Theresia Schwenk ist dieses Jahr als Privateer bei der UCI Mountainbike World Series am Start. Einzelstarter:innen sind im XC World Cup eher die Seltenheit – doch hat es vielleicht auch Vorteile, keinem Team mit weiteren Fahrer:innen anzugehören?
Privateering – Profisport auf eigene Faust
„Hast du das die Airbnb für Leogang schon gebucht? Können wir vielleicht doch schon sonntags rein?“
„Die Flüge für USA/Kanada sind gerade sehr günstig! Lass heute Abend buchen!“
„Ist dein Essensplan für Nové Město schon fertig? Dann können wir hier noch direkt einkaufen.“
Ja, das sind alles WhatsApp Nachrichten von meiner Schwester und mir. Die Selbstorganisation als Privateer bringt mich bisweilen an meine organisatorische Grenze und ohne mein Umfeld würde ich das alles wohl nicht schaffen. Doch wie ist es eigentlich genau als Privateer, ganz ohne Profi-Team, in der World Series zu fahren?
„Reisebüro Schwenk meldet sich zum Dienst“, klingt es aus meinem Handy, als ich meine Schwester Montagmittag anrufe, um finale Dinge für den World Cup in Nové Město zu klären. „Ja, hier Ernährungsplanerin, Mechanic und Rennfahrerin, ebenfalls Schwenk, am Apparat“, antworte ich. Wir lachen beide kurz und ich merke, wie gut wir uns ergänzen. Die organisatorischen Vorbereitung auf einen World Cup startet nicht erst am Freitag des Rennwochenendes, sondern viele Tage vorher. Hotelbuchungen machen wir meistens direkt, wenn die World Cup Termine online gehen. Denn dann sind die meisten Unterkünfte noch zu bezahlbaren Preisen verfügbar. Ausnahmen bestätigen die Regel, doch alles, was kurzfristig gebucht werden muss, bringt zwei Nachteile mit sich: Oft sind die Unterkünfte dann recht weit vom Renngelände entfernt (mehr als 20 Minuten), was zu einem großen Mehraufwand vor Ort führt und zweitens sind die „schönen“ Unterkünfte aufgrund der World Cup Wochenenden sehr teuer. In Sachen Unterkunft und Reiseplanung ist meine Schwester ein absoluter Profi, sie hilft mir dabei sehr. Dennoch stelle ich es mir auch schön vor, einfach in ein Auto steigen zu können, ohne sich Gedanken um die Unterkunft machen zu müssen.
Ein Leben ohne Rennmechaniker ist möglich … aber umständlich
Neben der Unterkunfts- und Reiseplanung gibt es natürlich noch weitere Dinge zu erledigen. Das Bike sollte am Renntag in einem perfekten Zustand sein. Deshalb habe ich mein BH Bike in doppelter Ausführung: Ein Trainingsbike und ein Racebike. Das gibt mir einfach die Sicherheit, dass das Racebike in einem optimalen Zustand ist. An einer der Trainingstage auf der jeweiligen World Series Strecke fahre ich dann ein mal mit dem Racebike, um alles zu checken. In Nové Město ist mir dabei aufgefallen, dass das Lockout der Gabel nicht immer zu 100 % sperrt. Da ich mir nicht unsicher war, was zu tun ist, bin ich direkt zum Fox Racing Support gegangen und die netten Männer haben mir geholfen und das Problem gefixt.
In puncto Bike ist es für mich wertvoll zu wissen, dass Marco von Magura und Oliver von Schwalbe bei allen europäischen World Series Rennen vor Ort sind und ich jederzeit auf deren Hilfe zurückgreifen kann. Reifen wechseln und ein bisschen Schrauben kann ich auch, bei größeren Problemen bin ich jedoch auf externe Hilfe angewiesen. Anfangs ist es mir schwergefallen, um Hilfe zu fragen, heute weiß ich, dass mir gern geholfen wird und greife gern darauf zurück. Mein materielle Ausrüstung in puncto Bike ist in meinen Augen sehr professionell, auch wenn ich keinen eigenen Mechaniker habe. Hier denke ich mir manchmal, dass es schon schön wäre, wenn ein professioneller Mechaniker noch einmal über alles drüber schaut, schlussendlich hatte ich aber in den letzten Jahren keine Defekte technischer Natur während eines Rennens – Platten ausgenommen – da ich finde, dass ich meinen Luftdruck als Fahrerin selbst einschätzen muss. Zu Hause werden die Bikes gepflegt, was zur Folge hat, dass unterwegs keine Verschleiß-Probleme auftreten sollten.
