Unter dem Namen Future Racing organisiert ein Trek-eigenes Rennteam professionelle Nachwuchsarbeit auf ganz eigene Art – und ergänzt damit bestehende, staatliche Programme zu Talentsuche, -entwicklung und -förderung. Bei MTB-News gibt das Team von Bernd Reutemann Einblick in die Team-Philosophie, erklärt seinen Anspruch und erzählt von den Herausforderungen im Nachwuchs-Rennstall – und man erfährt, warum Nationaltrainer aus Österreich, Deutschland und der Schweiz das Konzept ausgesprochen gut finden.
Trek Future Racing – was ist das?
Um das Konzept von Trek Future Racing und unser daran angeschlossenes Talent-Programm zu verstehen, müssen wir zunächst kurz auf die Geschichte des Teams und den Team-Chef Bernd Reutemann schauen. Das Team hat seine Wurzeln ursprünglich im XC-Marathonbereich, hat sich aber in den vergangenen Jahren immer mehr die Suche und Förderung junger Talente konzentriert. Mit Erfolg, wie unter anderem die zahlreichen Titel und Podiumsplatzierungen bei U23-Welt-, Europa- und nationalen Meisterschaften sowie Weltcups durch Fahrer:innen wie Bjorn Riley, Emilly Johnston und Mona Mitterwallner in den vergangenen Jahren zeigen.
Bernd ist dabei das, was man gemeinhin „Macher“ nennen darf. Alternativ auch Tausendsassa: Er hat als junger Mensch die Ausbildung zum Koch abgeschlossen. Später Betriebswirtschaft studiert, inzwischen arbeitet er als Unternehmensberater, ehrenamtlicher Mitarbeiter bei einem ambulanten Kinderhospizdienst – und eben als Team-Chef von Trek Future Racing. Das alles ist wichtig, da diese Erfahrungen den Umgang mit den jungen Fahrer:innen im Race-Team prägen. Mehr noch sogar: daraus ist der rote Faden gesponnen, der das Team-Konzept durchzieht.
Hört nie auf zu spielen!
Der Spaß am Radfahren steht bei alldem maximal im Vordergrund: „Hört nie auf zu spielen! Das ist meine Devise. Hört lieber mit dem verbissenen Training auf, macht es spielerisch. Beim Weltcup in Nove Mesto kürzlich kam eine Zwölfjährige zu uns ans Zelt und hat sich vorgestellt. Ihr habe ich gesagt: Schick mir ein Video, das zeigt, wie du auf einem BMX Spaß am Radfahren hast. Nimm irgendein Rad, probiere Tricks aus, spiele herum, aber schick mir nichts vom Training. Und dem Vater habe ich das auch gesagt. Hört auf das Herz, lass die Kids einfach Spaß haben“, sagt Bernd.
Mit diesem Ansatz schaffen wir ein ganzes Stück weit einen Gegenentwurf zur ansonsten etablierten Kultur in der Talententwicklung. Nicht nur im Vergleich mit staatlichen Sportförderprogrammen von Bund Deutscher Radfahrer, Swiss Cycling oder dem Österreichischen Radsportverband. Sondern auch innerhalb der Phalanx privatwirtschaftlicher Rennteams:
„Aus Verbandssicht ist es für uns mitunter schwierig, wenn im Nachwuchsbereich die Teams zu früh für professionelle Strukturen in klassischer Manier sorgen. Zu frühe Professionalisierung – angefangen vom Material bis hin zu den Rennvorbereitungen – steht der Talententwicklung tendenziell entgegen“, sagt Edi Telser, Nationaltrainer MTB Elite/U23 Frauen bei Swiss Cycling und Macher des Schweizer Dreifacherfolgs im Rahmen des XC-Frauenrennens bei den Olympischen Spielen in Tokyo. Der Nachwuchs erlebe zu früh das Maximum an Support. Da gäbe es keine Steigerungsmöglichkeit mehr, kein Ziel mehr. „Sina Frei (Elite-Fahrerin, Anm. d. Red.) reist mitunter zwei Stunden vor dem Start an, die Kids sind aber schon eine Woche vor dem Rennen da, um zu trainieren.“
Auch ein Nachwuchs-Rennteam ist ein Rennteam
Professionell geht es bei uns im Team Trek Future Racing natürlich ebenfalls zu, keine Frage. Aber die entscheidende Frage ist, wie wird inhaltlich gearbeitet in diesem professionellen Umfeld? Über Ergebnisse und damit über Druck? Es wäre wohl der einfachere Weg, schließlich ließen sich so auch Sponsoring-Gelder leichter an Land ziehen, weil hinter jeden Erfolg ein Geldbetrag notiert werden kann. Stattdessen wählt Bernd mit seinem Team an Trainern und Betreuern einen anderen Weg, um die jungen Sportler:innen nachhaltig an das Trek Factory Racing Team heranführen zu können: Freude am Radfahren, ergebnisunabhängig. Und manches Mal sogar vermeintlich unkonventionell, im Interesse der Athlet:innen, menschlicher.
