Nach dem World Cup ist vor dem World Cup! Die heißeste Phase der Saison 2019 wurde am vergangenen Wochenende in Vallnord eingeläutet. Nur eine Woche später versammelt sich die Weltelite der Cross-Country-Piloten erneut zum Kräftemessen – und zwar erstmals seit der Weltmeisterschaft 2004 wieder im französischen Skiort Les Gets. Nach der längeren Pause zwischen den beiden Rennen von Nove Mesto und Vallnord konnte man in Andorra einige neue Fahrerinnen und Fahrer an der Spitze des Feldes entdecken. Umso spannender und offener gestaltet sich das Favoritenfeld in den einzelnen Rennklassen für die Wettkämpfe am kommenden Wochenende. Alle Infos gibt es wie gewohnt in der Favoritenvorschau.
Short Track – Mathieu van der Poel kehrt zurück
Drei Rennen, drei verschiedene Siegerinnen: Die Rennen des Short Tracks in der Damenkategorie sind in diesem Jahr packender denn je. Kate Courtney, Chloe Woodruff und nun Jolanda Neff konnten sich schon in die Siegerlisten in dieser Saison eintragen. Kommt am Freitag ein weiterer Name hinzu? Möglich wäre es allemal, so waren in Vallnord am vergangenen Wochenende eine Runde vor Schluss noch insgesamt neun Fahrerinnen dicht beisammen, die allesamt die Chance auf den Sieg hatten.
Insbesondere Alessandra Keller rückte in der letzten Runde bei ihrem Comeback nach doppeltem Armbruch ins Rampenlicht. Erst auf den letzten Metern wurde sie von ihrer Landsfrau Jolanda Neff überholt und verpasste damit nur knapp ihren zweiten Sieg in der noch jungen Disziplin im World Cup. Letztes Jahr hatte die amtierende U23-Weltmeisterin in Vallnord den Short Track für sich entscheiden können und dürfte demnach mit steigender Formkurve auch in Les Gets eine echte Anwärterin auf den Tagessieg sein.
Bei den Herren war es der Brasilianer Henrique Avancini, der wie auch schon im letzten Jahr in Vallnord im Short Track triumphieren konnte. Avancini gestaltet die Rennen des kurzen Rennformats stets offensiv und mit großem Selbstbewusstsein. Über weite Strecken führt er oftmals das Feld an und diktiert das Tempo. In Vallnord war er dabei so stark, dass er auch in den letzten Runden die Führung zu keinem Zeitpunkt aus der Hand gab und sich so den zweiten Erfolg im World Cup seiner Karriere sicherte.
Hauptfavorit ist er trotz seiner starken Vorstellung dennoch nicht: Mathieu van der Poel greift nach dem Verzicht auf das Rennen in Vallnord wieder in das Renngeschehen ein und ist damit auf Anhieb wieder Favorit Nummer eins auf den Sieg. Bei fünf der insgesamt neun ausgetragen Short Track-Rennen im World Cup stand der Niederländer ganz oben auf dem Podest und scheint in dieser Saison noch stärker zu sein als je zuvor. Mit dem Triumph im Cross-Country-Rennen in Nove Mesto gelang dem Niederländer Historisches: Als erster Radsportler gewann er Wettkämpfe in den weltweit höchsten Rennserien des Rennrad-, Cyclocross- und Mountainbikesports. Auch wenn van der Poel direkt aus dem Höhentrainingslager in Livigno anreist dürfte er der große Favorit sein.
Damen – Terpstra zum Zweiten?
In ziemlich beeindruckender Art und Weise sicherte sich Anne Terpstra in Vallnord den ersten World Cup-Sieg ihrer Karriere. Nach bereits starken Vorstellungen bei den ersten beiden Läufen des World Cups in Albstadt und Nove Mesto scheint die Niederländerin nun nochmals einen Schritt nach vorne gemacht zu haben und zählt folgerichtig zu den absoluten Top-Favoritinnen auf den Sieg in Les Gets.