Ernährungstipp: Alltag in der Rennwoche
Ich starte schon die meiste Zeit meiner sportlichen Karriere als Privateer und war noch nie Teil eines UCI Profi Teams. Als ich in meinen Enduro-Jahren als Privateer unterwegs war, hatten wir als „German Enduro Squad“ eine gute Zeit. Von damals habe ich gelernt, was es bedeutet, sich selbst zu organisieren. Die Basis für eine erfolgreiche Rennwoche ist auch eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Deshalb schreibe ich im Vorfeld mit meiner Schwester und ihrem Freund Ben einen Essensplan und eine Einkaufsliste. Ben kocht meistens bei den Rennen und bringt Gewürze und Basics mit. „Möglichst viel Alltag und Routine mit in die Rennwoche nehmen“ ist auch mein Motto im Hinblick auf Ernährung. Deshalb kaufe ich vor Nové Město noch zu Hause ein und nehme meine „üblichen“ Basic Lebensmittel mit nach Tschechien: Frische Lebensmittel kaufen wir dann vor Ort. Da ich einige Lebensmittel nicht gut vertrage (Milchprodukte, Eier, Weizen) ist es für mich besonders wichtig ein paar Lebensmittel dabei zu haben, die ich jederzeit, ohne die Inhaltsstoffe nachzulesen, gut snacken oder zubereiten kann.
Das Thema Physiotherapie, Mentalcoaching und Erholung ist wohl das, wo ich als Privateer den größten Nachteil habe. Einen Physiotherapeuten habe ich nicht dabei und kann ich mir, offen gestanden, auch nicht leisten. Ich greife hier auf meinen Lymphsack und die Massage-Gun zurück, welche bestimmt ihren Beitrag zur Erholung leisten, aber einen Physiotherapeuten nicht ersetzen können. Nach einem Physio, der mir nach dem Training die Beine massiert, sehne ich mich sehr. Ich versuche mit Yoga, Mittagsruhe und Naturspaziergängen meinem Körper die notwendige Ruhe zu geben, die er an World Series Wochenenden benötigt. Ich habe auch das Meditieren für mich entdeckt, um meine Gedanken loszulassen und sortieren zu können. Von einem Team-Mentalcoach habe ich noch bei keinem Profi-Team gehört, da müssen sich die Fahrer:innen bei Wunsch und Bedarf wohl selbst drum kümmern.
Enduro geselliger als XC Worlds
Dann wäre da noch der soziale Aspekt, den ich keinesfalls vergessen möchte. Da ich mit meiner Familie reise, richtet sich rund um das Rennen alles um meine Bedürfnisse und mich. Das ist sehr schön, da ich weiß, dass ich alles ansprechen kann und sie nur für mich da sind. Dennoch fehlt mir immer mal wieder der Austausch mit anderen Fahrer:innen bzw. Teamkolleg:innen. Beim Trackcheck fahre ich meistens allein, bisweilen mit anderen Fahrerinnen wie Kira oder, in den letzten Jahren, Emma. Dennoch fehlt mir der generelle Austausch über die Strecke, das Wetter und seine Herausforderungen, die Emotionen rund um das Rennen, Taktiken, Styles, Training und Co. Das ist auch etwas, das ich aus der „Enduro-Zeit“ vermisse, denn damals hat man das Training und den Renntag gemeinsam bestritten und einen sehr schönen Austausch mit anderen Fahrer:innen geführt. Das fehlt mir in der XC World Series.
Weiter als Privateer oder doch ein Profiteam?
Das gesamte Konstrukt, das ich mir als Privateer aufgebaut habe, funktioniert aktuell tadellos. In Nové Město konnte ich gut performen und zeigen, dass ich als unabhängige Starterin im Mittelfeld einer World Series mitfahren kann. Es sind noch nicht alle Puzzleteile am richtigen Platz, aber sie sortieren sich immer besser. Ich bin hungrig für mehr und gespannt, wie weit ich als Privateer dieses Jahr komme. Es ist offensichtlich, dass ich zwar ein Privateer bin, aber mir mein eigenes Team zusammengestellt habe. Ohne die (unbezahlte) Unterstützung meiner Familie würde ich den Sport auf diesem professionellen und hohen Level nur schwer umsetzen können. Ob ich denn jetzt in einem UCI Profi Team fahren würde oder mich danach sehne? Ich bin immer offen für neues und würde mich freuen, diesen Schritt eines Tages machen zu können. Dennoch weiß ich, dass mein aktuelles Setup gut ist und für mich gut funktioniert.
Was denkst du? Ist als Privateer wirklich alles anstrengender, oder siehst du darin auch Vorteile?
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