen kann, fährt sich das Capra in gemäßigtem Gelände überaus komfortabel – auch im Sitzen. Auf Singletrails pedaliert es sich vortriebsstark dahin, da der Hinterbau selbst unter Last voll aktiv arbeitet, wodurch der Reifen beim Überfahren von Hindernissen durchgehend Bodenkontakt hält und die Vortriebsenergie gut auf den Untergrund bringt.
Die 1×11 Gruppe passt für Alltagstouren jenseits von langen Alpen-Uphills wunderbar, ebenso wie die gut zu dosierenden Bremsen, denen es lediglich auf langen Abfahrten etwas an Standfestigkeit fehlt. Alles in allem lässt sich das Capra nicht nur zum Bergheizen einsetzen, sondern ist auch ein treuer Begleiter auf längeren Trail-Touren.
Bergauf
Das Capra wird seinem italienischen Namensvetter gerecht: Wie eine Bergziege klettert es angenehm in Richtung Gipfel. Zwar sackt man mit steigender Steilheit aufgrund des Basis-Setups mit mindestens 30% SAG deutlich im Federweg ein, doch dank des steilen Sitzwinkels hält sich die spürbare Veränderung der Sitzposition im Uphill in Grenzen. Dass dem Dämpfer beim Pedalieren deutliches Wippen anzusehen ist, muss keineswegs als Nachteil aufgefasst zu werden. Die Kinematik des Capra ist so ausgelegt, dass der Hinterbau auch unter Last noch aktiv arbeiten kann. Wer gern auf Singletrails bergauf strampelt, wird die dadurch generierte Vortriebstraktion schnell zu schätzen wissen. Wer sich am Wippen stört oder ohnehin nur asphaltierte Aufstiege in Angriff nimmt, der legt einfach den dreistufigen Hebel der Low-Speed-Druckstufe um und erfreut sich am Plattform-Modus des Monarch Plus Dämpfers.
Ein Bike, dem eine absenkbare Gabel gut stehen würde.
Lediglich das steigende Vorderrad bei steilen Anstiegen muss als Kritikpunkt genannt werden. Es dürfte wohl vor allem dem kurzen Hinterbau zuzuschreiben sein, dass es dem Vorderrad im Uphill etwas an Anpressdruck fehlt. Das Capra ist seit Längerem wieder mal eines der Räder, die dann doch von einer absenkbaren Gabel profitieren würden. Da das serienmäßig verbaute Cockpit aber ohnehin nicht besonders hoch baut, lässt sich der Körperschwerpunkt leicht nach vorne bringen, um das Vorderrad auch ohne Absenkung in steilen Anstiegen weitestgehend am Boden zu halten.
Negativ bemerkbar macht sich auf Trail-Uphills zudem der flache Lenkwinkel. Bei langsamer Fahrweise wirkt das Bike etwas kipplig, zudem reagiert es auf Lenkbewegungen nur sehr träge. Ein Fahrverhalten, an dem sich auf Effizienz gepolte Fahrer (Rennfahrer) bei langsamen Trail-Anstiegen wohl stören werden. Wen es nicht stört, im Uphill hier und da ein paar Körner mehr zu verbrauchen, weil sich einem Hindernis nicht ausreichend agil ausweichen lässt, dem wird dieser Kritikpunkt nur geringfügig negativ auffallen.
Ab in die Abfahrt
Wirklich zuhause ist das Capra jedoch erst, wenn es talwärts geht. Vor allem schnelle flowige Trails machen auf dem grün-schwarzen Geschoss so richtig Spaß. Das feine Ansprechverhalten des Hinterbaus sorgt in normalem Gelände für Bodenhaftung und Fahrkomfort. Dennoch gibt das Fahrwerk klares Feedback um Untergrund. Schnell spürt man, dass das YT mit Nachdruck gefahren werden möchte. Einfach nur draufsetzen und sich treiben lassen ist nicht drin. Das Bike braucht klare Vorgaben, wo es hingehen soll, anderenfalls sucht es sich seinen Weg durch Geradeauslauf.
