Zwei ereignisreiche erste Weltcups stehen hinter unserem Cross-Country-Weltcupblogger Luca Schwarzbauer: Mit einer Podestplatzierung im Short Track und eher durchwachsenen Ergebnissen in der Cross-Country-Disziplin fällt die Bilanz des Canyon CLLCTV-Fahrers nach den ersten vier Wettkämpfen dieser Weltcupsaison gemischt aus. Besonders die ungewohnten Umstände in Brasilien machten dem Schwaben zu schaffen und verhinderten womöglich bessere Ergebnisse. In seinem ersten Blogbeitrag des Jahres 2024 lässt Schwarzbauer die Wettkämpfe in Mairiporã und Araxá Revue passieren, blickt trotz der nicht gänzlich zufriedenstellenden Bilanz aber zuversichtlich auf den restlichen Verlauf der Saison.
Nun sitze ich hier also am Flughafen von São Paulo und lasse die letzten beiden Wochen Revue passieren. Was bleibt hängen nach dem Weltcupauftakt in Mairiporã und Araxá? Ich würde sagen, die Bilanz fällt eher gemischt aus: Einerseits war es für mich recht klar, dass ich diese zwei Rennen in Brasilien hier nicht zu eng sehen möchte. Schlussendlich dann aber damit richtig umzugehen, dass es womöglich nicht ganz ideal läuft und dann eben auch vielleicht mit ein bisschen schlechteren Ergebnissen zufrieden zu sein, gelingt mir dann aber halt eher leider doch nicht so ganz.
Ich muss mir immer wieder vor Augen führen, dass es auf gar keinen Fall so schlecht war – eigentlich ist alles so weit im Rahmen. Spannend wird allerdings, wie ich es in den nächsten Wochen hinbekomme, meine Performance in die richtige Richtung zu lenken.
Luca Schwarzbauer
Fangen wir noch einmal etwas weiter vorne an: Nachdem klar war, dass die Saison besonders lang sein würde, bin ich deutlich ruhiger in die Rennsaison gestartet als in den vergangenen Jahren, sodass ich jetzt sicherlich noch nicht ganz am Ende meiner Vorbereitungsphase angelangt bin. Brasilien mussten wir dementsprechend als Teil der Vorbereitung integrieren, vielmehr habe ich die Rennen nun mitgenommen, ohne dies als ein richtiges Highlight zu setzen. Bis dato lief die Vorbereitung für mich aber sehr ordentlich: Vielleicht an der einen oder anderen Stelle nicht ganz perfekt rund, aber wirklich alles im Rahmen.
Ich hatte natürlich trotzdem die Hoffnung, dass es sehr gut läuft! Es hat sich aber leider recht schnell herausgestellt, dass das Niveau aktuell schon extrem hoch ist und dass im Spitzenfeld um „Leben und Tod“ gefahren wird. Der Grund dafür ist recht simpel: Für ganz viele Fahrerinnen und Fahrer, insbesondere die Französinnen und Franzosen und Schweizerinnen und Schweizer, steht der Kampf um die Olympiatickets aktuell über allem. Da beide Nationen lediglich zwei Startplätze zur Verfügung haben und weitaus mehr potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten für die jeweiligen Startplätze besitzen, ist der Kampf um jene Startplätze gerade besonders hart umkämpft.
Die Reise nach Brasilien verband ich schon frühzeitig im Kopf mit etwas Respekt, insbesondere im Kontext meiner Erfahrungen vor zwei Jahren beim Weltcupauftakt in Petrópolis. Damals habe ich mich absolut nicht wohlgefühlt und ganz schlechte Erfahrungen gesammelt: Mit einem eher indiskutablen 43. Platz im Cross-Country-Rennen im Gepäck ging es damals für mich wieder nach Deutschland zurück.
Hitze & Feuchtigkeit – die komplizierten Bedingungen in Brasilien
Angekommen in Mairiporã lief es auch erst mal überhaupt nicht nach Plan für mich: Gleich nach dem ersten größeren Trainingstag erwischte es mich trotz Sonnencreme und allen möglichen Schutzmaßnahmen, mit einem Sonnenstich beziehungsweise Hitzschlag. Ich hatte eine leicht erhöhte Körpertemperatur, leichtes Kopfweh und auch leichte Bauchverstimmungen. Dies hielt zum Glück aber nicht lange an und am Mittwoch vor dem ersten Weltcup in Mairiporã war ich dann wieder richtig fit auch eigentlich ganz zuversichtlicher Dinge, was den anstehenden Short Track betraf.
