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Zeitreise in Willingen
Vom Hausberg zum Bikepark

Das Bike-Festival Willingen gehört zur MTB-Geschichte Deutschlands wie der Papst in die Kirche. Aber warum spielt gerade der Papst in Willingen so eine große Rolle? Steffi Marth und Amir Kabbani haben es vor Ort für euch herausgefunden und gingen dafür auf eine mehr als 20-jährige Zeitreise über die Willinger Trails. Lest selbst, wie es ihnen im Hochsauerland erging und was am Ende beim Blick in die Kristallkugel herausgekommen ist.

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Die aktuellen Downhill-Weltmeister gehen noch in den Kindergarten, als Volker Schröder, besser bekannt als der Bike-Papst von Willingen, seine visionären Ideen Im Jahr 1996 unaufhaltsam in die Tat umsetzt. Heute sitzt er mit Amir und mir in der „SeilBar“ am Ettelsberg-Lift und während uns jeweils ein kühles Blondes die Kehle hinuntersprudelt, sprudelt auch Volkers Mund lebhafte Willinger Bike-Geschichten. Wir hören gespannt zu.

# Steffi Marth und Amir Kabbani
Diashow: Steffi Marth in Willingen: Zu nah um wahr zu sein
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# Volker Schröder, der Bike-Papst von Willingen, erzählt Anekdoten von früher

Durch ein Bundesliga-Rennen des Grundig Mountainbike Cups rückt Willingen zum ersten Mal auf den nationalen Bike-Radar. Wenig später stellt man vor Ort fest, dass mit einem Profi-Rennen nicht unbedingt mehr Bike-Touristen in die Region geholt werden können und reagiert. 1998 findet die Premiere des Willinger Openair-Festivals in enger Zusammenarbeit mit der Zeitschrift BIKE statt: Das Willinger BIKE Festival war geboren.

Neben der Expo gab es aus sportlicher Sicht zunächst nur ein Hobby-Rennen, aber schon im darauffolgenden Jahr schwappte die Marathonwelle auf Willingen über. Das erste Langstrecken-Rennen lockte um die 2000 internationale, motivierte und tretgierige Biker ins Hochsauerland, um sich den ersten Willinger Marathon-Titel zu greifen. Ein Südafrikaner namens Mannie Heyman schnappte sich ihn letztendlich und schrieb damit Willinger Bike-Geschichte. Die Kombination aus Amateuren und Profis sowie Weltcup und Volkssport war derzeit weltweit einmalig. Heute besuchen das Bike Festival jährlich zirka 36.000 Menschen, dass sich damit zum größten Event seiner Art entwickelt hat.

# Willingen-1869

Um auch für die abfahrtsfreudige Mountainbike-Gemeinde einen Anreiz zu schaffen, geisterte Volker Schröder die Idee einer abschüssigen Strecke mit Anliegerkurven und Sprüngen durch den Kopf. Ein weiteres Mal wurde aus Vision ruckzuck Wirklichkeit gemacht und die Bagger rollten in Willingen ein. Diddi Schneider zimmerte eine Freeride-Strecke in den Nordhang des Ettelsbergs, welche damals deutschlandweit ihresgleichen suchte. Lediglich im fernen Todtnau gab es schon so eine verrückte Bikepark-Strecke. Die deutsche Mountainbikegeschichte kommt wahrhaftig richtig ins Rollen.

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In den Jahren 2005 und 2006 konnte der kleine Tourismus-Ort im Hochsauerland sogar den Triple Weltcup mit XC, Fourcross und Downhill an den Hausberg holen und markierte Deutschland damals nachhaltig auf der Mountainbike-Weltkarte. Wenn man heute unter den verbliebenen Weltcup-Downhillern der älteren Jahrgänge die spektakuläre Zwei-Minuten Strecke von Willingen anspricht, leuchten noch immer die Augen und sprudeln lebhafte Erzählungen von großen Triumphen und schmerzhaften Bodenproben. Seit dem Willinger Weltcup ist es zumindest im Downhill-Bereich ruhig um Deutschland geworden und auch aus Willingen selbst hört man neben dem Bike Festival wenig vom Zweiradgeschehen rund um Willingen.

Amir Kabbani ist einer der erfolgreichsten und bekanntesten Mountainbike-Exporte aus Deutschland und hat als Freeride- und Dirtprofi die Welt auf zwei Rädern bereist. Wir waren in unserer Karriere regelmäßig beim Bike Festival in Willingen. Als Allround-Mountainbiker haben Amir und ich mal abseits vom großen Trubel die Gegend im Upland/ Hochsauerland erkundet, die Trails genau unter die Lupe genommen und die Potentiale überprüft. Wir kommen beide nicht aus den Bergen und sind es daher gewohnt, weit zu reisen für unseren Fahrspaß. Das Sauerland liegt für viele Deutsche recht nah: aus Frankfurt, Hannover und dem Ruhrgebiet braucht man jeweils um die zweieinhalb Stunden.