Wer die Ziege im Griff hat, kann sich ihr kurzes Heck zunutze machen: Fährt man das Capra über das Hinterrad, so lässt es sich trotz langem Radstand und flachem Lenkwinkel agil manövrieren. Schnelle Richtungswechsel und vor allem Anlieger machen so besonders viel Spaß. Aber auch an Absätzen und Kanten profitiert man vom kurzen Hinterbau, dank dem sich das Vorderrad leicht anheben lässt und Absätze ihren Schrecken verlieren. Gleiches gilt für Kanten, die als Absprünge genutzt werden können: Das Capra bettelt förmlich danach, in die Luft gebracht zu werden!
Nicht so souverän agiert das Rad auf Wurzel und Stein durchsetzten Trail-Kurven. Der Hinterbau nimmt Schläge ab einer gewissen Intensität nicht mehr so gut auf, worunter die Traktion schnell leidet, da der Reifen zunehmend Bodenkontakt verliert. Gelobt wurde von allen Testern hingegen das Sicherheitsempfinden auf steilen Abfahrten. Der flache Lenkwinkel beugt Überschlaggefühlen vor und hält das Rad laufruhig auf Spur.
Je rauer der Untergrund desto schwächer die Hinterbau-Performance.
Je rauer das Geläuf und umso schneller die Fahrweise, desto mehr hat der Hinterbau Probleme dem Untergrund satt zu folgen. Traktionseinbußen am Hinterrad sind die Folge, wodurch man in richtig ruppigen Passagen schnell Schwierigkeiten bekommt, die angepeilte Linie sauber zu treffen. Der Hinterbau neigt dazu, bei schnellen, scharfen Schlagabfolgen im mittleren Federwegsbereich zu verhärten. Was bei moderater Geschwindigkeit und normaler Trail-Beschaffenheit noch als „gutes Feedback vom Untergrund“ wahrgenommen wird, stellt anderswo eine Herausforderung ans Fahrkönnen dar. So müssen Flat-Pedal-Fahrer ihren Körperschwerpunkt weit nach hinten verlagern, um sich mit tiefer Ferse kraftvoll gegen die Pedale zu stemmen. Durch den so erzeugten festeren Stand lassen sich die teils starken Schläge aufs Pedal kompensieren.
Mit dieser Fahrposition lässt sich das Bike gut über das Hinterrad fahren. Unsere Testfahrer bevorzugten aus diesem Grund einen 35 mm kurzen Vorbau, anstatt der serienmäßig verbauten 50-mm-Version. Leider hatte der kurze Vorbau aber auch zur Folge, dass sich hier und da in Kurven leichter Druckverlust am Vorderrad einstellte, wodurch das Capra zum Untersteuern neigte. Klick-Pedal-Fahrer und Großgewachsene dürfte das weniger stören, sie (bei einer Körpergröße über 1,80 m) sind mit dem 50-mm-Vorbau alles in allem besser beraten.
Im spaßigen Park-Einsatz
Das Capra vermittelt auf schnellen und meist gut geshapten Bikepark-Stecken Sicherheit und lädt den Fahrer dazu ein, an Kanten einfach mal abzuziehen. Geht ein Stunt daneben, so bietet das Fahrwerk stets Reserven, um auch noch so grobe Schnitzer bei Landungen ins Flat oder übermütigen Drop-Einschlägen zu verzeihen. Dank der hohen Progression des 165 mm starken Hinterbaus wird der Federweg nur selten bis zum Durchschlag ausgenutzt, was dem Fahrer ein gutes Gefühl gibt. Kurzum, im Park und auf künstlich errichteten Homespots spielt das Capra sein volles Potenzial aus. Auch Anlieger lassen sich mit dem YT wunderbar schrubben – die Geometrie ist ausgewogen und das Fahrwerk sackt selbst bei hohen Kurvengeschwindigkeiten nicht weg. Beste Voraussetzungen, um sich spritzig aus Kurven feuern zu lassen.
In der Luft liegt das Bike souverän. Über den kurzen Hinterbau feuert es sich kinderleicht mit viel Pop über den Absprung und auch Whips lassen sich angenehm früh einleiten. In der Luft selbst ist das vermeintliche Enduro gut zu kontrollieren, fliegt aber eher satt anstatt wendig, wodurch der Fahrer auch bei langen Flugphasen viel Selbstvertrauen schöpft. Im Park vergisst man schnell ein Enduro unter dem Hintern zu haben und meint, auf einem Freeride-Bike durch die Lüfte zu segeln.
