
Korrektur: TRP TR12 Bedienkräfte
Ausgangssituation
Worum geht es eigentlich? Die TRP TR12 Schaltung hat sowohl im Einzeltest als auch auf dem Prüfstand erhöhte Schaltkräfte aufgewiesen. Diese lagen teilweise so hoch, dass die Schaltung nur noch mit dem Handballen zu betätigen war. Und das, obwohl wir von TRP für den Prüfstand eine neue Schaltung bereitgestellt bekommen hatten. Doch wir haben zweimal denselben Einstellungsfehler gemacht, sodass der Vergleichstest die Beobachtungen aus dem Einzeltest direkt bestätigen konnte. Warum habe ich die Beobachtungen nicht aktiv mit TRP gesprochen? Die gemessenen Schaltzeiten unserer für den Test montierten, neuen TRP TR12 lagen auf einem Niveau mit dem Wettbewerb. Der Einstellfehler erfolgte erst bei den Messungen der Käfigkräfte, die im Anschluss einen negativen Effekt auf die Bedienkräfte hatten. Vor dem Hintergrund der guten Schaltzeiten habe ich einen Defekt am Testmuster jedoch ausgeschlossen – zumal die Bestätigung der Beobachtungen aus dem Einzeltest meines Kollegen Gregor mich in gewisser Hinsicht „beruhigte“.
Um abschließend zu klären, woran es genau gelegen hat, und natürlich die zentralen Messungen der Kräfte in korrekter Werkseinstellung zu wiederholen, haben wir uns zu Beginn des neuen Jahres mit Florian Konietzko (Pressesprecher für TRP), getroffen. Dabei haben wir eine neue TRP TR12 an einem Testrad montiert. Die Schaltgeschwindigkeit haben wir nicht erneut bestimmt, da hier keine Auffälligkeiten aufgetreten waren. Die Rahmenbedingungen haben wir wie folgt gesetzt:
- neues TRP TR12 Schaltwerk in Werkseinstellung
- neuer TRP TR12 Schalthebel
- neuer original TRP Schaltzug mit passender Zughülle (hergestellt für TRP von Jagwire)
- neue SRAM NX Eagle Kassette (11-50 t) auf HG Freilaufkörper
Auf Basis unserer erneuten Messungen gibt es keinen Hinweis darauf, dass bei der TRP TR12 in Werkseinstellung schmerzhaft hohe Bedienkräfte auftreten. Die Werte liegen im Rahmen des ergonomisch sinnvollen und gegenüber dem Wettbewerb nur mehr leicht erhöht. Die zunächst von uns gemessenen sehr hohen Bedienkräfte hängen unserer Erkenntnis nach mit der abweichend von der Werkseinstellung eingestellten Kupplung am Käfig zusammen.
Im Nachtest hat sich nun erwiesen, dass unsere Kritik unberechtigt gewesen ist, da sie mit einer fehlerhaften Einstellung zusammenhängt.
Diese Kupplung ist bei der TRP TR12 ein- und nachstellbar – auch in der Anleitung wird darauf eingegangen, wie sie einstellbar ist. Im Einzeltest wurde von uns die Kupplung dabei jedoch offenbar zu stark vorgespannt. Auch auf dem Prüfstand haben wir die Kupplungskraft am zweiten uns zur Verfügung gestellten Schaltwerk nach der Messung der Schaltgeschwindigkeit variiert und jeweils gemessen. Der Maximalwert der Kupplungskraft lag dabei bei über 100 N. Dementsprechend haben wir beim Schalten auf ein größeres Ritzel Daumenkräfte zwischen 44 und 85 N beobachten können. Vor allem der obere Wert wäre auf Dauer nicht vertretbar – und war der Grund für unsere klare Kritik an der TRP TR 12 Schaltung in der getesteten Einstellung.
Ergebnisse des neuen Tests
Mit dem neuen TRP TR 12 Schaltwerk in Werkseinstellung haben wir zusammen mit TRP unseren Test wiederholt. Die Kupplungskraft betrug dabei lediglich 23 N. Entsprechend niedriger fielen die Schaltkräfte aus. So maßen wir im Mittel 33 N beim Schalten auf das größere Ritzel und 15 N für die Gegenrichtung. Beide Werte liegen klar unter den im Vergleichstest gemessenen Werten. Das bestätigt die Annahme, dass diese hohen Kräfte durch die zu starke Verspannung der Kupplung verursacht worden sind.


Mit Werkseinstellung zeigt die TRP TR12 keine auffällig hohen Bedienkräfte.
