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Überleben ist alles
Die Gehrig-Twins bei der EWS #6 Whistler [Blog]

68 Kilometer. 2400 Höhenmeter. 3300 Tiefenmeter. 38 °C. Schwierigkeitsgrad Double Black. 8 Stunden Rennzeit.

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Mittwoch Abend, der kaum abzuwartende Streckenplan wurde online gepostet. Zu jeder einzelnen Stage folgt eine kurze Beschreibung und wie viele Kilometer und Höhenmeter in der Stage und dem Transfer zu bewältigen sind. Ungläubig geben wir die ganzen Zahlen in den Rechner des Samsung Galaxy ein, ein Stöhnen geht durch die Runde, als die Anzahl der im totalen zu bewältigenden Höhenmeter fest steht: 2400!! Ich tausche einen ungläubigen Blick mit Caro und bin schon fast etwas geschockt – noch nie im Leben haben wir uns die Qual von so vielen Höhenmetern angetan. Bevor wir die Stages überhaupt gesehen haben, wissen wir, Whistler will es uns ganz hart geben!

# Das sieht nach einem langen Tag im Sattel aus, wer zu spät kommt wird disqualifiziert
# Auf dem Weg die Startrampe hoch, am Crankworx am Start zu stehen ist definitv ein absolutes Saisonhighlight

Dies spiegelt in etwa die ganze Enduro World Series in diesem Jahr wider, denn man bekam dieses Jahr das Gefühl nicht los, dass sich jedes Event nochmals mit „Länger, härter und schwieriger“ übertrumpfen wollte.

Training

Die letzte von fünf Stages sollte die längste der Saison werden, denn es wurde wie schon im letzten Jahr am „Top of the World“ auf Whistler Mountain gestartet. Diese war die einzige Stage, die im weltberühmten Bikepark ausgefahren wurde. Die restlichen vier Stages befanden sich auf das gesamte Valley verteilt. Stage 1 und 2 waren ganz nach dem Motto alt und neu. Stage 1 war ein brandneuer, frisch in den Waldboden eingefräster Trail.

# Bei nur einem Trainingslauf auf den Stages ausserhalb des Bikeparks lohnt es sich schwierige Passagen noch mal hochzuschieben
# Einige Stellen schauten ziemlich respekteinflössend aus, im Fluss fahrend allerdings alles ein Ding der Möglichkeit

Wie ein Pumptrack führte die Stage teilweise recht steil über losen, tiefen Waldboden. Stage 2 wurde „Crazy Train“ genannt und ging teilweise ganz schön „crazy“ steil bergab. Der Trail war lang vergessen und wurde extra für das Rennen wieder hergerichtet. Gnadenlos steil, mit vielen Wurzeln und Abschlägen und einem schier senkrechten „Rockroll“ ließ diese Stage keine Zeit zum Ausruhen.

Um Stage 3 zu erreichen, wechselte man die Talseite und kämpfte sich fast 1.5h den steilen Flanktrail hoch. Die Stage hatte alles in sich, flache tretlastige Stücke, etliche Spitzkehren und steile, technische Abschnitte.

# Unglaublich looser, tiefer Waldboden auf den Stages beim Blackcomb Mountain
# Super loose, steile Abfahrten auf den Trails, im Idealfall erwischt man die Kurve, um sich unten wieder aufzufangen

Den Aufstieg auf Stage 4 nahmen wir im Training auf die bequeme Art in Angriff. Mit dem Sessellift bis nach „Top of the World“ und anschliessend bogen wir in den oberen Teil von „Ride don’t slide“ ein. Die Stage befand sich im unteren Teil von diesem Klassiker. Gnadenlos steil und extrem technisch, fühlten wir uns auf unseren Trailbikes etwas unterbestückt… schier endlos ging es bis zum Start der Stage runter. Auch hier wurde einiges an Arbeit geleistet, um den Track wieder aufzufrischen. Schon müde vom Training auf den anderen Stage, verlangte diese Stage alles ab. Steil, sehr technisch, lose und unzählige Abschläge, die fehlende Kraft oder Konzentration mit einem sofortigen Abflug über den Lenker bestraften. Der Gedanke diese Stage nach 2400 Höhenmetern zu racen, war ziemlich beängstigend.

