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Test
Marzocchi M350 NCR – Sensible, stämmige Italienerin für Enduristi

Marzocchi M350 NCR: auf keinem Segment gibt es derzeit eine so große Auswahl an technisch ausgetüftelten Federgabeln wie für Enduro-Fahrer. Nach unserem großen Federgabel Vergleichstest im letzten Jahr haben wir die etwas spät zur Party getroffene Marzocchi M350 NCR einem Test unterzogen – wie sie sich im harten Vergleich schlägt, erfahrt ihr hier. 

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# Testkandidat - Die NCR-Version der M 350

Zum Produkt: Marzocchi M350 NCR

Test Marzocchi M350 NCR: Aus dem Karton ist klar – Marzocchi meint es ernst, die M350 ist keine aufgemotzte All-Mountain-Gabel, sondern ein echtes Gerät. Wuchtig steht sie da, trotz nominell gleichem Standrohrdurchmesser von 35 mm wie viele andere Enduro-Gabeln sieht sie richtig bullig aus, was auch an der dicken Gabelbrücke liegt. Schön dabei: Die Gabel ist ohne Taschen auf der Rückseite ausgeführt, da wird sich kein Dreck ansammeln. An der Waage macht sich der bullige Eindruck leider auch bemerkbar – mit Fernbedienung wiegt das gute Stück 2096 g. Aktuell werden für die Italienerin etwa 800 € aufgerufen, womit sie sich schon im gehobenen Preis-Segment befindet (UVP: 959 €).

# Espresso im Wald - Die Crema der Gabel besticht

Marzocchi M350 NCR im Überblick

Handhabung der Marzocchi M350 NCR

Montiert haben wir die Marzocchi in unserem ICB2.0-Prototypen (dabei war der Federweg auf 150 mm eingestellt) und dem ICB1, dann mit den 160 mm Federweg, mit denen die Gabel auch ausgeliefert wird. Die Einbaulänge der Gabel ist dabei ein gutes Stück länger als bei den Mitbewerbern: 559 mm misst sie bei 160 mm, eine Rock Shox Pike kommt bei gleichem Federweg auf etwa 8 mm weniger, die Front kommt also hier höher und der Lenkwinkel wird ein wenig flacher.

# Saubere Kabelführung - und super einfach zu reinigende Gabelbrücke mit massig Reifenfreiheit.
# Luftdruck einstellen, Zugstufe einstellen und los auf den Trail - das Setup der Marzocchi geht schnell und einfach
# Whoops - im Eifer des Gefechts beim Radeinbau fast den Anschlag des Spannhebels abgeschert.

Die Montage des Vorderrad gelingt werkzeuglos – das Steckachssystem ist ziemlich selbsterklärend. Bei einem hastigen Reifenwechsel passierte allerdings schnell das erste Ärgernis: Die Achse bis auf Anschlag eingeschraubt und – hoppala – da ist der Anschlag des Schnellspann-Hebels fast abgeschert, da scheint eine ziemlich wenig strapazierfähige Konstruktion vorzuliegen. Merke also: Eile mit Weile, ein kleiner Benutzerfehler führt hier schnell zu einem unschön abstehenden Grat, der wohl nicht mehr ewig halten wird.

# Ergonomisch sehr gut zu bedienen - der digitale Schritt für die Druckstufe einer Enduro-Gabel erwies sich aber als wenig nützlich
# Gut zu greifen und eindeutig beschriftet - die Einstellung der Zugstufe
# Die Druckstufe ist einstellbar - allerdings funktioniert die Fernbedienung quasi wie ein Lockout und lässt sich nur aufwändig durch einen Hebel ersetzen.

Kommen wir aber zum Setup. Während andere Gabeln im Enduro-Segment mit überaus vielen Knöpfen protzen, ist die Einstellung hier übersichtlicher. Den Luftdruck eingestellt bis der Sag passt und ab zur Dämpfung, die sich hier auf der linken Seite findet. Das Verstellen der Zugstufe erfolgt über einen herrlich griffigen, großen Drehknopf mit deutlicher Rasterung, klasse. Die Druckstufe wird über den goldenen Knopf links  eingestellt. Die Lenkerfernbedienung erlaubt es, die Druckstufe fast ganz zu blockieren, man könnte es auch als „weiches Lockout“ bezeichnen. Der Hebel lässt sich links oder rechts montieren, die Bedienung erfolgt leicht und direkt – so man das Lockout denn benutzt.