Gerade an dieser Stelle vielleicht noch ein Wort zu den Bedingungen vor Ort: Die Hitze bei den Rennen hier in Brasilien war heftig. Ich mag eigentlich trockene Hitze ganz gern, zumindest ist es für mich meist gut zu meistern. Aber was die Sache in Brasilien so besonders kompliziert macht, ist die sehr feuchte Hitze, was zu ganz anderen Bedingungen führt, wie man sie in Europa kennt. Davor hatte ich riesigen Respekt, insbesondere mit den Erfahrungen aus Petropolis vor zwei Jahren im Hinterkopf.
Der Weltcupauftakt in Mairiporã – starker Short Track, solides XC-Rennen
Los ging es also dann am Samstag mit dem Short Track, der für mich deutlich besser lief als zunächst befürchtet. Trotz Hitze und den ganzen komplizierten Umständen habe ich mich wirklich wohlgefühlt: Das Tempo war nicht allzu hoch, sodass ich zusammen mit Sam Gaze das Rennen etwas kontrollieren konnte. Uns beiden war klar, dass insbesondere die Fahrer des Specialized-Teams und des Cannondale-Teams taktisch gegen uns beide im Team agieren würden und so wollten wir denen als Canyon-Athleten etwas entgegensetzen. Und das haben wir dann auch durchgezogen: Ich habe mich wirklich gut gefühlt, konnte dann aber angesichts dieser „Teamtaktik“ mit Sam am Ende nicht vollständig im 1:1-Duell durchziehen. Das fällt mir einfach nicht so leicht plötzlich zu vergessen, dass man kurz zuvor noch „zusammengearbeitet“ hat.
Schlussendlich ist man in der letzten Runde eben kein Teamkollege oder „Freund“ mehr, sondern auf sich allein gestellt und sollte nach sich selbst schauen. Das ist mir vielleicht nicht so gelungen, wie ich es erhofft hätte. Schlussendlich haben wir aber ein super Resultat für Canyon hingelegt: Platz 1 und 2 beim ersten Weltcuprennen der Saison – das konnte sich sehen lassen!
Luca Schwarzbauer
Dann ging es ja direkt am nächsten Tag, am Sonntag, weiter mit der Cross-Country-Disziplin. Ich muss gestehen, dass ich mit der Umstellung des Zeitplans und der Verschiebung des Short Tracks von Freitag auf Samstag nicht ganz zufrieden bin. Ich persönlich fand die bisherige Freitag-Sonntag-Kombination sehr schön und denke auch, dass es im Sinne des Sports besser ist. Freitagabend konnte jeder einfach nach der Arbeit, nach dem Radeln oder wie auch immer, entspannt vor dem Fernseher ein kurzes und spannendes Mountainbike-Rennen anschauen. Das empfinde ich deutlich besser, als mit einem ohnehin mit Freizeitaktivitäten vollgestopften Samstag in Konkurrenz zu treten.
Auch für uns Fahrer ist das natürlich ein ganz anderes Gefühl nun bereits einen Tag nach dem Short Track direkt wieder ranzumüssen: Ich habe etwa selten zuvor schon unmittelbar nach dem Start des Rennens das hohe Tempo an der Spitze zu spüren bekommen und merke das sonst normalerweise erst etwas später. Vielleicht lag es auch etwas daran, dass der Renntag selbst besonders schwül war. Egal, was es nun war, für mich war klar: Ich schalte jetzt in meinen eigenen Modus, fahre hier so gut ich kann und mach das Beste daraus, dass ich mich nicht so ganz wohlfühle
Letztlich war ich am Ende sogar recht froh, den elften Rang einfahren zu können – mehr oder minder mit einem blauen Auge davongekommen also. Man sollte ja nie vergessen, wo ich eigentlich herkomme und nur weil ich letztes Jahr so erfolgsverwöhnt unterwegs war, bedeutet das keineswegs, dass ein elfter Rang im Weltcupgeschehen nicht ehrenwert ist. Rundum: Beschweren darf ich mich mit allen den Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit dem ersten Cross-Country-Rennen auf keinen Fall!
