Das neue Virus und die daraus entstandene Situation für den Rennsport macht es uns Fahrer*innen nicht besonders leicht. Umso schöner war die Neuigkeit, dass ganz in der Nähe meiner Heimat ein Rennen stattfinden wird. Nicht nur irgendein Rennen, sondern die Deutsche Meisterschaft im Marathon (Ergebnisse der Marathon-DM in diesem Artikel). „Okay, es ist zwar ein Marathon und kein XCO-Rennen, aber da muss ich doch trotzdem an den Start gehen!?“ dachte ich direkt. Gesagt, getan. Auch wenn es eine der verrücktesten körperlichen Rennerfahrungen in meiner sportlichen Karriere war!
Drei Runden à 25 Kilometer ergeben am Ende 75 Kilometer und 2.100 Höhenmeter. Das mag für einen Marathonfahrer eine Art Kurzdistanz sein, für mich war jedoch klar, dass das Rennen länger als 3 Stunden dauern wird und somit mindestens doppelt so lang wie ein „normales“ Cross-Country-Rennen ist. Eine spezielle Vorbereitung auf die Marathon-DM hatte ich nicht, da ich mich aktuell auf die World Cups in Nove Mesto vorbereite. Durch die Nähe zum Event konnte ich gemeinsam mit Laura Philipp, einer eigentlich auf Triathlon-Langdistanz spezialisierten Trainingskollegin und Freundin sowie unserem Trainer Philipp Seipp die Startunterlagen am Samstagabend abholen, alle wichtigen Infos zum Rennen erhalten, die Start-Area abchecken und trotzdem zu Hause schlafen. Das hat mir persönlich etwas den Druck für das Rennen genommen, auch wenn ich dieses Mal im Vorfeld des Rennens überraschend relaxed war.
Sonntag. Renntag. Bedingt durch Corona lief die Startphase etwas anders ab als üblich. Wir trugen bis 10 Sekunden vor dem Start eine Maske und es durften keine Betreuer in der Start-/Ziel-Area dabei sein. Der Start war dann überraschenderweise gar nicht so schnell und hektisch, wie ich es vom XCO kenne und aufgrund der vielen XCO-Teilnehmerinnen erwartet hätte. Bis zum ersten Anstieg wurde relativ entspannt pedaliert, dann machten die ersten Frauen aber direkt ordentlich Tempo, das Feld wurde direkt gesprengt und somit auseinandergezogen.
Ich konnte mich gut hinter der Spitzengruppe positionieren, dort im ersten richtigen Anstieg aber nicht mehr folgen. Schnell realisierte ich, dass ich „mein eigenes Ding“ machen muss, weil ich sonst die drei Runden wohl eher nicht überstehen würde. So fuhr ich relativ kontrolliert darauf los und versuchte, ein schnelles Hinterrad zu finden, sodass ich langsam den einen oder anderen Platz wieder gut machen konnte. So fand ich das Hinterrad der letztjährigen Deutschen Meisterin Janine Schneider – eine sehr gute Wahl. Wir wechselten uns eine Zeit lang ab und konnten einen guten Rhythmus fahren. Janine erwischte keinen guten Tag und so fuhr ich nach der Hälfte der ersten Runde allein weiter und konnte ein gutes Tempo fahren. Es überraschte mich nicht wirklich, dass mir die flachen Trail-Passagen und etwas technischeren Abfahrten am meisten Spaß machten und ich dort auch öfter überholen oder Konkurrentinnen auf Distanz halten konnte.
Die erste und zweite Runde hatte ich soweit gut rumgebracht. Ende der zweiten Runde merkte ich aber schon, dass die letzte Runde wirklich wehtun würde. Mein unterer Rücken hatte sich langsam ganz schön beschwert und auch die Beine waren nicht mehr ganz frisch, oh Wunder. Dennoch wollte ich das Rennen weiterfahren und ordentlich zu Ende bringen. In den Anstiegen der letzten Runde fragte ich mich dann aber schon das ein oder andere Mal, warum ich mir das antue – und ich denke das ist etwas, was ich am XCO so mag: Da hast du einfach keine Zeit, dir solche Fragen zu stellen. Nun ja – in der dritten Runde auf Position 11 oder 12 liegend, legte ich dann ordentlich den Rückwärtsgang ein, was die Platzierung anging. Drei Frauen überholten mich und ich konnte einfach nicht mehr mitgehen, zu grau war ich. Eine Aktion mit einem männlichen Mitstreiter führte dann aber zu einer richtigen Eye Opener-Situation: In einer engen und schnellen Trail-Passage setzte er zum Überholen an, versuchte links an mir vorbeizukommen und es kam zur Berührung unserer beiden Ellbogen und Lenker. Nur durch ein rasches Ausweichen nach rechts konnte ich einen Sturz verhindern. Zum Glück!
Voller Adrenalin machte ich ihm dann lautstark klar, dass das keine tolle Situation für uns beide war, überholte im nächsten Uphill und hielt ihn in der darauffolgenden Abfahrt restlos auf Distanz. Diese Aktion führte dazu, dass ich einen richtigen Adrenalin-Kick bekam und nochmal ordentlich aufs Gaspedal drücken konnte. In der Abfahrt überholte ich wieder zwei Frauen, die mich zuvor überholt hatten. Zu Beginn des letzten Anstiegs stand noch eine weitere Konkurrentin mit einem Platten, was mir sehr leidtat. Im letzten Anstieg schwor ich mir, keine der Konkurrentinnen mehr vorbeizulassen. Das hat zwar nicht ganz geklappt, aber in der finalen Abfahrt Richtung Ziel konnte ich sie erneut überholen und dann auch distanzieren.
Durch meinen Energieschub sprintete ich aber einfach weiter Richtung Ziel und konnte sogar auf der Zielgeraden noch eine weitere Frau überholen. Die Top 10 war geschafft. Platz 9 bei meiner ersten Marathon-DM in einer Zeit von 3 Stunden und 40 Minuten. Wow, hätte das jemand zu Beginn der letzten Runde gesagt … daran hätte ich nicht geglaubt. :D
Im Ziel angekommen, erwartete mich noch eine sehr schöne Überraschung. Meine Trainingskollegin und Freundin Laura konnte bei ihrem ersten Mountainbike-Renneinsatz den dritten Platz belegen und somit die Bronzemedaille gewinnen. In meinem absolut erschöpften Körper schoss ein Gefühl von Freude und Stolz hoch. Direkt ging ich zur Siegerehrung und staunte einfach nur! Den Tränen war ich zugegebenermaßen beim Hören der Nationalhymne auch nicht weit entfernt. Ich denke, der Körper hatte dafür schlichtweg zu wenig Energie, haha.
Herzlichen Glückwunsch zu dieser großartigen Leistung, liebe Laura! Und natürlich auch herzliche Glückwünsche an die Siegerin Nadine und Silbermedaillengewinnerin Leonie und allen anderen Frauen, die dieses Rennen erfolgreich beendet haben. Schön, dass insgesamt 28 Frauen bei den Titelkämpfen dabei waren.
Danke, Odenwald Bike Marathon! Besonders zu diesen schweren Zeiten für (sportliche) Veranstaltungen möchte ich ein großes Dankeschön an die tolle Organisation des Odenwald Bike Marathons aussprechen. Es war gewiss kein leichter Weg in dieser komplizierten Gesamtsituation, aber mit viel Engagement habt ihr das Unmögliche möglich gemacht! Danke auch an alle Helfer vor Ort und den wundervollen Zuschauern im Wald, die uns (mit Abstand) angefeuert haben und uns die Anstiege etwas erleichtert haben. Danke!
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