# Passagen wie diese nutzt die M350 - um sich von ihrer lebhaften, feinfühligen Seite zu zeigen

Testeindruck

Ab dem ersten Parkplatztest ist klar: Hier haben wir es mit einer schön feinfühligen Gabel zu tun. Das Losbrechmoment ist nämlich in der Tat gering, ob es jetzt am Espresso-Coating, den blauen Staubabstreifern oder der Konstruktion an sich liegt, spielt dabei keine Rolle. Die Marzocchi nutzt eine Negativfeder, und deren Arbeit ist deutlich zu spüren – genauer gesagt: Am Ende des Negativfederwegs ist ihr Wegfall leicht zu spüren, denn die Gabel gibt im mittleren Federwegsbereich viel Federweg frei. Damit lässt sich der Federweg gut nutzen, die Endprogression passt super: Ohne spürbare Durchschläge wird der Federweg dennoch gut genutzt.

# Die Marzocchi M350 NCR schlägt sich gut - was in Anbetracht der vielen hochkarätigen Mitbewerber schon allein eine Leistung ist.

Auf dem Trail bedeutet dieses Verhalten eine gute Traktion, denn die Gabel reagiert auch auf kleine Unebenheiten sofort. Das Verhalten spricht auch für die Zugstufendämpfung, die schnell arbeitet, ohne die Gabel verspringen zu lassen. Das sorgt zunächst einmal für ein ziemlich agiles, aber sattes Verhalten, das dazu animiert, das Tempo zu steigern. Bei dann auftretenden, schnellen Schlägen lässt die M350 aber mehr durch und schafft es nicht ganz so gut wie etwa eine BOS oder eine Pike, grobe Schläge wegzubügeln. In steilem Geläuf sorgt die etwas flache Kennlinie dafür, dass die Front tiefer als nötig kommt.

# Steifigkeit auf dem Level der Konkurrenz - und damit absolut ausreichend

In dieser Situation würde man gern mit einer mittleren Druckstufen-Position nachhelfen, doch die Fernbedienung erlaubt nur fast Lockout oder offen. Diese Funktion nutzten wir ehrlich gesagt so gut wie nie, weshalb wir über den Umbau nachgedacht haben – dazu benötigt es nicht nur Werkzeug, sondern auch einen Ersatzhebel, der dann aber eine schnelle Zuschaltung einer strafferen Druckstufe erlaubt – was wir deshalb empfehlen würden. In Sachen Steifigkeit machte die Gabel im Test einen guten Eindruck, lediglich in der Lenkpräzision macht manch anderer Mitbewerber eine noch bessere Figur.

# Feinfühlig auch im Winter - wo andere Gabeln verhärten, funktioniert die M 350 auch im Winter ziemlich gut.
# Die Marzocchi hat etwas mehr Einbaulänge als die Konkurrenz - dadurch wird jedem Bike eine bulligere Optik verpasst

Ziehen wir den Vergleich zu den Mitbewerbern. Marzocchi ist auf jeden Fall wieder zurück, die M 350 NCR ist eine gute Federgabel. In Details besteht aber Verbesserungspotential, und genau dort sind manche Mitbewerber dann eben vorn. Die schnelle Einstellbarkeit der Druckstufe etwa (nicht bloß Lockout), der letzte Feinschliff an der Federkennlinie – das machen die Pike oder die Fox 36 noch besser. Unter dem Strich arbeitet die Marzocchi recht ähnlich zur ebenfalls guten Manitou Mattoc, ist allerdings einfacher einzustellen.

# Marzocchi ist wieder da - Mit einigen kleinen Änderungen, etwa einer feiner einstellbaren Druckstufe, ginge sogar noch mehr.

Fazit zur Marzocchi M350 NCR

Schön lebendige, sehr smooth und sensibel funktionierende Gabel. Bei hohem Tempo lässt sie etwas viel der groben Schläge an den Fahrer durch, im mittleren Federwegsbereich dürfte die Kennlinie einen Ticken steiler sein. Optisch, gewichtsmäßig und durch ihren „Baller-Charakter“ rangiert die M 350 gefühlt eine halbe Nummer über der Konkurrenz.

Pro:

Contra:


Preisvergleich Marzocchi M350 NCR

Weitere Informationen

Website des Herstellers: www.marzocchi.com / www.cosmicsports.de (Vertrieb)
Text & Redaktion: Stefanus Stahl | MTB-News.de 2015
Bilder: Stefanus Stahl, Tobias Stahl

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