Weiter geht’s in Araxá – Magenprobleme machen das Leben schwer
Dann ging es weiter nach Araxá zum zweiten Rennen: Ich war zunächst wirklich positiver Dinge, weil dort ist es zwar noch mal zwei, drei Grad wärmer, aber es ist wesentlich weiter im Landesinneren und dadurch deutlich trockener. Und das gefällt mir ja – wie zuvor erwähnt – eigentlich wesentlich besser.
Wie der Teufel es wollte, sollten aber erneut die Umstände mir nicht wirklich in die Karten spielen: Zum ersten Mal seitdem ich mit dem Canyon CLLCTV unterwegs bin, kamen wir in einem Hotel unter und nicht in einem Appartement, was dafür sorgte, dass wir keine gute „Kontrolle“ über das Essen vor Ort hatten.
Auch wenn wir teilweise trotzdem selbst gekocht hatten, erwischte es mich ab Mittwochabend vor den Rennen mit Bauchbeschwerden und leichtem Durchfall. Eigentlich kein allzu großes Problem, aber ich glaube, dass ich in dieser Situation sehr viel Elektrolyte und Vitamine verlor und die gerade in der ungewohnten Situation wie in der Hitze von Brasilien vonnöten gewesen wären. Das war definitiv ein Downer, bevor es erst richtig losging!
Luca Schwarzbauer
Die fehlende Energie war dann auch ein wenig das Problem im Short Track-Rennen in Araxá: Am Ende des Rennens habe ich definitiv gemerkt, dass mir etwas die Spritzigkeit fehlt, der letzte Kick, um wieder ganz vorne anzugreifen. Einmal mehr bin ich mit einem blauen Auge davongekommen und fuhr einen soliden fünften Platz. Wenn ich lediglich auf die Rennsituation selbst blicke, ärgere ich ein bisschen, dass ich nur knapp an Rang drei vorbeigeschrammt bin. Die beiden Erstplatzierten Victor Koretzky und Christopher Blevins, waren definitiv stärker, aber Alan Hatherly und Jordan Sarrou hätte ich eventuell schlagen können.
Der Kurs in Araxá, sowohl des Short Tracks als auch in der Cross-Country-Disziplin, war ganz anders als in der Woche zuvor: Nicht ganz so schnell, mit einer sehr, sehr steilen Rampe und mit den meisten technischen Hindernissen, die es im Short Track-Weltcup überhaupt gibt oder gab. Ich glaube bis dato gab es keinen Short Track- und Cross-Country-Kurs mit so vielen Sprüngen, welche teilweise auch ganz schön groß waren. Zwei der Sprünge auf dem Cross-Country-Kurs waren meines Erachtens größer als alle Sprünge, die ich bisher auf Cross-Country-Bike gesprungen bin. Krass, wie sich der Sport in dieser Hinsicht in den letzten Jahren entwickelt hat und Hut ab vor all den Jungs und Mädels, die da beim Weltcup drüber sind.
Mein Plan für das Cross-Country-Rennen hatte ich mir mit dem Wissen eines sehr engen Flaschenhalses kurz nach dem Start frühzeitig zurechtgelegt: Möglichst schnell starten, um einem möglichen Stau zu entgehen und dann mit kontrolliertem Tempo schauen, wie sich die Rennsituation entwickelt. Genauso hat es dann auch geklappt, ich bin gut durch die Engstelle durchgekommen und direkt danach auch ein bisschen vom Gaspedal gegangen. Dann hat Matthias Flückiger an der Spitze gleich übernommen, hat auch ein ordentliches Tempo vorgelegt und ich habe dann die erste Runde gedacht, das läuft doch eigentlich hervorragend! Leider hat sich in der ersten Runde noch überhaupt keine Spitzengruppe abgesetzt und es waren noch recht viele Fahrer beisammen.