YT Capra CF Comp 1 – Testfazit
Das YT überzeugt mit der Geometrie eines Freeride-Bikes und einem Fahrwerk, das auch härteste Einschläge locker wegsteckt. Dank der hohen Progression besteht kein Grund, Durchschläge am Hinterbau auch bei fetten Drops und Landungen ins Flat zu befürchten. Diese Eigenschaft unterstreicht den Charakter des spaßorientierten Capra, das vor allem als Park-Bike und auf flowig schnellen Trails und geshapten Homespots überzeugen kann. Nicht ganz so souverän wie im Park zeigt sich das YT beim Shredden auf garstigen Alpen-Trails. Der Hinterbau könnte dem Untergrund besser folgen, was mehr Traktion und ein satteres Fahrgefühl im groben Gelände bewirken würde – gerade Racer könnte sich daran stören. Das Bike kann vieles gut, es ist tourentaugliches Trail-Bike und sprunglastiger Freerider zugleich, nur beim Heizen in schroffem Geläuf müssen kleine Abstriche in Kauf genommen werden.
Pro:
- steckt einiges Weg
- solide und durchdachte Ausstattung
- spaßorientierte Geometrie
- voll tourentauglich
- bestens für Park-Einsätze mit dicken Sprüngen
Contra:
- Nabenqualität der e.thirteen-Laufräder
- Fahrwerk könnte in rauem Gelände satter sein
- Reifenfreiheit könnte größer sein
Ergänzung: der Lesertest in Latsch
Das Leser-Fazit von IBC-User „trailinger“
Beim Lesertest im Vinschgau hatte ich die Gelegenheit, YTs neues Enduro-Bike Capra in der Version Comp 1 zu testen. Auf dem abwechslungsreichen Trail wurde mir der Charakter des Bikes schnell klar: Die Ziege will rennen. Mir vermittelte das Bike von Anfang an viel Sicherheit. Insgesamt souverän in den verblockten Passagen, wo das Capra gut liegt und sicher der gewählten Linie folgt, zumindest, solange ich die Fersen unten behielt um mit ordentlich Druck auf den Pedalen zu stehen.
Nachlässigkeiten meinerseits bei besagter Fahrposition strafte das Capra sofort ab: der Hinterbau wurde unruhig und die Fahrt schnell ungemütlich ruppig. Mein Vertrauen ins Bike ließ dabei etwas nach und kam erst voll wieder, wenn ich mich konzentriert darum bemühte, wieder festen Stand auf den Pedalen zu behalten. In solchen Situationen hätte ich mir gewünscht, dass der Hinterbau satter arbeitet, was für die Traktion von Vorteil wäre und gerade grob verblockte Streckenabschnitte wie beispielsweise Steinfelder erheblich weniger anstrengend gestalten würde.
Nachlässigkeiten meinerseits strafte das Capra sofort ab.
Den meisten Spaß auf dem Capra hatte ich im flowigen mittleren Abschnitt des Tschilli-Trails. Hier ließ das Bike entspannt hohe Geschwindigkeiten zu und meine Komfortzone verschob sich mit jeder Kurve und jeder Flugphase nach oben. Gerade auf diesen mit Anliegern und kleinen Sprüngen gespickten schnellen Streckenabschnitten war mein Vertrauen ins Bike uneingeschränkt. Hier ist das Capra einfach eine Macht. Als es im unteren Teil dann flach und langsamer wurde, hatte ich anfangs für mich überraschend nicht den Spaß, den ich mir gewünscht hätte.
Zunächst tat ich mich schwer die Linie zu treffen. Die Front neigte bei langsamerem Tempo zu leichtem Kippeln. Das änderte sich allerdings dramatisch, nachdem ich nach und nach die Erkenntnis umsetzen konnte, dass das Capra einfach Angriff – heißt mehr Druck – vorne braucht, als ich es gewohnt bin. Nachdem ich mich daran angepasst hatte, lag das Capra wieder wunderbar neutral mit einer gelungenen Balance der Radlastverteilung. Wenn überhaupt neigte das Bike zu leichtem Übersteuern, was mich nie störte, weil es dabei in keiner Situation mit Überraschungen nervte.
