Die Technik
Nach Shimanos Shadow Plus stellte im Frühjahr auch Sram eine ähnliche Technik vor, und nannte die neuen Modelle schlicht Type2. Besonders anschaulich wird der Mechanismus bei Shimano. Hier lässt er sich nämlich auch nachjustieren, wozu einfach die Kappe entfernt werden muss (2mm Inbus). Das passende Werkzeug zum erhöhen der Spannung liegt ebenfalls innen bei. Durch Umlegen des Hebels erhöht ein Exzenter den Druck auf ein Metallband, welches die Reibung auf einen Freilauf erhöht. Deshalb braucht die Kette mehr Kraft, den Käfig zu drehen, die Feder hat aber (Freilauf) weiterhin leichtes Spiel. Aprospos Feder: Diese ist nicht stärker, als in herkömmlichen Schaltwerken. Der Grund: Schaltung und Hinterbauperformance sollen nicht beeinträchtigt werden, nur schnelles Schlackern unterbunden. Ein Freilauf erhöht in eine Richtung die Reibung – und dämpft so den Schaltwerkkäfig.
Bei SRAM ist der Mechanismus nicht so einfach zu öffnen, im Prinzip ist der Aufbau jedoch ähnlich. Statt eines Metallbandes ist hier ein Kunststoff-Gleitlager, welches den Freilauf komplett umfasst, verbaut. Es kann weder an- noch abgeschaltet werden, auch eine Nachjustierung ist nicht drin (oder nicht nötig). Um den Radausbau trotzdem zu vereinfachen, hat man sich das einfache, aber überaus effektive „Cagelock“ einfallen lassen: Ein Stift justiert den Käfig in der vorgedrehten Position. Damit fällt der Radwechsel noch einfacher als mit ausgeschalteter Dämpfung bei Shimano, Punkt für Sram.
Unsere Modelle sind bisher noch nicht lang genug im Einsatz, der Verschleiß stellt aber ein sehr interessantes Thema dar: Wird die Dämpfung mit der Zeit nachlassen? Bei Shimano kann dann nachgestellt werden, bei SRAM muss man sich darauf verlassen, dass die Technik wirklich verschleißfrei ist. Eine gute Dichtung vorausgesetzt dürfte das Lager diesem Anspruch aber gerecht werden.
Der Test
Mittels Federkraftmesser haben wir die Kraft ermittelt, die nötig ist, um den Schaltwerkskäfig zu verdrehen. Durch Messung der Käfiglänge lässt sich damit das Drehmoment ermitteln, relevant ist im Alltag aber tatsächlich die Kraft, da ja auch die Kette über den Hebel am Gelenk angreift. Bereits in der Theorie wird klar, dass ein längerer Käfig zu mehr Bewegung der Kette führt. Nötig ist er, um die Kapazität der Schaltung zu erweitern – wer aber weiß, wie er schaltet, und nicht gerade in unmöglichen Gangkombinationen droppen geht, kann hier durch einen kürzeren Käfig bereits Abhilfe schaffen. Ansonsten sollte natürlich eine höhere der Kette entgegengesetzte Kraft für mehr Ruhe sorgen.
Schaltwerk-Vergleich in Slowmotion von nuts – mehr Mountainbike-Videos
Außerdem wurden Treppenfahrten mit einer GoPro bei 120fps gefilmt, um Slowmotion-Aufnahmen erzeugen zu können. Wir haben uns für Treppen entschieden, da diese nach Höchtl (TU München, Impact-Belastung von CFK-Strukturen am Mountainbike) die größten, reproduzierbaren Einschläge der Kette auf der Kettenstrebe hervorrufen. In unserem Fall handelte es sich bei der Teststrecke um ein Treppenset: 3 Stufen gerollt, 2 Stufen gerollt, 4 Stufen gedroppt, 4 Stufen gerollt, 5 Stufen gedroppt. Die Letzten 3 Stufen im Video wurden nicht reproduzierbar überfahren und deshalb nicht ausgewertet.
Das Ergebnis
Nachdem sowohl die Anzahl Einschläge der Kette auf Ober- und Unterseite gezählt worden sind, die benötigte Kraft zum auslenken des Käfigs sowie seine Rückstellkraft gemessen worden sind, ergibt sich folgendes Ergebnis:
1. Shimano Saint
Die höchste Kraft, die zweitwenigsten Impacts – Shimanos Saint Schaltwerk hat die Kette im Griff. Das liegt an Shadow+, aber auch an dem extrem kurzen Käfig. Ohne den kommt es nämlich ab Werk mit einer niedriger eingestellten Reibung aus, als sie beim längeren XTR-Modell nötig ist. Insgesamt ist die Performance sehr gut. Ohne Dämpfung liegt die benötigte Auslenkkraft deutlich niedriger, aber immer noch auf einem hohen Niveau, signifikant über einem herkömmlichen XO Schaltwerk, noch deutlicher über einem XTR-Schaltwerk.
# Shimano Saint, Shadow+ ausgeschaltet, großer Bogen.
# Shimano Saint mit Shadow+ hat die Kette bestens im Griff
Allerdings ist das Saint mit 273g das schwerste Schaltwerk im Test, die Gesamtkapazität ist beschränkt. Zusätzlich zur gut funktionierenden Dämpfung wird auch eine härtere Feder verbaut, was der Funktion ebenfalls zugute kommt.