„Ich muss natürlich auch irgendwann Ergebnisse liefern. Der Laden muss laufen, sonst springen uns die Sponsoren [u.a. SRAM, RockShox, Antidot, Segafredo; Anm. d. Red.] ab. Aber ich bin angetreten, um das System zu ändern. Ich bin angetreten, um die Athletengesundheit in den Fokus zu stellen. Nicht um der Publicity willen, sondern weil es mir darum geht. Mal ganz krass gesagt, möchte ich erreichen, dass sich weniger zusammenschießen. Dass es weniger gibt, die psychisch kaputt sind. Leistungssport ist nicht gesundheitsfördernd. Darum habe ich auch Jürgen Grunwald als Team-Arzt im Nachwuchsteam. Der nur uns zur Verfügung steht. Ich will verhindern, dass Leute ins Übertraining gehen, will das erkennen und präventiv dagegen vorgehen. Viel früher als alle anderen Teams“, sagt Bernd.
Dazu gehört auch eine Fehlerkultur: „Ich versuche ihnen die Angst zu nehmen, dass sie Fehler machen. ‚Darf ich das essen? Oh, jetzt habe ich heute keine Intervalle trainiert, das steht aber im Plan. Um Gottes Willen, wenn ich heute keine Intervalle …‘ Dabei trainiert sie oder er schon 1600 Stunden im Jahr. Das kannst du mir doch nicht erzählen, dass das entscheidend ist. Aber genau das wird vielen jungen Fahrer:innen erzählt.“
Talente finden: Gar nicht so einfach
Blinder Idealismus ist das keineswegs. Aber Überzeugung. Auch in Sachen Talentscouting. Es geht bei Bewerber:innen in erster Linie gar nicht um jene:n Sportler:in, die über das Ergebnis einen Beitrag zur Finanzierung des Teams leisten und Aussichten hätten, es später einmal ins Trek Factory Racing Team zu schaffen. Im Normalfall ist dies eine:r aus 1000. Das Interesse besteht an den 999 anderen, die Spaß am Radfahren versprühen. Im Zweifel fokussieren wir lieber auf Fahrer:innen, die durch ihre intrinsische Motivation ein Potenzial mitbringen, lange dabei zu bleiben.
In den Radsportverbänden zählt bei der Talentauswahl der reine Leistungsgedanke noch erheblich mehr: Sichtungen für die Kaderaufnahme laufen immer über die Ergebnislisten in entsprechenden Sichtungsrennen. Die Rennteilnahme ist obligatorisch, um die Trainer aufmerksam zu machen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Talente durchs Raster fallen. Weil die körperliche Entwicklung noch kein besseres Ergebnis im Vergleich zulässt. Oder weil das Material im Vergleich zu besser ausgerüsteten Fahrern nicht konkurrenzfähig ist. Oder weil alles bisherige Training vielleicht zu einseitig angelegt war.