Rennen

Mit einer gehörigen Portion Respekt und sogar ein bisschen Angst machten wir uns am Sonntagmorgen zum Start auf. Die Devise für dieses Rennen war klar, Kräfte einteilen, möglichst sauber und materialschonend zu fahren und IMMER ganz viel trinken und essen, sonst würde das nichts werden mit der Zieleinfahrt beim grössten Mountainbike-Event der Welt. Schon morgens um 10Uhr zeigte das Thermometer fast 30 Grad an und Brett Tippie schickte uns von der meterhohen Startrampe in das wohl härteste Enduro-Rennen ever.

# Zumindest in den tieferen Lagen der Trails fanden sich einige Zuschauer ein, die meisten Leute waren jedoch Medienvertreter
# Sich Linien einzuprägen war ziemlich schwierig, vieles sah total ähnlich aus, prompt verpassten beide Zwillinge die Einfahrt in ein Rockface auf der zweiten Stage, der Umweg kostete 15 Sekunden plus - autsch

Mit einer riesigen Ungewissheit startete ich ins Rennen, denn ehrlich gesagt wusste ich nicht mal ob ich in der Lage sein würde, so viele Höhenmeter zu treten ohne zu heulen oder zu kollabieren. So startete ich alles andere als locker in die ersten beiden Stages und ließ schon einiges an Zeit liegen. Die Transferzeiten waren auch noch mit einer Verlängerung ziemlich knapp gehalten und ließen keine Zeit um zu pausieren oder nach der Stage zu verschnaufen. Wohl kaum hatte einer der Veranstalter das ganze Rennen an einem Tag abgefahren und so die Zeiten bestimmt.

# Die Gehrig Twins jagen einander die Trails runter im Training

# Mit zunehmender Müdigkeit werden die vielen ausgebombten Passagen zu einer kräftezehrenden Angelegenheit. Einfach versuchen, den Lenker nicht loszulassen und oben zu bleiben

Schon der Transfer zur 3 wurde richtig hart, in der brütenden Nachmittagshitze war dies kein Spass mehr. Im Ziel der dritten Stage konnte man schon bei einigen Mädels eine regelrechte Verzweiflung ausmachen, wie zum Teufel sollten wir nun auch noch den langen Anstieg zur Stage 4 bewältigen?!

In der knallenden Sonne und 38 Grad Hitze kämpften wir uns zusammen hoch, der Zusammenhalt der Mädels war unglaublich und man unterstützte und motivierte einander, wo man nur konnte. Ein geiles Gefühl war es dann schon, als wir am Start der Vier standen. Viel Zeit zum Verschnaufen nach dem Transfer blieb allerdings nicht, kurz was essen und ab zum Start. Noch nie hatte ich so viel Respekt eine Stage zu starten, denn bei diesem Trail war es unmöglich das Fahrtempo einfach der Müdigkeit anzupassen.

# Für spektakuläre Aussichten waren bei diesem Trail gesorgt
# Erlaubte Hilfsmittel, Anita schwört auf diese Chinesischen Akupunktur Kleber um die Konzentration zu erhöhen

Im Ziel dieser Stage waren sich alle Mädels inklusive der Downhill-Legende Tracy Moseley einig: so was wollte man nicht noch einmal durchmachen, mit so einem Grad der Erschöpfung eine derartige Stage zu racen war einfach nur gefährlich. Ich habe keine Ahnung, wie wir hier alle unverletzt den Weg ins Ziel fanden, unzählige Male lag ich auf dem Lenker und konnte nur mit ganz viel Glück Stürze vermeiden.

Die letzte Stage war trotz 25 Minuten Fahrzeit geradezu ein Genuss, nur schon dort am Start zu stehen war eine Erleichterung, man hatte es weit geschafft und seine persönliche Grenzen neu definiert.

# Einfach nur geschafft von diesem langen Tag im Sattel und Froh ihn einigermassen Heile überstanden zu haben
# Top of the World wird die letzte Stage genannt, auf technischen Trails führte diese Stage rund 25min zu Tal
# Sauber: So sieht die Freude über Platz 10 aus!

 

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