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Gut und günstig? Die Shimano Deore Scheibenbremse im Test

Wie gut ist die aktuelle Shimano Deore Gruppe? Auf was muss man verzichten, wenn man sich für die Deore 2014 entscheidet? Nachdem wir gestern der neue Shimano Deore Schaltgruppe im Praxistest auf den Zahn gefühlt haben, haben wir nun passend dazu den Test der Shimano Deore Scheibenbremse für euch zum Lesen. Nach den eher hochpreisigen Bremsen wie der Formula R1 Racing oder der Hope E4 kommt hier nun eine der günstigsten Bremsen auf dem Markt im Test. Wie sich die Shimano Deore M615 Scheibenbremse in der Praxis schlägt, haben wir im Fahrbericht für euch zusammengefasst.

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# Unser Testbike aufgebaut: 13,25 kg bringt es so wie hier gezeigt auf die Waage - mit verbaut ist die komplette aktuelle Shimano Deore Gruppe - hier kommt der Testbericht der Komponenten.

Shimano Deore Scheibenbremse

Technische Daten

Hersteller: Shimano
Modell: Deore (BL-M615 / BR-M615)
Modelljahr: 2014
Kategorie: Scheibenbremse
Einsatzbereich: XC, Trail, All-Mountain

Bremshebel
System: Hydraulisch, mit Ausgleichsbehälter
Material Hebel: Aluminium
Material Zylinder: Aluminium
Material Schrauben: Stahl
Bremsleitung: Kunststoff (100cm vorne, 165cm hinten)
Bremsmedium: Mineralöl
Klemmschelle: geteilt
Montage: seitengebunden
Farbe Hebel: schwarz
Farbe Geberzylinder: grau

Bremszange
Material: Aluminium
Anzahl Kolben: 2
Durchmesser Kolben: k.A.
Montage: PM160
Material Beläge: Resin (organisch) / metallisch (Ice-Tec optional)
Beläge nach oben entnehmbar: ja
Leitungsabgang: innen, nicht drehbar
Farbe: schwarz

Bremsscheiben: Einteilig (IS: 160 / 180 / 203mm) oder zweiteilig (Centerlock: 160 / 180 / 203mm)
Einstellungen: Griffweiteneinstellung über 2,5mm Inbus, keine Druckpunkteinstellung
Optionen: Ice-Tech Bremsscheiben und Bremsbeläge
Gewicht: 521 g / 479 g (Vorderrad, 203mm inkl. Adapter / Hinterrad, 180mm inkl. Adapter)
Preis: ab 84,90€ (1x Bremse inkl. Stahlscheibe)

In der Hand

Deore vs. den Rest

Über die Jahre hat Shimano die in den teuren Bremsen eingeführten Technologien schrittweise in die günstigeren Modelle einfließen lassen. Die aktuelle Shimano Deore Scheibenbremse ist zwar das günstige Einstiegsmodell der Japaner, doch auch sie verfügt mittlerweile über einen Servo Vave Bremshebel und ist mit einer I-Spec-Klemme ausgestattet, über die Schalthebel direkt am Bremshebel montiert werden können. Damit fehlen der günstigen Deore, die für deutlich unter 100€ pro Bremse verfügbar ist, nur die Ice-Tech-Systeme wie Bremsbeläge mit Kühlrippen und zweiteilige Bremsscheiben mit Aluminiumkern. Wer diese Features jedoch mit einer Deore kombinieren will, der kann das problemlos tun: Eine Nachrüstung ist möglich.

# Unser Testbike verfügt über eine aktuelle Shimano M615 Scheibenbremsanlage - die Scheiben messen 203 mm am Vorderrad und 180 mm am Hinterrad

In der Regel überzeugen Shimano Produkte immer wieder mit erstklassigen Material- und Oberflächenqualitäten. An der günstigen Deore lässt sich zwar eindeutig erkennen, dass hier auf den Preis geachtet worden ist, doch die Bremse macht noch immer einen soliden Eindruck. So wirkt der Geberzylinder wesentlich günstiger als bei der dreimal so teuren Top-Gruppe XTR, doch die fast identische Ergonomie und die noch immer saubere Verarbeitungsqualität sorgen dafür, dass abgesehen von der Optik auch bei der günstigen Deore an sich keine Abstriche gemacht werden müssen.

# Der Hebel der Deore ist optisch den teureren Gruppen extrem ähnlich - verzichten muss man nur auf die werkzeuglose Hebelweiteneinstellung und eine Druckpunktverstellung.

