Vittoria Mota und Barzo im Test: Schaut man sich im Bikepark oder auf dem Trail die Räder der Mitfahrer genauer an, sieht man meistens die immer gleichen Reifen von bewährten Marken, die wir durchaus auch hier in der Redaktion schätzen. Glaubt man so manchem Pro-Fahrer, haben aber diverse weniger bekannte Hersteller auch sehr leistungsfähige Pneus im Angebot – oft sogar zu vergleichbar günstigen Preisen. Wendet man den Blick von Schwalbe und Maxxis ab, kommt man an Vittoria nicht vorbei. Wir haben eine Kombination aus dem Mota, für den All Mountain-Bereich und dem Barzo, der für technische XC-Kurse geeignet sein soll, ausprobiert: Kann der italienische Hersteller den großen Marken das Gummi reichen?
Vittoria Mota und Barzo – Infos & Preise
Der Vittoria Mota soll bestens geeignet für eher tiefe Böden sein und ein angenehm berechenbares Kurvenverhalten bieten. Daneben ist der Barzo für einen XC-Reifen fast schon zu stark profiliert – er soll aber dennoch sehr gute Werte im Rollwiderstand bieten, ohne den Seitenhalt zu vernachlässigen.
- Karkasse TNT, Falt, Draht
- Laufradgröße 20″, 24″, 26″, 27,5″, 29″
- Reifenbreite 1,9″ bis 2,6″
- Gummimischung 4C G+
Preis Vittoria Mota: 59,95 € (UVP) | Bikemarkt: Vittoria Mota kaufen
Preis Vittoria Barzo: 48,95 € (UVP) | Bikemarkt: Vittoria Barzo kaufen
Technische Daten – Vittoria Mota
Laufraddurchmesser | Reifenbreite |
---|---|
26" | 2,35" 2,5" |
27,5" | 2,35" 2,5" |
29" | 2,35" |
Technische Daten – Vittoria Barzo
Laufraddurchmesser | Reifenbreite |
---|---|
20" | 1,9" |
24" | 1,9" |
26" | 2,1" 2,25" |
27,5" | 2,1" 2,25" 2,35" 2,6" |
29" | 2,1" 2,25" 2,35" |
Im Detail
In der Hand wirkt der Vittoria Mota zunächst sehr mächtig. Hauptsächlich liegt das an den großen Stollen, welche eine ordentliche Grundfläche abdecken und dennoch viel Platz in den Zwischenräumen bieten. Das vermittelt einen breiten und brachialen Eindruck – wie gesagt: zunächst. Nach der Montage ergibt sich nämlich ein anderes Bild: „Ganz schön schmal sieht der aus.” Tatsächlich formt sich der Reifen auf einer Newmen-Felge mit 30 mm Innenweite eher eckig aus. In Summe wirkt der bei 29″ maximal in 2,35″ Breite angebotene Reifen etwas schmächtig in seinem Volumen. Eine passendere Paarung beispielsweise die von uns ebenfalls im Test zum Einsatz gekommene Stans Crest MK3-Felge mit einer Innenbreite von 23 mm.
Am Vittoria Barzo tritt dasselbe Phänomen auf – nur umgekehrt. Er wirkt zunächst eher schmal. Sitzt der Reifen aber auf der Felge, zeigt sich sein großes Volumen. Auf 23 mm Innenweite baut der Reifen 58 mm breit. Der Mota kommt hier auf 60 mm, gemessen an den Außenkanten der Stollen.
Vittoria verwendet bei beiden Reifen auf die sogenannte TNT-Karkasse – eine Abkürzung für Tube/No Tube. Reifen mit dieser Karkasse sollen ohne Probleme schlauchlos oder mit Schlauch gefahren werden können. Bei der Karkasse setzen die Italiener auf eine leichte 120 TPI-Version. Dabei werden im Vergleich zu Karkassen mit niedrigerer TPI-Zahl dünnere Fäden verwendet, die flexibler sind und den Rollwiderstand senken. Gleichzeitig sinkt aber die Eigendämpfung des Reifens. Um Eigendämpfung und Haltbarkeit zu erhöhen, wird deshalb ein Seitenwand-Schutz verwendet. Vittoria bietet je nach Einsatzbereich eine spezielle Version basierend auf der TNT-Karkasse an.
Die TNT-XC und CX-Karkassen kommen ohne weiteren Schutz, TNT-AM setzt auf eine weitere APF (Anti-Pinch-Flat) Einlage, die direkt über dem Wulst liegt. Zwei Karkassen-Lagen, einen Draht-Wulst und eine Anti-Pinch-Flat-Einlage bietet die stabile TNT-DH-Karkasse. Unser Mota-Testreifen verfügt über die AM-Karkasse, der Barzo kommt hingegen dem angedachten Einsatzgebiet entsprechend mit TNT-CX-Karkasse.