Ich fühlte mich auf dem Capra bestens aufgehoben und hab mich schnell daran gewöhnt. Dort wo mein Fahrkönnen aufhört, wird das Capra gerade mal warm. Ich konnte es noch nicht einmal annähernd an seine Grenzen bringen und es hielt jede Menge Potenzial nach oben für mich bereit. Ich hab es wirklich sehr ungern wieder hergegeben (das Bike danach hatte es entsprechend schwer, Freundschaft mit mir zu schließen). Verbesserungen sehe ich allerdings beim Hinterbau, der mir in anspruchsvollem Terrain zu zapplig ist. Das satte Verhalten eines “Freeride-Fahrwerks” wie ich es von meinem Rotwild E.1 gewohnt bin, vermisste ich am YT doch etwas. Würde sein Hinterbau satter agieren, würde das Capra sicher nicht nur um einiges komfortabler, sondern auch schneller für den sein, der dessen Potenzial wirklich nutzen kann.
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Alle Details zum Test und Bike
Infos zum Testfahrer
Getestet wurde das YT Capra von unseren Test-Redakteuren Tobi und Maxi, zusätzlich nahmen sich unsere Testfahrer/in Tina und Pirmin sowie IBC-User „trailinger“ dem Bike an. Um die geschilderten Eindrücke besser nachempfinden zu können, möchten wir euch wie immer ein Testerprofil präsentieren.
Test-Redakteur Maxi
- Körpergröße: 1,81 m
- Gewicht (fahrfertig): 80 kg
- Schrittlänge: 88 cm
- Armlänge: 62 cm
- Oberkörperlänge: 59 cm
- Fahrstil: rustikal, aggressiv und schnell; immer auf der Suche nach der schnellsten Linie; nutzt das Gelände für sich
- Was fährst du hauptsächlich: Singletails im Voralpenland mit dem Trail- und XC-Bike; abfahrtsorientiertes Enduro; Downhill im Bikepark
- Vorlieben bezüglich des Fahrwerks: ca. 25 – 30 % SAG am Heck, deutlich straffere Front; Zugstufe allgemein sehr schnell; allgemein viel LSC; vorne gern mit viel Progression
- Vorlieben bezüglich des Rahmens: Abhängig vom Einsatzzweck: für den verspielten Einsatz = vorne lang, hinten kurz // für den Speed-orientierten Einsatz: vorne lang, hinten Mittelmaß
- Persönliche Anmerkung: Es lässt sich erst dann die volle Leistung eines Bikes abrufen, wenn das Rad in jedem Punkt perfekt an den Fahrer angepasst ist.
Test-Redakteur Tobi
- Körpergröße: 178 cm
- Gewicht (mit Riding-Gear): 70 kg
- Schrittlänge: 83 cm
- Armlänge: 58 cm
- Oberkörperlänge: 52 cm
- Fahrstil: Beide Räder am Boden und Vollgas; Attacke bergauf, sauber bergab
- Was fährst zu hauptsächlich: Trail, Enduro
- Vorlieben bezüglich des Fahrwerks: Gabel straff, Hinterbau effizient
- Vorlieben bezüglich des Rahmens: Mittellang und flach
Testfahrerin Tina
- Körpergröße: 1,70 m
- Gewicht (fahrfertig): 68 kg
- Schrittlänge: 80,5 cm
- Armlänge: 59 cm
- Oberkörperlänge: 57 cm
- Fahrstil: zügig und mit einem guten Auge für schnelle und vor allem saubere Linien
- Was fährst du hauptsächlich: alpine Singletrail-Touren sowie in Bikeparks
- Vorlieben bezüglich des Fahrwerks: eher weich (Hinterbau weicher als Gabel); Zugstufe so schnell dass sie bestmögliche Traktion bietet; auf Komfort abgestimmt
- Vorlieben bezüglich des Rahmens: gern etwas längere Hauptrahmen und verhältnismäßig kurze Hinterbauten, flache Lenkwinkel (das Bike muss mir Sicherheit vermitteln)
Testfahrer Pirmin
- Körpergröße: 1,83 m
- Gewicht (fahrfertig): 103 kg
- Fahrstil: wild, schnell und verspielt / rustikale und spapßorientierte Linienwahl (liebt Airtime)
- Fahrposition: eher zentrale bis hecklastige Fahrposition, größtenteils tiefe Körperhaltung
- Was fährst du hauptsächlich: Bikepark, Enduro und Dirt Jump/Slopestyle
- Vorlieben bezüglich des Fahrwerks: hinten gerne etwas straffer (ca. 20 – 25 % SAG) vorne hingen weicher (25 % SAG) / mit viel “Popp”
- Vorlieben bezüglich des Rahmens: Hinterbau eher kurz, Hauptrahmen mittellang (es muss verspielt sein, ohne nervös zu werden)
IBC-User „trailinger“
- Körpergröße: 1,87 m
- Gewicht (fahrfertig): 90 kg
- Fahrstil: aufmerksam und mit bedacht auf einer sauberen Linie; fährt eher mit Köpfchen statt mit der Brechstange
- Was fährst du hauptsächlich: Singletails à la Isar-Trails sowie im Voralpenland (meist mit dem Enduro)
Wo wurde das Bike getestet?
