Let’s get it started – die Cross Country-World Cupsaison steht in den Startlöchern. Zum allerersten Mal in der Geschichte reist der Cross-Country-Tross nach Brasilien für ein World Cup-Rennen, genauer in das dortige Mountainbike-Mekka Petropolis, rund 70 Kilometer nordöstlich von Rio de Janeiro gelegen. Im Short Track und in der olympischen Cross-Country-Disziplin geht es dort also erstmalig in dieser Saison um wertvolle Punkte. Alle wichtigen Infos zum ersten World Cup-Rennen der Saison gibt’s in der ausführlichen Vorschau.
XC World Cup 2022 – Petropolis: Termine und Informationen
Das lange Warten hat ein Ende: Nach einem packenden Finale Ende September des vergangenen Jahres im amerikanischen Snowshoe gibt es endlich wieder Cross Country-World Cup-Action zu bestaunen. Dabei startet die Saison 2022 mit einem Novum: Erstmalig in der Geschichte des UCI Mountain Bike World Cup wird ein Wettkampf auf brasilianischem Boden durchgeführt. In Petropolis, der Heimatstadt des brasilianischen Top-Stars Henrique Avancini, wurde in den vergangenen Jahren stetig eine moderne Mountainbike-Infrastruktur mit vielen internationalen Wettkämpfen errichtet, die nun mit der Ausrichtung des Top-Rennens gekrönt wird. Neben dem inzwischen hohen Bekanntheitsgrad in Bezug auf die Mountainbike-Strecken vor Ort ist Petropolis zudem als touristischer Hotspot für Ausflügler aus dem nahen Rio de Janeiro und als Ursprungsort der zwei größten brasilianischen Biermarken bekannt.
Die Mountainbike-Begeisterung in Petropolis und ganz Brasilien kennt kaum Grenzen: Insbesondere Top-Star Henrique Avancini ist vor Ort ein gefeierter Superheld, der auf einer Ebene mit den weltweit bekannten Fußball-Profis aus Brasilien steht. Ein volles Haus mit vielen frenetischen Fans am Streckenrand ist also garantiert, wenn die Cross-Country-Stars am kommenden Woche nach den Punkten greifen werden.
Über die Rennstrecke vor Ort ist bisher bekannt, dass sie über 4,5 Kilometer und rund 200 Höhenmeter führen wird. Der Untergrund in Brasilien ist eher lehmig und dadurch insbesondere bei Regenfällen besonders tückisch. Sollte der Himmel in den kommenden Tagen also seine Schleusen öffnen – was aufgrund des tropischen Klimas gut möglich ist – dürfte es zu einer rutschigen und klebrigen Angelegenheit bei den anstehenden Wettbewerben werden. Die Strecke selbst gilt als äußerst physisch, mit vielen steilen, aber etwas kürzeren Anstiegen und vielen fahrtechnischen Herausforderungen, die mehr Sprünge und Drops beinhaltet, als wir es hier von Strecken aus Europa kennen.
Zeitplan
Freitag, 08.04.2022
- 21:30 Uhr (MESZ): Short Track, Frauen
- 22:15 Uhr (MESZ): Short Track, Herren
Samstag, 09.04.2022
- 20:00 Uhr (MESZ): Cross-Country, U23-Herren
- 21:30 Uhr (MESZ): Cross-Country, U23-Frauen
Sonntag, 10.04.2022
- 16:20 Uhr (MESZ): Cross-Country, Frauen
- 19:35 Uhr (MESZ): Cross-Country, Herren
Die Favoritinnen und Favoriten für das Podium
Short Track
Auch im fünften Jahr in Folge wird die Short Track-Disziplin Teil des Cross-Country-Wettbewerbs sein: Das kurze, rund 20-minütige Rennformat hat sich in den vergangenen Jahren sowohl bei den Fahrer*innen als auch bei den Fans fest etabliert und wird besonders im Zusammenhang mit den vielen Erfolgen des Brasilianers Henrique Avancini sicherlich für eine außergewöhnliche Stimmung in Petropolis sorgen.
Im Vergleich zu den Vorjahren hat der Radsportweltverband UCI Änderungen in Bezug auf die Punktevergabe für die Gesamtwertung der Rennserie vorgenommen, die mit großer Sicherheit Einfluss auf die Rennverläufe nehmen werden: Denn ab dieser Rennsaison werden deutlich weniger Punkte für die Cross-Country-Gesamtwertung vergeben und somit die Bedeutung des Short Tracks in dieser Hinsicht gemindert. Ein Sieg im Short Track wird nunmehr mit 80 Punkten vergütet, bisher wurden dafür 125 Punkte vergeben. Im Vergleich dazu: Ein Sieg in der Cross-Country-Disziplin bringt 250 Punkte. Im Zuge dessen wird es jedoch ab dieser Saison auch eine eigene Short Track-Wertung geben, die unabhängig von der Cross-Country-Rangliste geführt wird. Die genauen Auswirkungen auf ein mögliches, taktisches Schonen der Kräfte einiger Stars im Short Track oder auf eine verstärkte Fokussierung anderer Fahrer*innen auf die Short Track-Disziplin sind bisher nicht abzusehen, umso spannender wird also der Auftakt zu beobachten sein.