Aus Kundensicht ist das eine gute Nachricht. Die Bedienkräfte liegen in einem unproblematischen Rahmen. Hierzu gehört jedoch eine klare Einschränkung hinsichtlich der Einstellbarkeit der Kupplung:
In der Bedienungsanleitung schreibt TRP, dass die Kupplung ein kleinen Schritten (⅛ Drehungen jeweils einer der beiden Madenschraube) vorgenommen werden soll. Eine vom Kunden wahrnehmbare Begrenzung gibt es jedoch nicht. Daher empfiehlt TRP auf unsere Rückfrage, dass nicht-versierte Kundinnen und Kunden die Einstellung stets im Werkszustand belassen sollen. Lediglich bei einer nachlassenden Kupplungswirkung sollte in kleinen Schritten nachgestellt werden. Wer beim Ein- oder Nachstellen der Kupplungsvorspannung zu forsch vorgeht, der riskiert die stark erhöhten Schaltkräfte, die in unseren Tests aufgefallen waren.
Stellungnahme MTB-News.de
Umso wichtiger ist es nun festzuhalten: Wer es bei den Werkseinstellungen belässt, der hat auch keine stark erhöhten Bedienkräfte. Ich werde mit der nun montierten TRP TR12 auf jeden Fall noch mal fahren gehen, um herauszufinden, ob die serienmäßige Einstellung auch zuverlässig die Kette beruhigt. Bis dahin freue ich mich, dass mit TRP ein ernstzunehmender Mitbewerber zu Shimano und SRAM auf den Markt etabliert ist. Und bin gespannt auf die neue 2. Generation, die TRP uns gegenüber in Richtung zweite Saisonhälfte angekündigt hat.
Tobias Stahl, Redakteur und Testfahrer MTB-News.de
Stellungnahme TRP
Die weiteren Testergebnisse vom Prüfstandstest sowie den Vergleich zum Wettbewerb findet ihr in diesem Artikel: Vergleichstest – 8 Schaltungen auf dem Prüfstand.
Erklärung der ersten Messwerte
Bereits im ersten Test hatten TRP-Fahrer*innen ihre Verwunderung geäußert und festgestellt, dass sie keine grenzwertig hohen Schaltkräfte an ihren Schaltungen berichten können. Im Anschluss an den Vergleichstest hatte sich TRP direkt mit mir in Verbindung gesetzt, um die Ursache des Problems zu ergründen. Die Vermutung zeigt dabei schnell in Richtung einer fehlerhaften Einstellung der Käfigkupplung – was auch nach dem Einzeltest schon angemerkt worden war:
Anbei möchte ich nochmals kurz rekonstruieren, was da eigentlich passiert ist – und was nicht passiert, wenn man es bei den Werkseinstellungen belässt. In jedem unserer Tests mit der TRP TR 12 haben wir teils stark erhöhte Daumenkräfte gemessen. Interessant war dabei, dass die Schaltkräfte nicht konstant gleich hoch gewesen sind. So veränderten sie sich im Laufe einer Messreihe und nehmen deutlich zu. Erst ein manuelles Zurücksetzen der Käfigkupplung reduziert die Kräfte dann wieder auf die niedrigsten möglichen Werte.
Zusammen mit den Erklärungen von TRP ergibt sich das folgende Bild: Wir haben bei den Versuchen zur maximalen Kupplungskraft die Kupplung zu stark vorgespannt. Das passiert über zwei Madenschrauben, an denen sich leider nicht erkennen lässt, wann genau dieser Punkt erreicht ist. Immerhin ist die Einstellung reversibel, sodass nach dem Lösen der Schrauben auch die Kupplungskraft wieder entsprechend reduziert ist. Nur erkennt man dann nicht mehr, wo sich die Werkseinstellung befunden hatte. Dieser Punkt ist uns zum Verhängnis geworden. Der klare Tipp daher an alle TRP Fahrer*innen: Finger weg von den beiden Madenschrauben und die Schaltung so fahren, wie sie geliefert wird. Denn im Zweifelsfall hat man eine extrem hohe Losbrechkraft am Schaltwerk – die Kettenspannung erhöht das jedoch nicht, sondern nur die Schaltkräfte.