Nach einer langen Solofahrt an der Spitze des Feldes holte sie kurz vor Beginn der letzten Runde des Rennens in Vallnord die Europameisterin Jolanda Neff ein. Neff schien vorerst das Momentum auf ihrer Seite zu haben. Ein explosiver Antritt an einem längeren Wiesenanstieg brachte schließlich Anne Terpstra auf die Siegerstraße und Neff ins Hintertreffen. Trotzdem könnte sich in Les Gets das Blatt in dieser Hinsicht wenden. Neff erwischte in Vallnord einen schwachen Start und musste sich Stück für Stück an Terpstra herankämpfen. Zudem gelten die Strecken in Frankreich meist als die fahrtechnisch besonders anspruchsvoll. Ein Vorteil für Neff, die auch in Vallnord immer wieder ihr fahrtechnisches Können aufblitzen ließ und so bergab wertvolle Zeit aufholen konnte.
Auch Kate Courtney – amtierende Weltmeisterin und aktuell an der Spitze der World Cup-Rangliste – wird in Les Gets wieder in den Kampf um den Sieg eingreifen wollen. Beim Rennen in Vallnord war die Amerikanerin nicht in der Lage das hohe Tempo der beiden Spitzenfahrerinnen mitzugehen. Lange Zeit blieb sie jedoch in Schlagdistanz zum Podium, verlor trotzdem gegen Ende des Rennens an Boden und belegte schließlich nur den achten Rang. Dass die etwas schwächere Leistung der Amerikanerin der Höhe von knapp 2.000 Metern geschuldet sein dürfte, wäre eine logische Erklärung für das Ergebnis. Nach den beiden Siegen zum Auftakt der World Cup-Serie gilt sie in allen Fällen als Kandidatin für einen erneuten Sieg.
Eine weitere hochinteressante Personalie, die man im Kampf um die Podiumsplätze in Les Gets nicht außer Acht lassen sollte, ist die Schwedin Jenny Rissveds. Die amtierende Olympiasiegerin verschwand aufgrund psychischer Probleme lange Zeit von der Bildfläche und kehrte erst in Nove Mesto in diesem Jahr wieder in das Renngeschehen zurück. Dort belegte sie nach einer starken Starphase letztlich nur den 33. Rang. Nun überraschte sie aber alle Beobachter und vor allem sich selbst, indem sie in Vallnord als Fünfte seit dem Rennen in Lenzerheide 2016 erstmals wieder ein World Cup-Podium erklimmen konnte. Es wäre keinesfalls verwunderlich, wenn die fahrtechnisch starke Schwedin in Les Gets ihre Aufwärtstendenz fortsetzen könnte und erneut auf dem Podium landen würde.
Bei der deutschen Meisterin Elisabeth Brandau könnte auch eine Platzierung innerhalb der ersten zehn Fahrerinnen möglich sein. Brandau hatte in Vallnord wie auch schon häufiger in der Vergangenheit etwas Mühe dem hohen Anfangstempo der Spitze zu folgen. Brandau gelingt dank ihrer konstanten Leistungen im Rennen jedoch immer wieder eine gute Platzierung. Schafft sie nun in Les Gets bereits zu Beginn den Anschluss an die Spitze könnte womöglich ein Platz auf dem erweiterten Podium im Bereich des Möglichen liegen. Wir drücken die Daumen!
Herren – Schurter vs. van der Poel?
Bei den Herren könnte sich wie beim Rennen in Nove Mesto der Kampf um den Sieg um das Duell der beiden Giganten Nino Schurter und Mathieu van der Poel drehen. Schurter reist mit dem Rückenwind des Triumphes von Vallnord an und hat nach der Niederlage gegen van der Poel in Nove Mesto noch eine Rechnung mit dem Niederländer offen. Schurter musste zwar in Vallnord so hart um den Sieg kämpfen wie selten zuvor, er bewies aber allemal, dass er derjenige Fahrer ist, den es aktuell zu schlagen gilt.
Der härteste Widersacher von Schurter im Kampf um den Sieg am vergangenen Sonntag war Mathias Flückiger. Der Sieger des World Cup-Auftaktrennens in Albstadt war auch in Vallnord nicht weit davon entfernt den zweiten Sieg in dieser Saison einzufahren. Den Attacken von Schurter konnte er stets folgen und auch selbst ergriff er die Initiative und brachte den Weltmeister an den Rand einer Niederlage. Im entscheidenden Moment schienen ihm jedoch die Körner auszugehen, sodass der Weg frei war für den 31. World Cup-Sieg in der Karriere von Olympiasieger Schurter. Wenn Flückiger in Les Gets einen besseren Start erwischt als am vergangenen Wochenende könnte er durchaus das Favoritenduo sprengen und vielleicht als „lachender Dritter“ das oberste Podium erklimmen.