Günstige Materialien sorgen häufig dafür, dass kostenoptimierte Produkte schwerer sind. Im Falle der Shimano Deore Scheibenbremse ist das Gewicht in der Tat mit 521g (Vorderradbremse mit 203mm Scheibe inkl. Adapter SM-MA-F203 P/P) relativ hoch, doch im direkten Vergleich mit einer Shimano SLX oder Shimano XT zeigt sich, dass die teureren Modelle aus dem selben Hause ebenfalls keine Leichtgewichte sind. Selbstverständlich gibt es wesentlich leichtere Bremsen auf dem Markt, doch häufig stehen die Aufpreise in einem schlechten Verhältnis zu den Gewichtseinsparungen. Die Bremsscheiben selbst wiegen 178 g (203 mm) und 139 g (180 mm).

Für unseren Test haben wir die Shimano Deore Scheibenbremse mit einer 203mm Scheibe an der Front und einer 180mm Scheibe am Hinterrad gefahren. Diese Kombination hat sich in den letzten Jahren für viele Fahrerinnen und Fahrer als sehr guter Kompromiss herausgestellt und bietet in der Regel sehr gute Reserven. Mit meinen 72kg inklusive Ausrüstung habe ich jedenfalls bisher keine anderen Erfahrungen gemacht – es sei denn, die Bremse selbst ist nicht standfest gewesen. Die Idee hinter den verschiedenen Scheibengrößen ist, dass die große Scheibe am Vorderrad maximale Bremsleistung bieten kann, während die kleinere Scheibe am Hinterrad dem Umstand Rechnung trägt, dass die maximal übertragbare Bremsleistung am Hinterrad ohnehin reduziert ist. Im Gegenzug bietet die kleinere Scheibe eine bessere Dosierbarkeit.

Aufbau

Vom Aufbau her entspricht die Shimano Deore Scheibenbremse dem, was wir von den aktuellen Shimano Bremsen gewohnt sind. Der kompakte und länglich gestaltete Geberzylinder wird von einem ergonomisch bewährten Zweifingerhebel bedient. Eine Besonderheit der Shimano Bremsen ist die Servo Wave-Technologie, die durch eine Übersetzung dafür sorgen soll, dass die Bremse ein größeres Belagspiel für einfache Einstellung hat und gleichzeitig bei geringen Fingerkräften eine hohe Bremsleistung ermöglicht.

Die Bremszangen der Shimano Deore sind für maximale Steifigkeit und kostengünstigere Fertigung zweiteilig ausgeführt. Bei den Belägen stehen von Haus aus organische Resin-Beläge oder metallische Beläge zur Wahl. Die organischen Beläge sollen in der Praxis leiser sein und ihre Bremskraft leichter dosierbar entfalten, während die Metallbeläge mehr Bremsleistung bringen sollen aber auch entsprechend bissiger sind. Ein schönes Detail ist, dass der Leitungsabgang an der Bremszange innen angesetzt ist. So ist sie gut geschützt. Ein Tribut an den günstigen Preis ist jedoch, dass der Leitungsabgang nicht drehbar gestaltet ist. So ist im Zweifelsfall die Leitungsführung etwas eingeschränkt, doch an unserem Testbike ist die Montage problemlos gewesen. Außerdem müssen Kunden der Deore Scheibenbremse auf die höherwertigen Keramikkolben verzichten, die Shimano in den teureren Modellen verbaut.

# Der Leitungsabgang befindet sich auf der Innenseite und ist nicht drehbar - so kann dennoch ein guter Schutz für die Leitung gewährleistet werden. Die Beläge sind nach oben herausnehmbar.

Montage

Die Servo Wave-Technologie der Shimano Scheibenbremsen soll unter Anderem dafür sorgen, dass die Bremse einen ausreichend großen Lüftspalt bietet. So ist auch die aktuelle Shimano Deore Scheibenbremse problemlos einzustellen. Durch die Post Mount-Aufnahme der Bremszange können bei gezogenem Bremshebel die Befestigungsschrauben angezogen werden und das Ergebnis ist bereits sehr gut. Sollte die Scheibe dennoch schleifen, so kann von Hand nachjustiert werden. Hier wirkt sich der Umstand positiv aus, dass die Beläge nach oben entnommen werden können und so der Spalt zwischen Belag und Scheibe gut einzusehen ist.

Die Montage der Bremshebel am Lenker ist dank geteilter Klemme denkbar einfach und funktioniert problemlos. Wer Shimano Schalthebel fährt, kann über den I-Spec-Standard diese direkt an der Klemmschelle der Bremse montiert werden. Das spart Gewicht und sorgt für eine saubere Optik am Lenker.