- 273g
- 63N Auslenkkraft
- 33N Rückstellkraft
2. SRAM XO Type2
In Sachen Auslenkkraft der Saint knapp unterlegen, zählten wir in unserem Fahrversuch sogar einen Impact weniger, die Modelle sind auf Augenhöhe. Dafür zuständig ist auch der beinahe identisch kurze Käfig (Saint: 51mm, XO: 55mm) und die damit verbundene reduzierte Kapazität. Allerdings ist dieses Modell deutlich leichter, die Waage wird mit nur 227g belastet.
# Sram XO Type2 macht einen guten Job, trotz großer Bögen die wenigsten Impacts im Test.
Die Dämpfung lässt sich nicht ausschalten, dank CageLock ist das Hinterrad aber sehr leicht zu demontieren. Wer den Kompromiss aus Gewicht und Performance sucht, ist hier richtig – solange er mit der Kapazität leben kann.
- 227g
- 58N Auslenkkraft
- 25N Rückstellkraft
# Shimano XTR Trail ohne Dämpfung verliert die Kette.
# Shimano XTR Trail mit Dämpfung funktioniert dagegen sicher.
Ohne Dämpfer fällt die schwache Feder auf, die auch für die geringe Rückstellkraft verantwortlich ist. (Und ganz nebenbei auch für die geringen Schaltkräfte der XTR.) Keine Dämpfung und langer Käfig sorgen mit der schwachen Feder dafür, dass auch im Video die Kette langsam verloren geht. Trotz großer Kapazität und Dämpfer stellt Shimano hier mit 213g das leichteste Schaltwerk mit Dämpfung im Test. Unsere Bitte an Shimano: XTR Shadow+ auch mit Shortcage anbieten!
- 213g
- 49N Auslenkkraft
- 11N Rückstellkraft
Bisher galt das XO Shortcage mit seiner harten Feder in Käfig und Parallelogramm als eines der sichersten Schaltwerke am Markt. Die Messungen bestätigen dieses Gefühl, doch in Zeiten von Freilaufdämpfungen hat das XO-Schaltwerk ohne Type2 das Nachsehen. Zwar funktioniert es immer noch besser, als ein ausgeschaltetes XTR Trail, doch warum sollte jemand so etwas tun?
# Sram XO – Kettengeklapper, aber recht sichere Führung.
In unserem Versuch hat es die Kette an Ort und Stelle gehalten, allerdings mit wesentlich mehr Schlägen auf die Kettenstrebe. Davon abgesehen ist es das leichteste Schaltwerk im Test.
- 197g
- 27N Auslenkkraft
- 27N Rückstellkraft
Disclaimer
Die fast rein statischen Testmethoden und die Auswertung nur weniger Videos (jeweils zwei Fahrversuche) sind aus wissenschaftlicher Sicht klar zu bemängeln. Dennoch deckt sich das Ergebnis mit der subjektiven Wahrnehmung während der Fahrt: Die gedämpften Schaltwerke sorgen für eine leisere Fahrt und weniger verlorene Ketten. Auch der kurze Käfig wirkt sich – das ist nicht neu – positiv aus, auch er hält die Kette sicherer an Ort und Stelle. Dennoch ist auch ein gedämpftes, kurzes Schaltwerk kein Garant für einen sicheren Antrieb, hier lohnt besonders die Betrachtung des Schaltwerk-Parallelogramms in Slowmotion. Wir freuen uns schon auf das XX1-Schaltwerk, welches hier noch mehr Ruhe in die Kette bringen sollte.
# Messergebnisse im Überblick
Fazit
Wer sich anschaut, wie weit die Kette teilweise vom Kettenblatt abgewickelt wird, versteht warum eine Rolle – oder ein Gleitelement – hinter dem Kettenblatt Sinn macht. Rückwärts pedalieren kombiniert mit Schlägen wird ohne Kettenführung wahrscheinlich zum Kettenverlust führen. Dennoch sorgt, egal ob bei SRAM oder Shimano, die Dämpfung für wesentlich weniger Einschläge auf der Kettenstrebe. Am deutlichsten ist der Unterschied bei Shimanos XTR Trail Schaltwerk, doch auch bei XO und Saint reduziert die Dämpfung die Impact-Anzahl um ungefähr die Hälfte. Der Test zeigt aber auch: Neben einer guten Dämpfung ist ein kürzerer Käfig für die Kettensicherheit von Vorteil. Die Kombination aus beidem sticht hier hervor.
206 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumIch bin keine Maschine und kann daher nicht sagen, ob sich die Reibung mit der Zeit verringert oder man sich nur dran gewöhnt. Ich haben anfangs auch kurz geschluckt, aber nach ein paar km habe ich nichts mehr gemerkt und nebenbei ist meine Schalthebelposition nicht absolut ergonomisch.
Es ist wirklich nicht schlimm...
Alles klar, danke für die Rückmeldung.
Gerne.
Ich fahre ja n Zee Schaltwerk zusammen mit einer XX1 Kurbel und hatte noch keinen einzigen Kettenabwurf. Geile Sache, finde ich.
Also zum Thema Zee und Kettenspannung, man kann´s auch im DH ohne KefüRolle unten fahren ohne Kettenverlust (außer weit oben geschalten und rückwärts getreten im Stand...).
Ich hatte zudem ein Schaltröllchenverlust sodass mir das oberste Röllchen am Schaltwerk auf der Downhill in Liberec verloren gegangen ist aber ich konnte trotz schlappernder Kette (Kette hat ja keine Spannung bzw ist ja dann viel zu lang) durch das Shadow+ mit nur dem unterstem Röllchen weiterfahren !
Leichengräber
MfG Jaimewolf3060
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