In die Rolle des „lachenden Dritten“ könnten aber auch einige weitere Fahrer schlüpfen. Gerhard Kerschbaumer beispielsweise: Der Italiener belegte in Vallnord den vierten Rang und betonte im Nachhinein, dass er sich nicht besonders wohl gefühlt habe. Oder Ondrej Cink, der in der Höhe von Andorra solo den Konkurrenten zwischenzeitlich weit vorausgeeilt war. Herzprobleme warfen ihn letztlich zurück bis auf Platz zehn, doch auch dieses Problem könnte seine Ursache in der dünnen Luft in 2.000 Meter Höhe verbunden haben. Henrique Avancini, als Drittplatzierter des letzten Wochenendes, könnte den beiden Top-Favoriten ebenfalls in die Suppe spucken. Der Brasilianer konnte sich zu Beginn des Rennens in Vallnord an der Spitze absetzen und war im Verlauf des Rennens stets gemeinsam mit den beiden Erstplatzierten Schurter und Flückiger unterwegs. Erst in der letzten Runde konnte er den Attacken der beiden schließlich nicht mehr folgen, was aber nicht zwangsläufig heißen muss, dass er in Les Gets nicht zurückschlagen kann.
Aus deutscher Sicht erhofft man sich im Herrenfeld eine Bestätigung des Aufwärtstrends der vergangenen Woche: Manuel Fumic konnte sich nach einem Sturz zu Beginn des Rennens auf den 28. Rang vorarbeiten und fuhr dabei Rundenzeiten, die ihn auch unter die schnellsten 20 Fahrer bringen hätten können. Georg Egger war lange Zeit in der Nähe des ehemaligen deutschen Meisters unterwegs und wurde durch einen Defekt in der letzten Runde vom 31. Rang bis auf den 51. Rang zurückgeworfen. Einzig Ben Zwiehoff konnte in Vallnord sein Potenzial nicht abrufen: Atemprobleme machten ihm derart zu schaffen, dass er das Rennen vorzeitig beenden muss. Mit ordentlich Wut im Bauch könnte es für den Essener in Les Gets auch unter die besten 30 Fahrer gehen.
U23 – Eibl Favoritin, Brandl mit Podiumsambitionen
Nach dem so ersehnten ersten World Cup-Erfolg von Ronja Eibl gilt die junge deutsche Fahrerin des Corendon-Circus-Teams logischerweise auch in Les Gets als große Favoritin auf den Tagessieg. Insbesondere die Art und Weise wie die deutsche U23-Meisterin in Vallnord die Konkurrenz bezwang lässt Grund zur Hoffnung, dass Eibl auch in den französischen Alpen zuschlagen kann. In einem Ausscheidungsrennen distanzierte sie in Vallnord nach und nach all ihre Konkurrentinnen, um dann mit großem Vorsprung den Sieg einzufahren. Hauptkonkurrentinnen dürften die Zweitplatzierte des Rennens von Vallnord, Evie Richards, und die beiden Gewinnerinnen der World Cups aus Albstadt und Nove Mesto, Laura Stigger und Haley Batten sein.
In der männlichen U23-Klasse dürfte in Les Gets der Weg zum Sieg nur über den Rumänen Vlad Dascalu führen. Ebenso souverän wie Eibl in der weiblichen U23-Klasse sicherte er sich in Vallnord den Sieg, konnte dabei aber erst in der letzten Runde seinen letzten Begleiter Jofre Cullel Estape abschütteln. Bemerkenswert: In der letzten Runde fuhr der Rumäne deutlich schneller als die besten Fahrer des Herrenfeldes Nino Schurter und Mathias Flückiger in ihrer letzten Runde. Neben Dascalu und Estape gilt auch der Sieger des Auftaktrennens des World Cups, Filippo Colombo, einmal mehr als Anwärter auf einen möglichen Sieg.
Ob man Max Brandl nach dem fünften Rang am vergangenen Wochenende als möglichen Siegkandidaten bezeichnen kann scheint noch etwas fraglich. Jedoch kommt der deutsche Meister in der Eliteklasse immer besser in Schwung und könnte mit etwas Glück in Les Gets das Podium in Angriff nehmen. Wir drücken unserem Blogger die Daumen!
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