Dementsprechend ging es in der zweiten Runde noch einmal bisschen schneller zur Sache und da habe ich dann schon gemerkt, so nach 15-20 Minuten, dass ich dieses Tempo nicht durchhalten werden würde. Ich hatte natürlich auch im Hintergrund die Sorge, dass die wahrscheinlich viel zu schlechte Nahrungsaufnahme oder Nährstoffaufnahme aus der Woche zuvor mich beeinflussen würde und es am Ende des Rennens eng werden würde. Vielleicht wäre es also schlauer, mich eher auf Positionen sechs bis acht zu konzentrieren, dachte ich mir. Deshalb entschloss ich mich, Tschüss zur Spitzengruppe zu sagen!
Und tatsächlich war es dann so, dass mir in der dritten Runde die Kräfte komplett ausgingen und ich erste Krämpfe bekam. Es fühlte sich so an, als würde mir jemand regelrecht einen Stecker ziehen. Ab da war es ein echter Überlebenskampf für mich ins Ziel, ein wirklich fürchterlicher Überlebenskampf. Zum Glück verschonte mich mein Körper mit zu vielen Krämpfen und irgendwie habe ich mich dann auch ins Ziel gerettet. Rang 23 wurde es am Ende, was trotz alledem irgendwie immer noch akzeptabel ist. Ich meine, vor ein paar Jahren, wäre ich noch recht zufrieden mit einem derartigen Ergebnis gewesen. Gleichwohl wäre ich selbstverständlich viel lieber besser gefahren, aber ich glaube, dass ich das nun einfach akzeptieren muss, so wie es ist.
Nach eineinhalb Jahren war das nun das erste wirklich schlechte Rennen und selbst das war immer noch nicht unfassbar schlecht. So ist der Sport, das gehört wohl auch einmal dazu! Ich will nicht zu viel herumjammern, sondern vor allem nach vorne gucken.
Luca Schwarzbauer
Die Zukunft – Start der heißen Phase
Denn jetzt beginnt für mich eigentlich die heiße Phase. Jetzt geht es darum, in den nächsten Wochen und Monaten noch mal ganz konzentriert zu arbeiten. Ich habe natürlich die Olympischen Spiele im Blick, aber auch dann die Weltmeisterschaften in Andorra und die nächsten Weltcups in Nove Mesto, Val di Sole und Crans Montana.
Da wird man dann sehen, wie sich meine Form entwickelt. Aller Voraussicht nach werde ich die Europameisterschaft Anfang Mai in Rumänien auslassen und mich jetzt eher noch mal wirklich aufs Training fokussieren. Vor Nove Mesto plane ich eventuell noch ein Vorbereitungsrennen fahren, um ein paar mehr Weltranglistenpunkte zu sammeln.
Und bis dahin wünsche ich euch allen schnelle Beine und freue mich darauf, dann wieder von meinen Erlebnissen vom Weltcup berichten zu können.
Bis dann!
Euer Luca
Was sagt ihr zu Lucas Saisonauftakt in Brasilien?
Alle Blog-Beiträge von Luca:
- XC World Cup – Blog Luca Schwarzbauer: Wenn die Ansprüche wachsen – Rennbericht aus Nové Město
- XC World Cup – Blog Luca Schwarzbauer: Von Himmel hoch jauchzend zu Tode betrübt…
- XC World Cup – Blog Luca Schwarzbauer: Ein gutes Gefühl kann mehr wert sein als das Podium
- XC World Cup – Blog Luca Schwarzbauer: EM & Val di Sole – Herausforderungen des Rennkalenders
- XC WM – Blog Luca Schwarzbauer: Immer im Blick behalten, wo man herkommt
- XC World Cups Andorra & Les Gets – Blog von Luca Schwarzbauer: „Eine gemütliche Spazierfahrt ist das nie!“
- XC World Cup – Blog Luca Schwarzbauer: Ich hätte mir sowas niemals erträumt
- XC World Cup – Blog Luca Schwarzbauer: Hitze, Feuchtigkeit & Magenprobleme – Rennbericht aus Brasilien
- XC World Cup – Blog Luca Schwarzbauer: Falsche Entscheidungen, falscher Zeitpunkt – Rennbericht Nové Město
- XC World Cup – Blog Luca Schwarzbauer: Alles für Olympia – das „Licht am Ende des Tunnels“
- XC World Cup – Blog Luca Schwarzbauer: Finaler Endspurt – Lake Placid & Mont-Sainte-Anne
9 Kommentare