Nachdem alle Komponenten montiert sind, haben wir die Bremse selbst noch auf unsere Bedürfnisse angepasst. Der Zweifingerhebel lässt sich mit Hilfe eines 2,5mm Inbus-Schlüssels in der Weite einstellen. Eine Einstellung von Hand ist nicht möglich, doch effektiv ist diese Einstellung auch nicht besonders häufig vorzunehmen. Die Griffweite lässt sich dabei in einem ausreichend großen Bereich einstellen, so dass auch für kleine Hände eine passende Stellung gefunden werden kann. Abgesehen von dieser Einstellung bietet die Deore keine weiteren Möglichkeiten zur externen Anpassung: Druckpunkt und weitere Features bleiben den teureren Modellen vorbehalten. Ob sich diese Abstriche im Funktionsumfang in der Praxis negativ bemerkbar machen, haben wir im Praxistest überprüft.

Auf dem Trail

Insgesamt neun Monate haben wir die Shimano Deore Scheibenbremse über die Trails im Alpenvorraum und den Mittelgebirgen gescheucht. Die zentrale Frage ist dabei gewesen: Ist der günstige Preis in der Praxis in einer geschmälerter Performance spürbar? Oder ist die Deore Scheibenbremse abgesehen von einem etwas günstigerem Finish und dem Verzicht auf Einstellungoptionen eine sehr gute Wahl? Unser Hauptaugenmerk haben wir in den Praxisausfahrten folglich auf die drei eigentlichen Qualitäten der Bremse gelegt: Bremsleistung, Dosierbarkeit und Standfestigkeit.

Bremsleistung

Shimano verspricht, dass durch die Verwendung von weitestgehend identischen hydraulischen Übersetzungen und ähnlich konstruierten Bremszangen die günstige Deore von der Bremsleistung her den teureren Bremsen in Nichts nachstehen soll. Unser Praxistest zeigt, dass die Wahl der Beläge einen großen Unterschied macht. Von Werk aus haben wir die organischen Beläge montiert gehabt, die schnell eingebremst gewesen sind und anschließend in Verbindung mit der 203mm Scheibe an der Front eine gute Bremsleistung geboten haben. Der Wechsel auf die optionalen metallischen Beläge hat jedoch einen deutlichen Anstieg der Bremsleistung zu Folge gehabt. Dennoch ist die Deore von der absoluten Bremskraft im direkten Vergleich mit der Formula R1 Racing oder der teureren Schwester XTR Trail etwas schwächer gewesen. Doch für den Preis der genannten Bremsen könnte man sich über mehrere Jahre mit günstigen Shimano Deore Scheibenbremsen eindecken…

Trotz der an sich guten Leistung würden wir die an sich sehr universell einsetzbare Bremse für den Downhill-Einsatz nicht empfehlen. Für alle anderen Einsatzbereiche bietet sie jedoch – insbesondere bei entsprechender Wahl der Beläge und der Scheibengröße in jedem Fall genug Bremsleistung. So steht auch mit einem Finger am Bremshebel genügend Bremskraft zur Verfügung. Angst vor unbeabsichtigten Abgängen über das Vorderrad braucht man dennoch nicht zu haben – so bissig ist die Bremse nicht.

Um den Einfluss der Scheibengröße auf die Bremsleistung festzustellen, haben wir testweise am Vorderrad die große 203mm Scheibe durch eine kleine 160mm Scheibe ersetzt. Dieser Wechsel hat einen unmittelbar spürbaren Abfall der Bremsleistung nach sich gezogen, während die Bissigkeit auch bei metallischen Belägen ebenfalls deutlich nachgelassen hat. Für Einsteiger und den XC- oder Trail-Einsatz ohne lange Abfahrten ist die so gebotene Bremskraft noch immer ausreichend gewesen, doch eine 180er-Scheibe oder wie von uns getestet die große 203mm-Option sorgen dafür, dass die Bremse deutlich mehr Sicherheit vermitteln kann.

# In steilem Gelände lässt sich die Deore gut dosieren - nur wer lange schleifen lässt und schwer ist, bekommt leichtes Fading zu spüren.

Dosierbarkeit

Die Servo Wave-Bremsen von Shimano nutzen eine Übersetzung am Hebel, um ihre Bremsleistung zu steigern. Der Druckpunkt am ergonomisch sehr gut gestalteten Bremshebel der Deore fällt Shimano-typisch relativ weich aus. Persönlich kommt das Layout der Shimano-Hebel meinen Fingern sehr gut entgegen, so dass auch auf langen Abfahrten die Finger entspannt bleiben. Unterstützt wird die insgesamt gelungene Ergonomie durch relativ niedrige Bedienkräfte. Die Modulation der Bremskraft über die Fingerkraft am Druckpunkt ist entsprechend fein möglich und nach dem Anlegen der Beläge steht am Hebel noch ein kleiner Weg zur Verfügung, über den dosiert werden kann. So lässt sich die zur Verfügung stehende Bremskraft gezielt einsetzen und erlaubt schöne Manuals, die über die Bremse kontrolliert werden. Wer hingegen auf einen harten Druckpunkt ohne weiteren Hebelweg Wert legt, der sollte sich eher nach einer anderen Bremse umschauen.