In Bezug auf die Favoritinnen und Favoriten vor dem ersten Short Track-Event fällt eine Einordnung vor den ersten Rennen der Saison besonders schwer: Im Feld der Herren fehlen die Allround-Talente Mathieu van der Poel und Tom Pidcock aufgrund ihres parallelen Einsatzes bei den Frühjahrsklassikern auf der Straße, auch die ebenfalls inzwischen vermehrt auf dem Straßenrad fahrenden Victor Koretzky und Milan Vader werden nicht in Petropolis am Start stehen. Abgesehen von diesen Fahrern sind jedoch alle Anwärter auf einen potenziellen Erfolg in Petropolis dabei: Ein besonderes Augenmerk liegt dabei vor allem auf Henrique Avancini, der vor heimischem Publikum mit zusätzlicher Motivation starten wird. Bei einem Vorbereitungsrennen auf dem Renngelände von Petropolis konnte der Schweizer Thomas Litscher das damalige Short Track-Rennen für sich entscheiden, auch der Short Track-Weltmeister Christopher Blevins könnte am Freitag ganz oben stehen.
Bei den Damen jubelte am vergangenen Freitag beim ersten Testlauf im Petropolis die Amerikanerin Kate Courtney, die nach zwei eher schwächeren Vorjahren in diesem Jahr wieder ganz vorne anzugreifen scheint. Bereits vor einigen Wochen konnte sie bei einem Vorbereitungsrennen in Puerto Rico vor namhafter Konkurrenz sowohl ein Short Track-Rennen als auch die folgende Cross-Country-Konkurrenz für sich entscheiden. Sonst gilt es im Short Track die üblichen Verdächtigen im Damenfeld zu beachten: Die Cross-Country-Weltmeisterin Evie Richards, ihre Trek Factory-Teamkollegin Jolanda Neff, die Short Track-Weltmeisterin Sina Frei oder die Australierin Rebecca McConnell sind nur einige der Namen, die sich in die Short Track-Siegerliste eintragen könnten.
Die einzige deutsche Fahrerin vor Ort ist Nadine Rieder: Die deutsche Marathon-Meisterin konnte in der vergangenen Saison beim Finale in Snowshoe mit einem achten Platz aufhorchen lassen und möchte sicherlich dort anknüpfen.
Damen
Während die Vorzeichen vor dem ersten richtigen Short Track-Rennen der Rennsaison noch sehr unklar sind, bieten die bisherigen Vorbereitungsrennen in der Cross-Country-Disziplin deutlich bessere Anhaltspunkte für die zu erwartenden Kräfteverhältnisse im Damenfeld: Die genannten Kandidatinnen für einen Erfolg im Short Track stehen nicht ohne Grund auch im Cross-Country-Rennen bei den Buchmachern hoch im Kurs: Die Weltmeisterin Evie Richards präsentierte sich bereits in starker Frühform und fuhr beim hochkarätig besetzten HC-Rennen in Banyoles zum Sieg, Jolanda Neff jubelte beim unmittelbaren Test in Petropolis am vergangenen Sonntag mit einem sagenhaften Vorsprung von sechs Minuten.
Sina Frei und Rebecca McConnell sind beides ebenfalls Fahrerinnen, die bereits eine gute Frühform unter Beweise stellen konnten, genauso wie Freis Teamkollegin Laura Stigger, die Olympiadritte Linda Indergand oder Pauline Ferrand-Prévot, die frisch vom Cape Epic anreist.
Ein besonderes Augenmerk dürfte zudem auf zwei jungen Fahrerinnen liegen, die den etablierten Kräften in der vergangenen Saison bereits das Fürchten lehren konnten: Die Rede ist zum einen von Loana Lecomte, der Gesamt-World Cup-Siegerin und zum anderen von Mona Mitterwallner, der U23- und Elite-Marathon-Weltmeisterin. Besonders zu Beginn der vergangenen Saison war Loana Lecomte die bestimmende Fahrerin und fuhr bei den ersten vier WC-Rennen zum Sieg. Danach konnte Lecomte nicht mehr ganz an ihre starke Frühjahrsform anknüpfen, was jedoch keineswegs bedeutet, dass die junge Französin in diesem Jahr nicht wieder zu den Top-Favoritinnen zählt: Trotz eines Schlüsselbeinbruchs zu Beginn dieses Jahres scheint Lecomte bereits jetzt wieder in Top-Form zu sein, vor wenigen Wochen triumphierte sie souverän beim Auftaktrennen der französischen Coupe de France-Serie in Marseille.
