Am Sonntag, dem 09. August 2020, war es endlich so weit: Mein erstes Rennen des speziellen Jahres 2020. Im europäischem Ausland gab es schon den ein oder andere Wettbewerb im Cross-Country und Marathon-Bereich. Ich wollte bei meinem Renneinstieg nicht allzu lange im Auto sitzen und keinen zu großen Aufwand betreiben. Mit einer knappen Stunde Anreise könnte ich den Neustadt Marathon schon fast als ein Heimrennen bezeichnen.
Für mich war Neustadt nicht nur das erste Rennen des Jahres, sondern auch der erste Wettkampf im Bulls-Trikot und mit neuem Trainer. Zwar konnte ich auf meinen Bulls Bikes schon zahlreiche Trainingskilometer zurücklegen, jedoch ist die erste Rennerfahrung immer etwas Anderes. Apropos Training, denn da hat sich seit meinem letzten Bericht vieles verändert: Seit Mai werde ich von Philipp Seipp trainiert, den ich beim Biken in Heidelberg kennengelernt habe. Direkt im Juni/Juli war ich mit einem Teil seiner Trainingsgruppe im Trainingslager in St. Moritz und hatte die wohl intensivsten 2,5 Trainingswochen meines Lebens. Vielleicht war das eine Art Härtetest, ganz nach dem Motto: Wenn Theresia das übersteht, dann trainiere ich sie. Ich habe es überstanden und deshalb stand unser erstes quasi gemeinsames Rennen an. Die Aufregung vor Neustadt war sehr groß meinerseits, auch wenn es eine positive Nervosität in Form von Vorfreude war.
Nur dank des überragend gut durchdachten Hygienekonzeptes konnte der Sigma Bike Marathon stattfinden. Die ersten Vorteile davon merke ich in den Startblöcken, denn untypisch für einen Marathon war der Start dieses Mal gar nicht so stressig und hektisch. Ein erster Vorteil der Hygienemaßnahmen, da immer nur 10 Fahrer*innen gleichzeitig auf die Strecke gelassen wurden. Männer und Frauen gemischt und bis 30 Sekunden vor dem Startschuss mit Maske. Der Abstand von 1,5 Metern wurde in meinem Startblock vorbildlich eingehalten und es war eine richtig gute Stimmung. Gefühlt waren alle unglaublich froh, wieder ein Rennen fahren zu dürfen – da nimmt man die Temperaturen weit über 30° C gerne in Kauf. Den Nachteil, in einem Startblock mit acht Männern zu stehen, habe ich dann auf den ersten Kilometern zu spüren bekommen: Es wird volle Kanne darauf losgesprintet, ohne zu überlegen, sich die Kraft für die kommenden 45 Kilometer und 1.050 Höhenmeter einzuteilen. Da es mein erstes Rennen des Jahres ist und ich mit ausreichend Motivation am Start stehe, sprinte ich da natürlich mit. Ein kurzer Blick auf meine Leistungswerte zwingt mich dann aber zur Vernunft und ich gehe nicht mit den schnellsten Männern aus meiner Gruppe mit, denn sonst komme ich voraussichtlich nicht im Ziel an.
Relativ schnell finde ich meinen Rhythmus in den Anstiegen und durch die kleinen Startgruppen und das weit auseinandergezogene Startfeld ist in den technischen Passagen bergab auch kein großer Stau. Auf ein „Achtung, darf ich bitte vorbei?“ wird mir in fast allen Fällen sehr großzügig Platz gemacht – vielen Dank an die fairen Mitstreiter*innen. Die erste Rennstunde läuft richtig gut: Ich kann in den Anstiegen gut hochdrücken und es bergab laufen lassen. Der Neustadt Marathon ist bekannt für seine technisch anspruchsvollen Passagen und auch in diesem Jahr wurden wir nicht enttäuscht. Auf den sandigen und steinigen Waldpassagen macht es einfach unglaublich viel Spaß zu fahren.
Viel trinken war die Devise an diesem heißen Tag, weshalb ich der ersten Verpflegungsstation entgegenfiebere. Zwei neue Flaschen gibt es für mich, die eine mit Wasser befüllt, das ich mir direkt über den Kopf und Rücken kippe. Uff, jetzt merke ich erst, wie heiß es wirklich ist. Zwei große Schluck aus der anderen Flasche und ich habe wieder ordentlich Kraft für den nächsten Anstieg. Auch eine Laufpassage ist beim Neustadt Marathon Teil der Strecke, welche für meine Beine einen extremen Schock darstellt. „Erstes Rennen des Jahres, 37 Grad im Schatten, staubig ohne Ende und jetzt auch noch eine Laufpassage … here we go“, denke ich mir und versuche, so schnell wie möglich einen Schritt vor den anderen zu setzen. Nicht nur für mich ist das eine Herausforderung, gleich zwei Mitstreiter stehen am Streckenrand und ringen nach Luft.