Standfestigkeit

Die Bremse ist ein Bauteil, das am Mountainbike unter keinen Umständen versagen darf. Zu den grundlegenden Erwartungen gehört daher, dass sie nicht nur kurzfristig hohe Bremsleistungen bietet, sondern auch nach langen Dauerbremsungen nicht in die Knie geht. Da die Shimano Deore Scheibenbremse häufig an günstigen Einsteiger-Bikes montiert ist, kommt diesem Punkt eine besondere Bedeutung zu. Schließlich starten die wenigsten Anfänger mit massiven Downhill-Ankern wie einer Shimano Saint, sondern entwickeln gute Bremstechnik erst im Laufe der Zeit mit einer günstigen Bremse.

# Laufen lassen - Mit den großen Bremsscheiben hat die Deore M615 Scheibenbremse auch mit hohen Geschwindigkeiten keine Probleme.

Die Shimano Deore hinterlässt hier im Test einen insgesamt zufrieden stellenden Eindruck. Wie eingangs beschrieben unterscheidet sie sich von den teureren Bremsen von Shimano dadurch, dass sie teilweise günstigere Materialien einsetzt und ohne Ice-Tech-Beläge und -Scheiben auskommen muss. Im Gegensatz zur etwas teureren Shimano SLX Scheibenbremse fehlen der Deore außerdem die Keramik-Kolben, die für einen verbesserten Hitzeschutz in der Bremszange sorgen sollen. Auf langen Abfahrten wird das in Verbindung mit den organischen Belägen spürbar, wo eine weitere Erhöhung der Fingerkraft teilweise zu einer leicht reduzierten Bremskraft führt. Eine Verzögerung bis zum Stillstand ist dennoch möglich gewesen – wenn auch mit einem verlängerten Bremsweg. Um die Bremse zu diesem Punkt zu bringen ist allerdings einiges an Arbeit nötig: diesen Effekt habe ich nur nach bewusst langen Schleifpassagen über mehrere hundert Höhenmeter realisieren können.

Wer hier auf Nummer Sicher gehen möchte, der sollte über die Investition in die metallischen Ice-Tec-Beläge mit Kühlrippen nachdenken. Sie können im Zweifelsfall einen wahrnehmbaren Unterschied machen und die Sicherheit erhöhen. In unserem Test haben die Metallbeläge keine Probleme mit hohen Temperaturen gehabt. Ähnlich verhält es sich bei Verwendung einer kleineren Bremsscheibe am Vorderrad. Hier werden schneller hohe Temperaturen erreicht, die für den Abfall der Bremsleistung verantwortlich sind.

Verschleiß

Mit einem fahrbereiten Gewicht von 72kg und insgesamt sauberer Fahrtechnik habe ich die Bremse vom Verschleiß her im Testzeitraum nicht wirklich beanspruchen können. Aufgefallen ist jedoch, dass die metallischen Beläge einen höheren Verschleiß aufgewiesen haben, während der Verschleiß an den von Haus aus montierten organischen Belägen sehr gering ausgefallen ist.

Innerhalb des Testzeitraums haben wir keine Probleme mit der Dichtigkeit der Bremse gehabt. So hat sie nach wie vor einen harten Druckpunkt und arbeitet in dieser Hinsicht sehr zuverlässig.

# Die Deore M615 ist eine gelungene Bremse für Einsteiger und Tourenfahrer - so überzeugt sie mit einer gelungenen Preis-Leistung und fühlt sich nicht direkt schlechter an, als die teureren Modelle aus dem selben Haus.

Shimano Deore Scheibenbremse – Fazit

Gut und günstig: Die Shimano Deore Scheibenbremse ist eine vollwertige Scheibenbremse, die nicht nur für Einsteiger eine gute Wahl darstellt. Die Bremsleistung kann mit der großen Bremsscheibe überzeugen und der niedrige Preis spiegelt sich nur in der etwas weniger hochwertigen Erscheinung wieder. Für maximale Bremsleistung und Hitzebeständigkeit empfehlen wir große Bremsscheiben und die metallischen Ice-Tec-Beläge. Nur bei Dauerbremsungen und kleinen Bremsscheiben kann es zu leichtem Fading kommen. Wer eine gute und günstige Scheibenbremse sucht und nicht jeden Tag in den Alpen Höhenmeter vernichtet, kann hier ohne Bedenken zugreifen.

Stärken

– gute Bremsleistung
– sehr gute Ergonomie
– sehr gute Preis-Leistung

Schwächen

– teilweise Fading mit organischen Belägen
– Qualitätseindruck nur Mittelklasse

Preisvergleich Shimano BR-M615

Weitere Informationen

Shimano Homepage
Fotos: Maxi Dickerhoff
Text & Redaktion: Tobias Stahl | MTB-News.de

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