Mit dem Mota verspricht Vittoria einen guten Begleiter für weiche Böden. Das offene Profil mit den großen Stollen zeigt hier wo es lang geht. An dein Seitenstollen finden sich kleine Kerben in Fahrtrichtung und auf den Laufstollen in orthogonaler Richtung. Seitenhalt und Bremstraktion sollen so verbessert werden. Durch den im Vergleich zu anderen Reifen eher höhere Stollenabstand und die großflächigen Stollen wirkt der Mota fast wie ein geschnittener Matschreifen.
Am Barzo geht es sehr viel niedriger zu. Das asymmetrische Profil mit flachen Mittelstollen und etwas höheren Seitenstollen erinnert etwas an einen Semislick-Reifen. Im Vergleich zum Schwalbe Rock Razor und dem Maxxis Minion SS fällt der Barzo aber runder aus.
Wir haben den Vittoria Mota als 29″ x 2,35″ Version mit 1.020 g und den Vittoria Barzo als 29″ x 2,35″ Version mit 711 g getestet.
Bei der Montage der Reifen ergaben sich auf diversen Felgen keine Probleme. Die Reifen springen auf Flow und Crest MK3, Newmen SL A.30, SunRingle Duroc, Race Face ARC und Fun Works-Felgen ohne Schwierigkeiten auf. Auch die Tubeless-Montage stellte uns vor keine Herausforderungen. Besonders erfreulich ist, wie sicher die Reifen die Luft halten. Egal auf welcher Felge und auch über längere Zeiträume hinweg ist bei einer Tubeless-Montage selten ein Nachpumpen notwendig.
Auf dem Trail
Denken wir an staubtrockene Sommerstrecken: Hier sorgt der Mota an der Front auf Felgen mit zirka 30 mm Innenweite für spannende Situationen. Eine 2,35″-Breite verlangt hier eher nach einer nicht gar so breiten Abstützung des Pneus. Eine schmalere Felge hilft, die Stollen bei Kurvenfahrten etwas besser belasten zu können. Im direkten Vergleich mit den immer populäreren Wide Trail-Reifen mit zahlreichen und dichten Reihen an den Seitenstollen fehlt dem Vittoria Mota an Schnittstelle zwischen Reifen und Boden. Wer bei harten und trockenen Strecken in Kurven gerne die Grenzen auslotet, muss etwas mit schiebenden Reifen rechnen. Wohler fühlt sich der Mota mit seinem offenen Profil im von Vittoria angepeilten Einsatzbereich: auf frischeren Strecken und natürlichem Untergrund. Dieser darf gerne etwas lockerer sein. Dann lässt sich auch mit dem Mota immer eine saubere Linie ziehen.
Mit dem Barzo erlebt man dann immer wieder eine Überraschung. Auf trockenen Strecken läuft er dem Mota den Rang ab, aber auch im lockeren Boden schlägt er sich gemessen an seinem niedrigen Profil immer noch passabel. Gelegentliche Ausflüge in solche Gefilde nimmt er einem also nicht übel. Einzig bei der Bremstraktion sollte man sich besser etwas mehr auf das Vorderrad verlassen.
Gemessen am Gewicht fallen Pannenschutz und Dämpfung sehr gut aus – besonders am nur 711 g schweren Vittoria Barzo.
Von der Dämpfung darf man beim Mota – einem Reifen um die 1.000 Gramm-Marke – natürlich keine Offenbarungen erwarten. Gleiches gilt für den knapp über 700 Gramm leichten Barzo. Dennoch fallen Pannenschutz und Dämpfung in Anbetracht des Gewichts gut aus. Wichtig dabei ist lediglich, dass man sich nicht dazu hinreißen lässt, den Reifen aus Angst vor einem Durchschlag zu hart aufzupumpen. Dann wird es etwas sprunghaft. Drücke unter 2 Bar stecken beide Modelle gut weg und man gewinnt deutlich an Grip und Fahrkomfort.
Was die Selbstreinigung angeht lassen es die engen Zwischenräume vermuten: weder Vittoria Mota noch Barzo zeigen sich mitnahmebereit, was Waldboden oder Matsch angeht. Bei einer guten Grundgeschwindigkeit fliegt selbst klebriger Boden sehr schnell aus dem Profil. Dadurch ermöglicht der Reifen auch bei vergleichsweise niedriger Stollenhöhe eine immer noch angenehme Traktion, wenn es mal wirklich schmierig werden sollte.