Oder weil Neu- oder Quereinsteiger:innen wegen eines gewissen Trainingsrückstands gegenüber „erfahrenen“ Rennfahrer:innen bei einem Rennen gar nicht bestehen können. Das bestätigen Jakob Drok, österreichischer Bundestrainer, Peter Schaupp, MTB-Bundestrainer im BDR und Edi Telser, Nationaltrainer Swiss Cycling, allesamt. Engagements wie unser Team Trek Future Racing, gerade mit dem eigenen konzeptionellen Ansatz sind daher hilfreich, um das Netz für die Talentidentifikation grundsätzlich engermaschig werden zu lassen.
„Es wird immer schwieriger für Athlet:innen, in nationale Teams zu kommen. Mitunter aus banalen Gründen, weil z.B. die Anhebung der Startgelder von der UCI dafür sorgen, dass pro Sportler:in mehr Budget gebunden ist. Das schränkt unseren Handlungsspielraum ein“, sagt Jakob Drok. Er freut sich über die Existenz unseres Teams: „Die Fahrer:innen bekommen bei Trek Future Racing ein anderes oder zusätzliches Feedback, bekommen Eindrücke, wie professioneller Radsport auch ablaufen kann.“
Der deutsche Bundestrainer Peter Schaupp kämpft mit dem gleichen Problem, dass manches Mal eben die Begrenzung des Kaderbudgets zu große Lücken in das Netz zur Talentsuche reißt. Die Vorteile von Teams wie unserem für seine Arbeit beschreibt er so: „Die Sportler werden dort genauso ausgebildet. Mit der gleichen Zielstellung wie bei uns, jemanden aufzubauen. Zudem haben sie direkten Zugang zum Material. So etwas können wir als nationaler Verband nicht leisten. Der Austausch zwischen Radsportverband und privatwirtschaftlichem Team aber, der klappt. In der Nachwuchsarbeit ergänzen wir uns sehr gut und ich denke, wir haben innerhalb dieser Teams auch ein Netzwerk aufgebaut, das Früchte trägt.“
Die Sichtweise unseres Teamchefs ist ähnlich: „Ich stehe nicht im Wettstreit mit den nationalen Verbänden und deren Kadern“, so Bernd. „Ich möchte zusätzlich zu deren Aktivitäten mehr Leute aktiv für den Sport begeistern und die heranführen. Um den Radsport insgesamt voranzubringen. Genau deshalb lege ich auch so viel Wert auf Entwicklung der Persönlichkeit und nicht allein des sportlichen Talents bei unseren Fahrer:innen. Am Ende besiegt Charakter Talent!“
Online-Seminar für Interessierte beim Worldcup
Auf der Lenzerheide, kurz vor Beginn des dortigen Weltcup-Wochenendes, veranstalteten wir zusammen mit Trek Factory Racing und unseren Sponsoren Trek und Sram ein digitales Seminar für potentielle Interessent:innen an einem Platz in unserem Renn-Team. Die Resonanz darauf war mehr als beachtlich: 500 Nachwuchs-Athlet:innen aus der ganzen Welt, von Neuseeland über Kolumbien, den USA, Japan, Frankreich bis nach Deutschland, Österreich und der Schweiz nahmen daran teil.
Auf dem Podium bzw. vor der Kamera saßen neben Team-Chef Bernd die Future Racing-Team-Fahrerin Emilly Johnston aus Kanada und Trek-Factory-Racing-Athlet Anton Cooper aus Neuseeland, sowie mit Tim Vanderjeugd auch Treks Global Director of Sports Marketing. Das 45-minütige Auftakt-Seminar steht hier zum Review zur Verfügung. Indes beginnen die ersten Seminare für die ausgewählten Talente und deren Heranführung ans Trek Future Racing-Team in diesen Tagen. Um die anzumelden bzw. um mehr über unser Talentscouting zu erfahren, folge diesem Link: Trek Future Racing
In diesem Sinne. Ride Bikes. Have Fun. Feel Good.
5 Kommentare