# Von vielen Orten in Deutschland ist Willingen recht fix zu erreichen, zudem existiert ein Trailnetz, das es in sich hat - Willingen bietet sich also hervorragend für Bikeurlaube an

Wir wohnen im Hotel Hochheide, eines der Willinger Betriebe, welche sich in den letzten Jahren auf Mountainbiker spezialisiert haben. Die Infrastruktur des Hotels lässt für Biker keine Wünsche offen. Der Gastgeber Michael Behle ist selbst begeisterter Biker und hat neben Volker und einer Handvoll Einheimischer das Mountainbiken in Willingen von Anfang an vorangetrieben. Er erklärt uns, dass sich der gesamte Sektor des Tourenbikens in den letzten Jahren prächtig entwickelt hat. Viele glauben ja, hier wäre nur zum Bike Festival etwas los, aber tatsächlich sehen Amir und ich auf jedem Trail und in den Restaurants und Bars viele andere Biker – obwohl es mitten in der Woche ist.

# Michael Behle - die gesamte touristische Infrastruktur Willingens zielt u. a. auf Mountainbiker ab
# Willingen-675
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Am Wochenende geht in Willingen regelmäßig die Post ab, vor allem beim Abendprogramm in den Tanzlokalen. Aber da wir Mountainbiker ja auch nicht gerade Kinder von Traurigkeit sind, kann das durchaus zum Spaßfaktor werden. Wir tauschen lebhaft unsere alten Brauhaus-Geschichten aus, verzichten aber diesmal auf die Party – schließlich ist ja nicht Wochenende und wir wollen viel von den für uns noch unbekannten lokalen Mountainbike-Wegen sehen.

Das Willinger Trailnetz ist Teil der Bike Arena Sauerland, welche ein Wegenetz von insgesamt 1700 km und 30 Touren beinhaltet. Amir und ich fahren die Hausrunde um den Ettelsberg und durch die Hochheide ab. Angenehme Steigungen auf Forstwegen bringen uns über einige herausfordernden Wurzelpassagen auf den höchsten Punkt von NRW, dem Langenberg. Von hier aus geht es weiter zum Clemensberg, von dem wir die Aussicht über das Sauerland genießen können.

# Insgesamt sind 1700 Kilometer Wegenetz ausgeschildert
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Durch die Hochheide rollen wir geschmeidig bergab und pedalieren wieder bergauf zum Ettelsberg mit seinem ikonischen Antennenturm und was danach kommt, kennt so ziemlich jeder Biker in Deutschland: die flowige Freeride-Strecke hinunter zur Talstation des Lifts. Im Liftgebäude betreibt ein weiteres fleißiges Mitglied der Willinger Bikebande, Jörg Stremme, seine Bikestation „Snow & Bike Factory“. Ein großer Bikeladen, mit einer riesigen Flotte Leihbikes, Klamotten und einer Werkstatt. Er führt uns am darauffolgenden Tag in eine ganz neue Zone, die ich vorher noch gar nicht kannte: Rund um den Pön im Nachbarort Usseln finden wir wunderbare Trails mit Panoramablick. Von dort geht es über das Biathlon-Stadion auf den Orenberg mit seinem Gipfelkreuz über Willingen. Es ist beeindruckend, Willingen mal von einer anderen Perspektive mit dem Ettelsberg im Hintergrund zu sehen.

# Wer Hilfe benötigt, wird bei Jörg Stremme fündig

Der Trail vom Orenberg ist recht technisch, teilweise steil mit engen Kurven. Wir lassen das bunte Laub ordentlich fliegen, um wie beim Skifahren den Berg hinunterzuwedeln. Unsere kleine Einkehr in der Graf Stolberg-Hütte entwickelt sich zu einem kulinarischen Fest in sehr angenehmer Atmosphäre. Allgemein merken wir, dass uns eigentlich etwas zu fehlen scheint, was wir aber nicht wirklich vermissen: Böse Blicke von Wanderern und Waldbesitzern. Man scheint die Biker hier in der Region einstimmig zu mögen. Das ist mal echt erfrischend. Das Sauerländer-Bier natürlich auch.

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Fairerweise muss man zugeben, dass es für die mehr abfahrtsorientierten Biker wie Amir und mich in Willingen neben der Freeride- und der Downhillstrecke nicht viel Auswahl gibt. In der näheren Umgebung kann man jedoch mit dem Bikepark Winterberg und dem Trailground Brilon einige Abwechslung mit einbauen. Willingen wäre aber nicht der Vorreiter von früher, wenn er nicht auch vor einiger Zeit ein neues Projekt geplant hätte: Die neuen Strecken des Projektes „Neuer Sessellift -K1-am Köhlerhagen mit drei neuen Mountainbike-Strecken“ sind seit Mitte April 2019 befahrbar, auch der neue Sessellift K1 läuft. Durch das schöne Wetter sind schon viele hundert Biker auf den neuen Strecken unterwegs gewesen.

# Gut gebaute Strecken laden zum Spielen ein
# Steffi fährt voraus und gibt Amir das richtige Tempo vor ...
# ... dieser fliegt zwar fürchterlich schräg durch die Luft, landet aber glücklicherweise dennoch auf beiden Reifen
# Abseits des Bikeparks kommen eher die Tourenfahrer auf ihre Kosten

Alles in allem ist Willingen und das gesamte Sauerland nach wie vor auch abseits der Events – oder gerade in ruhigeren Zeiten – eine Bike-Reise wert. Wir kommen bald wieder. Happy Trails!

# Hier lässt es sich auf jeden Fall gut aushalten
# Zum Wohl – wir kommen wieder!

Information: MTB-News.de steht in keiner Weise in finanzieller Verbindung zu Verfasser, Fotograf oder Organisator des Berichts. Der Bericht wurde uns von Nathan Hughes und Steffi Marth kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Fotos: Nathan Hughes | Text: Steffi Marth
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