Auch Mona Mitterwallner besticht durch eine starke Frühform und dürfte bereits bei ihrem ersten Einsatz in der Elite-Kategorie in Petropolis eine wichtige Rolle spielen: Beim Sunshine Race in Nals fuhr die Österreicherin am vergangenen Wochenende mit großem Vorsprung zum Sieg und wird zudem ohne großen Ballast bei den „Großen“ in der Eliteklasse antreten. Dass die gerade einmal 20-Jährige in der Lage ist, mit den Top-Stars mitzuhalten, hat sie in der vergangenen Saison unter anderem mit ihrem Erfolg bei den Marathon-Weltmeisterschaften unter Beweis stellen können.
Herren
Nicht weniger Spannung erwartet uns in der Konkurrenz der Elite Herren: Bis auf die Radsport-Multitalente van der Poel und Pidcock stehen alle Top-Fahrer der jüngeren Vergangenheit an der Startlinie und sind vor dem Auftakt-Rennen hoch motiviert: Weltmeister Nino Schurter reist wie sein eidgenössischer Teamkollege und amtierender Europameister Lars Forster frisch vom Cape Epic an, wo beide jedoch Defekt-bedingt hinter ihren Erwartungen zurückblieben. In sein allererstes Rennen der Saison startet indes ihr Landsmann Mathias Flückiger: Der Gesamt-World Cup-Sieger des Vorjahres verzichtete auf jegliche Vorbereitungsrennen und möchte im Anbetracht einer langen Rennsaison nicht zu früh Körner liegen lassen.
Die Favoritenrolle nehmen dementsprechend voraussichtlich andere Fahrer ein: In den Vorbereitungsrennen konnten sich etwa der Franzose Titouan Carod und der Schweizer Filippo Colombo besonders in Szene setzen. Auch der Rumäne Vlad Dascalu, Viertplatzierter der letztjährigen Weltmeisterschaften, fuhr bereits mehrfach in dieser Saison auf das Podium bei hochkarätig besetzten Rennen. Unter anderem auch beim unmittelbaren Vorbereitungsrennen in Petropolis am vergangenen Wochenende, als er Rang zwei belegte.
Gespannt darf man zudem auch auf den Auftritt von Lokalheld Avancini sein, der mit besonders großer Motivation am Start stehen dürfte. Unterschiedliche Faktoren wie die Streckenkenntnis auf seiner Hausstrecke und die Unterstützung der vielen brasilianischen Fans dürften zusätzliche Pluspunkte für Avancini entsprechen – wie es jedoch um den Formzustand des Brasilianers steht ist noch ungewiss, da er bis dato lediglich bei lokalen Rennen in dieser Saison in Erscheinung trat.
Die deutschen Fahnen werden insbesondere vom deutschen Marathon-Meister Luca Schwarzbauer hochgehalten: Der Schwabe unterstrich zum Ende der vergangenen Saison mit wiederholten Top-Ten-Plätzen sein hohes Potenzial und möchte auch in dieser Saison in diesen Bereichen wieder angreifen. Ungeachtet dessen könnte Julian Schelb für eine Überraschung sorgen: Der ehemalige Medaillengewinner bei U23-Weltmeisterschaften präsentierte sich bei den Vorbereitungsrennen am vergangenen Wochenende in Petropolis in Top-Form und belegte im Short Track-Wettbewerb Rang zwei und im folgenden Cross-Country-Rennen Position neun.
U23
Etwas überraschend sicherte sich der U23-Weltmeister Martin Vidaurre vom deutschen Team Lexware am vergangenen Wochenende den Sieg beim Testrennen in Petropolis – in der Elite-Kategorie, wohlgemerkt. Damit hievt sich Vidaurre automatisch in die klare Favoritenrolle in der U23-Klasse der Herren, auch wenn die Konkurrenz nicht unterschätzt werden sollte: Allen voran der Amerikaner Riley Amos, der im vergangenen Jahr in seiner ersten Saison in der U23-Klasse besonders überraschen konnte und im Zuge dessen vom Trek Factory Racing Team verpflichtet wurde. Weitere Sieganwärter sind der Italiener Simone Avondetto und der Kanadier Carter Woods.
Im Feld der U23-Damen entsteht mit dem freiwilligen Aufstieg in die Eliteklasse des Supertalents Mona Mitterwallner und dem altersbedingten Aufstieg der Dänin Caroline Bohé eine Lücke, bei der aktuell noch sehr unklar ist, wer sie füllen wird. Insofern darf man beim U23-Rennen der Damen besonders gespannt sein, wer am Ende ganz oben auf dem Treppchen stehen wird – wenngleich es zu beachten gilt, dass in der Nachwuchsklasse vor allem viele europäische Fahrerinnen aufgrund der hohen Reisekosten nicht am Start stehen werden.
Was denkt ihr? Wer kann sich beim World Cup-Auftakt ins Rampenlicht fahren?
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