Kurz nach der Laufpassage soll mir dann auch noch ein blödes Missgeschick passieren. Auf einer scheinbar einfachen Schotterabfahrt, wovon es beim Neustadt Marathon wirklich wenige gibt, verbremse ich mich vor einer Kurve und ahne schon, was gleich passiert. Mein Vorderreifen findet aufgrund der zu hohen Geschwindigkeit auf dem losen Schotter keinen Grip und rutscht weg. Zack, da liege ich und habe ein offenes Knie. „Richtig unnötig, aber weiter geht’s“, spreche ich zu mir selbst und sitze schon wieder auf dem Sattel. „Schwierige Stelle, besser absteigen“, ruft mir ein Streckenposten entgegen. Das ist ja super nett gemeint, aber für mich ist das eher ein Ansporn, die Stelle erst recht zu fahren. Gesagt, getan. Dennoch, vielen Dank für die Vorwarnung – hier war schon kurz meine volle Aufmerksamkeit gefragt.
Kurz vor dem Ziel an der Burgruine sollte mir dann auch noch ein zweites Missgeschick passieren. Aufgrund meiner Streckenunkenntnis biege ich an der wohl schönsten technischen Passage an der Burgruine aus Versehen auf den „Chickenway“ ein. Zu spät habe ich gesehen, dass die rechte Linie der direkte Weg nach unten gewesen wäre. Natürlich rege ich mich unverhältnismäßig über mich selbst auf, obwohl es vielleicht nur ein paar Sekunden länger gedauert hat. Auf den letzten Metern Richtung Ziel merke ich, dass mein Körper vollständig erschöpft und müde ist. Ungewohnt ruhig war es dann bei der Zieleinkunft, nur der Stadionsprecher ist zu hören. „Und hier kommt die aktuell drittplatzierte Theresia Schwenk mit einer Zeit von 2 Stunden und 11 Minuten ins Ziel“, spricht er ins Mikrofon. „Ja, dann kann ich zufrieden sein“, denke ich mir und kippe einen halben Liter Wasser von der Verpflegungsstation in meinen dehydrierten Körper hinein. 2 Stunden 11 Minuten Rennzeit und 2 Stunden 11 Minuten das Coronavirus vergessen. Das tat gut!
Durch meinem dritten Platz hinter Anne Terpstra und Nina Benz bin ich mit meinem Einstieg ins Renngeschehen sehr zufrieden. Im Zielbereich halten sich nicht viele Fahrer auf, was an den Hygienemaßnahmen, aber auch an den mittlerweile weit über 40° C in der Sonne liegen könnte. Es gibt eine Dusche im Zielbereich, was ein verlockendes Angebot ist bei diesen Temperaturen. Ab in den Schatten und erstmal ausruhen. Siegerehrung gibt es keine, das ist Teil des Hygienekonzepts. Das finde ich aber auch nicht schlimm – so sind in der aktuellen Situation eben die Regeln.
Meine neuen Teamkollegen vom Team Bulls haben auf der Langdistanz mit dem Sieg von Alban, dem dritten Platz von Simon, dem vierten Platz von Martin und dem neunten Platz von Stiebi ordentlich abgeräumt und gezeigt, dass sie für die Swiss Epic bereit sind. Ich freue mich riesig, ein Teil der Bulls Familie zu sein und freue mich auf weitere Rennwochenenden mit Euch!
Vielen Dank an die Veranstalter des Sigma Bike Marathons 2020! Der Marathon war tiptop organisiert, das Hygienekonzept wurde super umgesetzt und die Stimmung war trotz der Einschränkungen sehr gut. Danke, dass ihr das auf die Beine gestellt habt und es allen Rennbegeisterten möglich gemacht habt, im August 2020 doch noch in Deutschland ein (Marathon-)Rennen fahren zu können. Vielen herzlichen Dank auch an die vielen (freiwilligen) Helfer bei den Verpflegungsstationen, am Streckenrand, im Zielbereich und bei der Startnummernausgabe. Gerade in diesen komplizierten Zeiten empfinde ich das nicht als Selbstverständlichkeit! Danke! <3
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