Was passiert, wenn man mit zu stark vorgespannter Kupplung fährt? Aus unseren Beobachtungen auf dem Trail ergibt sich die folgende Vermutung. Der Käfig verkeilt beziehungsweise verkantet beim Schalten – insbesondere in den großen Gängen (= kleinere Ritzel, geringe Kettenlängung und entsprechend kleine Bewegung des Käfigs entgegen der Käfigkupplung, die keinen Reset durchführt). Dadurch steigen die Bedienkräfte an (bis hin zu den beobachteten 85 N). In dem von uns getesteten Zustand wird die Kupplung durch den einzelnen Schaltvorgang also nicht zuverlässig zurückgesetzt. Hinzu kommt, dass im Zweifelsfall sogar die Hinterbaufunktion am Fully eingeschränkt wird. In diesem Fall kann die Kette sich gegen das Einfedern sperren.
Diese Annahme des – in welcher Weise auch immer gearteten – Verkeilens der Kupplung beruht vor allem auf Beobachtungen von der Betätigung des kleinen Schalters am Schaltwerk, über den sich bei TRP die Kupplung manuell an- und ausschalten lässt. Hat man den manuellen Reset durchgeführt und die Schaltkräfte sind niedrig, ist der Schalter ohne Weiteres zu bedienen. Ist man jedoch in einem Zustand mit hohen Schaltkräften, lässt sich der Schalter der Kupplung nicht mit sinnvoller Kraft deaktivieren. Sie steht also unter Spannung, obwohl die Kette ruht. Ein manuelles Bewegen des Schaltwerkskäfigs über die Losbrechkraft der Kupplung hinaus löst das Problem und gibt den Schalter wieder frei.
Was lernen wir daraus? Bei den Werkseinstellungen bleiben. Unter Verwendung der Werkseinstellung tritt das beschriebene Problem nicht zutage, da bei der niedrigeren Losbrechkraft von nun 23 N bei jedem Schaltvorgang ein Reset der Kupplung erfolgen kann. Auch das haben wir getestet.

Einflussfaktoren auf die Bedienkräfte
Im Nachgang an den erneuten Test ein kurzer Einblick in die Theorie: Eine korrekte Einstellung vorausgesetzt gibt es drei zentrale Einflussfaktoren, die die Bedienkräfte einer Schaltung bestimmen. Auf diese gehen wir in den folgenden Abschnitten jeweils kurz ein und ordnen ihren Beitrag zu den Schaltkräften ein.
Schaltwerksfeder
Bei allen gängigen mechanisch oder hydraulisch angesteuerten Schaltwerken gibt es eine zentrale Feder, die das Schaltwerk in seine Ausgangsposition zieht. In der Regel ist das aktuell das kleinste Ritzel. Die Spannung dieser Feder ist die wesentliche Kraft, die vom Schalthebel überwunden werden muss. Sie tritt nur dann auf, wenn gegen die Feder gearbeitet wird – im Regelfall also beim Schalten auf ein größeres Ritzel. Lediglich bei den inversen Schaltwerken probierte Shimano kurz eine Umkehr dieser Logik, die sich jedoch (auch wegen paralleler, unvorteilhafter Anpassungen im Bedienkonzept) nicht durchsetzen konnten.
Dass beim Schalten auf ein kleineres Ritzel dennoch eine Kraft erforderlich ist, liegt an der Mechanik im Schalthebel. Sie fixiert den Zug in der jeweiligen Position und muss gelöst werden, um den Zug freigeben zu können. Das beide Kräfte bei einigen Schaltungen fast identisch sind, liegt dann an der Länge der Hebel. Der Hebel zum Schalten auf ein größeres Ritzel ist deutlich länger als der für die Gegenrichtung – so können die Bedienkräfte entsprechend modifiziert werden.
Zug- und Zughülle
Neben der Mechanik (sowie der zugehörigen Reibung) von Schaltwerk und Schalthebel spielt auch die Reibung zwischen Seilzug und Zughülle eine Rolle. Diese ist (eine knickfreie Verlegung mit großen Radien und ohne Klemmstellen vorausgesetzt) sehr niedrig.
Käfigfeder und Käfigkupplung
Die Kette wird über den Käfig gespannt, der in seinem Drehpunkt eine Feder hat. Alle modernen Schaltwerke haben zusätzliche Käfigkupplungen, die verhindern, dass das Leertrum der Kette (unterer Teil der Kette zwischen Kettenblatt und Spannrolle) sich aufschaukelt und im Zweifelsfall die Kette am Kettenblatt abgeworfen wird. Schaltet man auf ein größeres Ritzel, so wird das Leertrum verkürzt. Hierzu muss sich die Spannrolle in Richtung des Kettenblattes bewegen – und dabei die Kupplungskraft überwinden und gegen die Feder arbeiten, die den Käfig an sich spannt.