- Singeltrail-Paradies Latsch, Italien
- Bikepark Paganella, Italien
- Singletrail-Gebiet Andalo, Italien
- Finale Ligure, Italien
- Bikepark Lenzerheide, Schweiz
- Saalbach-Hinterglemm, Österreich
- Innsbruck, Österreich
- Bikepark Serfaus-Fiss-Ladis, Österreich
- bayrisches Voralpenland, Deutschland
Unser Testbike
Rahmen: YT Capra CF, Größe „L“
Gabel: Rock Shox Pike RCT3, Solo Air, 160 mm Federweg
Dämpfer: Rock Shox Monarch Plus RC3, High Volume
Steuersatz: Acros AZX-203, ZS44/28,6 | ZS56/40
Vorbau: Race Face Atlas 35, Länge 50 mm
Lenker: Race Face Atlas 35, 35 mm rise, 770 mm breit
Bremsen: Avid Elixir 7 Trail, 200 mm / 200 mm
Laufradsatz: e*thirteen TRS+, 27,5″
Reifen: Continental Trail King 2.4 ProTection, 27.5″ x 2.4″
Kurbeln: Race Face Turbine, 170 mm
Antrieb: Mix aus SRAM X01 und X1, 11-fach
Gewicht: 13,3 kg
Die technische Daten des Bikes
Hersteller | YT Industries |
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Modell | Capra CF |
Modelljahr | 2014 / 2015 |
Rahmenmaterial | Carbon (Alu-Kettenstreben) |
Einsatzbereich | Enduro, Freeride |
Testkategorie | Komplettbike |
Hinterbausystem | Viergelenker (V4L) |
Federweg (Rahmen) | 165 mm |
Laufradgröße | 27,5" (650b) |
Federweg Gabel (Herstellerempfehlung) | 160 mm |
Dämpfereinbaulänge / Hub | 222 mm x 66 mm |
Steuerrohr | 1,5 tapered |
Tretlager | Press Fit 30 |
Umwerferaufnahme | direct mount |
Kettenführungsaufnahme | ISCG 05 |
Sattelrohrdurchmesser | 31,6 mm |
Bremssattelaufnahme | 180 mm |
Ausfallenden | 12 mm x 142 mm |
Austauschbares Schaltauge | ja |
Verstellbare Geometrie | nein |
Rahmengewicht | 2,74 kg (Größe "M", ohne Dämpfer) |
Komplett-Bike-Gewicht | 13,4 kg (Größe "L") |
Preis | 3.499 € |
Geometrie
Größe | Small | Medium | Large |
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Sattelrohrlänge (Rahmenhöhe) | 400 mm | 450 mm | 480 mm |
Reach | 400 mm | 422 mm | 445 mm |
Stack | 584,5 mm | 593,5 mm | 602,5 mm |
Lenkwinkel | 65,5° | 65,5° | 65,5° |
Sitzwinkel | 75° | 75° | 75° |
Oberrohrlänge (horizontal) | 556,5 mm | 581 mm | 606,5 mm |
Hinterbaulänge | 430 mm | 430 mm | 430 mm |
Radstand | 1.142,5 mm | 1.169 mm | 1.196 mm |
Tretlagerhöhe | 343 mm | 343 mm | 343 mm |
Tretlagerabsenkung | - 7,5 mm | - 7,5 mm | - 7,5 mm |
Steuerrohrlänge | 100 mm | 110 mm | 120 mm |
Randnotiz
Für unseren Test stellte YT eines der ersten in Deutschland verfügbaren Capra-Modelle zur Verfügung. An diesem Modell auf früher Produktion mussten wir zwei mehr oder weniger relevante Mängel feststellen.