Vom Stollenprofil gibt es sicherlich sehr viel aggressivere Reifen, aber dennoch muss die Menge an Gummi nicht allein ausschlaggebend für den Rollwiederstand eines Reifens sein. Eine identische Bereifung an Front und Heck mit dem Vittoria Mota überraschte bereits mit wirklich flinker Beschleunigung und leicht zu haltender Geschwindigkeit, auch bei unstetem Untergrund. Mit dem Wechsel auf den Barzo am Heck taten sich nochmals neue Dimensionen auf. Die Kombination aus niedrigen Stollen auf der Lauffläche, aber mehr noch die Karkasse der Reifen, lassen den Barzo extrem gut rollen. Auf dem Trailbike ist das ein absoluter Genuss!
Eine besondere Haltbarkeitsprobe musste der Vittoria Barzo unverhofft über sich ergehen lassen. Nach einem Defekt am Downhill-Bike wurde das Enduro für die verbleibenden Abfahrten auf der Downhill- und Freeride-Strecke am Geisskopf verwendet. Am Hinterrad war wegen der Tour am Vortag der Barzo montiert. Bei 2,2 bar im Hinterrad konnte der Reifen eine durchaus passable Leistung abliefern. Seitliche Traktionsprobleme ergaben sich nur in nassen Sektionen, ansonsten hielt das Hinterrad gut die Spur. Überraschend war auch: keine Probleme mit Luftverlust, trotz Durchschlägen auf die Felge und keinerlei Materialschonung. Am Ende des Tages saß der Barzo nach wie vor solide und gerade auf der misshandelten und verdellten Felge. Auch ansonsten zeigen sich die Vittoria-Reifen im Test eher unbeeindruckt von Fahrer, Fahrstil, Luftdruck sowie Linie und machen alles ohne Defekt mit. Selbst geringe Drücke stecken die Reifen erstaunlich gut weg und der Verschleiß hielt sich in Grenzen.
Fazit – Vittoria Mota und Barzo
Im Enduro-Bereich wildert Vittoria mit Mota und Barzo noch nicht ganz – aber ein Fahrer mit guter Kurventechnik kann auch hier schon gute Abfahrtszeiten erreichen. Im Trailsegment fühlen sich beide Reifen sehr wohl und punkten mit einem hervorragenden, niedrigen Rollwiederstand und einer erstaunlichen Pannensicherheit. Vor allem der Vittoria Barzo ist für deutsche Mittelgebirgs-Trails ein echter Geheimtipp, wenn es ein schneller Reifen fürs Heck sein soll.
Pro / Contra
Stärken
- Vittoria Mota auf losen, tiefen Böden
- Vittoria Barzo auf harten, schnellen Strecken
- Pannenschutz
- niedriger Rollwiderstand
Schwächen
- Vittoria Mota auf harten Böden
- Vittoria Barzo geizt etwas mit Bremswirkung
Testablauf
Wir haben einen Satz Mota und einen einzelnen Barzo im stetigen Wechsel zwischen Fahrern, Felgen und Strecken über ein Jahr lang getestet. Die Bikes wurden teilweise mit Mota an Front und Heck oder Mit dem Barzo am Hinterrad gefahren.
Hier haben wir die Vittoria Mota und Barzo getestet
- Bikepark Geisskopf: Sandige Böden bis ruppige, steinige Strecken
- Sonstiges Testgelände: Steil, steinig, lockere Böden
Jens Staudt
- Testername: Jens Staudt
- Körpergröße: 190 cm
- Gewicht (fahrfertig): 95 kg
- Schrittlänge: 91 cm
- Armlänge: 61 cm
- Oberkörperlänge: 56 cm
- Fahrstil: Schnellste Linie, auch wenn es mal ruppig ist
- Ich fahre hauptsächlich: Singletrails, sprunglastiger Local Spot, Freeride, DH
- Vorlieben beim Fahrwerk: Straff, gutes Feedback vom Untergrund, viel Druckstufe, progressive Kennlinie
- Vorlieben bei der Geometrie: Kettenstreben nicht zu kurz (ca. 430 mm oder gerne länger), Lenkwinkel tendenziell eher flacher
Christoph Spath
- Testername: Christoph Spath
- Körpergröße: 190 cm
- Gewicht: 65 kg
- Gewicht (fahrfertig): 70 kg
- Schrittlänge: 94 cm
- Armlänge: 60 cm
- Oberkörperlänge: 49 cm
- Fahrstil: Schnell bergauf und bergab, sauber, selten überm Limit
- Ich fahre hauptsächlich: Von Dirt Jump über Trail und Enduro bis Downhill, gerne schnell, in grobem Gelände und mit viel Luftstand
- Vorlieben beim Fahrwerk: Viel Low Speed-Compression am Dämpfer, Front etwas straffer als das Heck, hinten gerne progressiv
- Vorlieben bei der Geometrie: Vorne lang, hinten je nach Einsatzbereich kurz bis mittellang, flach
Sind die italienischen Reifen für euch eine Alternative zu Maxxis, Schwalbe und Co.?