Diese Kraftkomponente wirkt maßgeblich innerhalb der Kette, ist jedoch auch am Schalthebel zu spüren. Wer das überprüfen will, kann einfach bei den Schaltungen von Shimano, TRP oder auch Microshift die Kupplung an- und ausschalten – der Effekt ist, wenn man darauf achtet, durchaus spürbar. Und umso größer, je höher die Losbrechkraft am Schaltwerkskäfig ist.
Weitere Überlegungen zu den Bedienkräften
Eher theoretischer Überlegung ist die Frage, welchen Einfluss die Querkraft der Kette hat, mit der sich diese gegen den Schaltvorgang abstützt, solange sie noch auf dem ursprünglich gefahrenen Ritzel liegt. Hierzu haben wir im Vorlauf unseres Prüfstandstests Messungen durchgeführt und festgestellt, dass (1) es beim einzelnen Gangwechsel keinen signifikanten Unterschied macht, ob die Kette in Bewegung ist, oder nicht und (2) die erforderlichen Schaltkräfte über alle Gänge hinweg weitestgehend konstant sind. Unsere Messungen haben wir daher im sechsten Gang (= Mitte der Kassette) bei ruhender Kette durchgeführt. Es sei aber darauf hingewiesen, dass in der Regel nur geschaltet werden sollte, wenn die Kette in Bewegung ist. Für unseren Prüfstand war diese Vereinfachung jedoch sehr hilfreich.
Diese Beobachtung gilt dabei wohl nur für einen einzelnen Gangsprung. Wer ohne zu treten zwei oder drei Mal auf den Schalthebel drückt wird feststellen, dass die Schaltkräfte stark ansteigen. Was bei einem Gang noch kein Problem ist, wird dann zur Herausforderung. Dann versucht die Kette sich auf etwa zwei Gliedern Länge um mehr als z.B. 10 mm zur Seite zu verschränken. Diese Kraft ist dann in der Tat spürbar.
TRP hat uns im Vorlauf des Nachtests darauf hingewiesen, dass ihren Erkenntnissen nach auch die Kassette einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Bedienkräfte habe. In Anbetracht unserer gerade beschriebenen Ergebnisse im Zusammenhang mit der Kette ist das für uns nicht direkt nachvollziehbar, da bei ruhender Kette die stehende Kassette keinen messbaren Einfluss haben kann.
Die TRP TR12 ist für 12-fach-Kassetten mit bis zu 50 Zähnen freigegeben. In unserem Vergleichstest haben wir eine dazu passende e*thirteen Helix R verwendet (9-50 t) und vor den Testläufen überprüft, dass die Kettenspannung bei korrekter Kettenlänge in allen Gängen gegeben ist und die Kette lang genug ist, um auf dem größten Ritzel keine Probleme zu verursachen. TRP weist jedoch darauf hin, dass die Schaltung am besten mit gestanzten SRAM Kassetten (GX oder niedriger, nicht die gefrästen X01 / XX1) funktioniert und auf die 10-50 t Abstufung ausgelegt ist. Die Verwendung von Kassetten anderer Anbieter wie Shimano oder in unserem Fall e*thirteen wird nicht empfohlen.
Alle Artikel des großen MTB-News.de Schaltungsspezials und Schaltungsvergleichstest 2021 findet ihr hier:
- Neuer Test & Nachtrag zum Vergleichstest: TRP TR12-Schaltung mit Werkseinstellung unauffällig
- Schaltungsspezial 2021 – Teil 2: Die Marktanalyse – welche MTB-Schaltungen gibt es?
- Schaltungsspezial 2021 – Teil 3: Der Prüfstandstest
- Schaltungsspezial 2021 – Teil 4: Die Alternativen zur Kettenschaltung
- Schaltungsspezial 2021 – Teil 5: Ergebnisse, Tipps & Tricks
- Schaltungsspezial 2021 – Teil 1: Eine kurze Geschichte der Schaltung
33 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumIch hatte jetzt in den letzten zwei Wochen insgesamt zwei Kettenabwürfe, allerdings einen davon bei einem Sturz. Das ist natürlich eine dünne Stichprobe. Wichtiger aber: Die Bedienkräfte blieben im gemessenen Rahmen, also höher als beim Wettbewerb aber unproblematisch. Die Ergonomie kann mich nach wie vor nicht überzeugen, aber da spielt natürlich auch persönliche Vorliebe mit rein.
Hab die TR12 auch am Hardtail im Einsatz, mir gefallen die auch in Werkseinstellung hohen Bedienkräfte gar nicht. Überlege wieder zur XT zu wechseln, die macht imo alles besser.
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