Als relevanten Mangel müssen wir die Post-Mount-Bremsaufnahme einstufen: Die Aufnahme fiel unpassend dimensioniert aus und entsprach dem Standard „Post Mount 185“ nicht aber der Herstellerangabe „Postmount 180“. Der Bremssattel war mit einem 20-mm-Adapter am Rahmen befestigt, was zur 200 mm Scheiben passen sollte. De facto nahm der Bremssattel die 200 mm Scheibe aber nur zur Hälfte der Bremsfläche. Da das von uns anfangs unbemerkt blieb, bremsten wir die Bremsbeläge so weit ein, bis sie über der Scheibe aufeinander drückten und kaum noch Bremskraft generierten.
Auf Anfange bei YT wurde uns mittgeteilt, dass dieses Problem bekannt sei und bei allen Produktionschargen nach der unseren bereits ausgebessert worden sei. Kunden, die ein Bike der ersten Charge besitzen wurden, laut YT in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, ihren Rahmen zur Überprüfung und Fehlerbehebung einzusenden.
Der weniger relevante, aber trotzdem anmerkenswerte zweite Mangel war ein Lackriss zwischen Tretlagergehäuse und aufgeklebter ISCG-Aufnahme. Was im ersten Moment wie ein Riss im Rahmen aussah, entpuppe sich als harmloser Spannungsriss im Lack, der aufgrund von unterschiedlicher Materialausdehnung an der Klebestelle entstanden ist. Auch hier ist YT gegenüber Kunden kulant und bietet betroffenen Kunden Hilfe an.
Update: Stellungnahme von e*thirteen
Um einen fairen Umgang zu wahren möchten wir selbstverständlich auch e.thirteen die Möglichkeit bieten, sich zum Defekt der Hinterradnabe zu äußern. Auf Anfrage sandte man uns folgende Stellungnahme.
Leider mussten wir feststellen, dass die Handhabung der in der Vergangenheit eingesetzten Schrägkugellager nicht ganz unkompliziert ist.
So kann eine ungenaue Einstellung des Achsspiels (zu starke oder leichte Vorspannung) die Lebensdauer der Lager verkürzen. In allen ab August 2014 produzierten e*thirteen Laufrädern kommt ein neu gestaltetes Achssystem zum Einsatz. Die hierin verbauten Industrielager sind unkompliziert in der Handhabung, wodurch eine wesentlich verbesserte Haltbarkeit sichergestellt werden kann.Ein weiterer Vorteil kommt im Falle eines Lagerdefekts zum Tragen: sollten auf die Schnelle einmal keine Original e*thirteen Ersatzlager verfügbar sein, können notfalls Standard Industrielager verwendet werden (beim hier getesteten TRS+ Hinterrad auf beiden Seiten 6804x20x32). Ein Upgrade auf das neue Achssystem ist bei allen e*thirteen Hinterradnaben problemlos möglich und wird bei allen zum Service eingesendeten Laufrädern grundsätzlich installiert.
Ihr seid unzufrieden mit der Haltbarkeit der Lager eurer e*thirteen TRS+ Laufräder oder habt Fragen zu einem anderen e*thirteen Produkt?
Dann dürft ihr euch gerne direkt an The Hive Europe wenden.
Weitere Links zu YT Industries:
News und Tests zu YT Industries auf MTB-News.de
YT Industries Forum
YT Industries neu und gebraucht im Bikemarkt
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- Redaktion: Maxi Dickerhoff
- Testfahrer: Maxi Dickerhoff, Pirmin Hirschvogel, Tina Lang, Tobias Stahl, IBC-User „trailinger“
- Bilder: Tom Bause, Anton Brey, Tina Lang, Jens Staudt
- Weitere Informationen: yt-industries.com
- MTB-News.de
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