The Whole Enchilada und Slickrock sind die großen Trail-Ikonen in Moab/USA. Lohnt es sich, wegen ihnen nach Utah zu pilgern? Nein! In das kleine Wüstenstädtchen sollte man aus so viel mehr Gründen reisen: Da wäre die feuerrote Felslandschaft, die entspannte Outdoor-Stimmung und die zig Trail-Netzwerke, die Moab umzingeln.
Die Landschaft. Der Slickrock.
Am Himmel das Übliche: kein Wölkchen, zwei Geier. Am Boden das Übliche: Reifen auf klebrigem Slickrock. Drumherum das Übliche: eine surreal schöne Landschaft, wuchtig und weit. Wir sind im Südwesten Moabs auf Captain Ahab unterwegs. Es ist früh, sehr früh am Morgen und die Sonne ist noch angenehm milde gestimmt. Der Fels leuchtet glutrot. Kameras können diese Momente festhalten. Aber vor allem gilt es jetzt, das Herz weit zu öffnen und alles reinzulassen.
Ahab ist wohl den wenigsten ein Begriff. Slickrock Trail und The Whole Enchilada, das sind die die Ikonen, für die man anreist. Die gilt es von der Bucket List zu haken. Das restliche Trail-Netz wird da gerne ignoriert. Dabei entspinnen sich zig wilde Wollknäuel an Traumstrecken rund um das Städtchen. Jede Ecke hat ihren Charakter, ihre Ausblicke, ihren besonderen Untergrund.
Captain Ahab ist 10 Jahre jung und (obwohl so nah am Ort) etwas versteckt gelegen. Der Uphill über HyMasa ist zunächst ein Spaß, dann eine Qual. Wie so viele Bergauffahrten rund um Moab zwingt mich auch er immer wieder aus dem Sattel. Die großen Felsbrocken verlangen nach Trial-Künste. Davon zeugen auch die Spuren im glatten Felsen: Sie sind zerfurcht von Pedalhieben.
Und dennoch ist Ahab vielleicht mein Favorit unter all den Trails, die wir in und um Moab gefahren sind. Wie Wellenreiten auf einem mächtigen Walrücken. Mit ausgesetzten Passagen und engen Turns am Rande der Schlucht. Mit tiefen Drops und fiesen Gegenanstiegen. Aber auch mit viel Flow. Und wer die Trails der Alpen gewöhnt ist – den losen Untergrund, die glitschigen Wurzeln, das unberechenbare Gestein – für den ist der zuverlässige Slickrock-Grip eine Erleuchtung. Für uns zumindest ist HyMasa und Ahab ein 14,5 Kilometer Loop in einer der spektakulärsten Kulissen, die unser Planet wohl zu bieten hat…
Moab: Eine Verortung
Moab liegt im Osten von Utah. Salt Lake City, Las Vegas, Denver, Phoenix sind allesamt potentielle Zielflughäfen für uns Europäer – und von jedem dieser Orte muss man sich für die Anreise gut Zeit lassen. Nicht so sehr wegen der Distanz, sondern vielmehr wegen der vielen Dinge, die auf dem Weg nicht links liegen gelassen werden dürfen. Sedona und Flagstaff oder Cedar City und Park City oder Breckenridge und Boulder – man muss hier stoppen, zum Biken, zum Wandern in den Nationalparks und zum ungläubig staunen.
Wer Zion und Bryce Canyon gesehen hat, der ist auch vorbereitet auf die zwei (recht gegensätzlichen) Nationalparks, vor Moabs Toren: Zum einen Canyonlands, das die gewaltigen Dimensionen vor Augen führt, die der Colorado River in dieses Hochplateau geschnitten hat. Und zum anderen die grandiose, unwirkliche Landschaft von Arches mit seinen verrückten geologischen Formationen, den massiven Wänden, den schlanken Bögen mit enormer Spannweite und den aufeinander balancierenden Blöcken, die aussehen als hätte Obelix mit ihnen Bauklötzchen gespielt. Arches ist genauso wie man es von Bildern kennt. Nur grandioser.
„Everybody is here for the outdoors“, sagt Julie Cornelius. Sie natürlich auch. Julie kennt man vielleicht als Gründerin von World Ride, einer NGO, die in Nepal, Guatemala, Peru und Lesotho Frauen zu Bike-Guides ausbildet und einzigartige Reisen in die Länder organisiert – wer das besondere Bike-Erlebnis sucht, landet schnell bei World Ride.
Ist sie nicht unterwegs, arbeitet Julie als Bike-Guide und Fahrtechnik-Coach in Moab. Sie stammt allerdings ursprünglich aus Phoenix/Arizona (dass das Biken dort durchaus ebenfalls empfehlenswert ist, lest ihr hier). Aber dennoch ist sie in das 10.000 Einwohner Städtchen nach Utah gezogen. Wegen der Weite, sagt sie, „und weil es so unfassbar variantenreich ist und die Community so besonders.“ Besonders bike-fixiert, das sind die Leute hier definitiv. Und das hat Tradition…
Bike-Historie: Wie Moab zur Kultstätte wurde
Im letzten Jahrhundert war Moab gar nicht so sehr für seine leuchtenden Fels, sondern mehr für seine strahlende Industrie bekannt: in den 1950er Jahren kannte man den Ort als „Uranium Capital of the World“. Vielleicht auch wenig überraschend, dass Tourismus damals kaum eine Rolle gespielt hat. Doch der Bedarf an Uran flaute ab und Anfang der 80er Jahre schloss die letzte Mine. Was tun, wenn einem der radioaktive Job genommen wird? Das Leben neu aufrollen – mit Bikes.
John Groff und seine Söhne Robin und Bill waren arbeitslos, aber auch begeisterte Radfahrer. Und so eröffneten sie 1983 kurzerhand den ersten Rad-Shop in Moab namens Rim Cyclery und führten neben Rennrädern auch diese neuen Bikes mit breiten Reifen, die gerade in Marin County aufgekommen waren. Einer der ersten Specialized Stumpjumper stand bald bei den Groffs im Shop.
Robin half einem Freund als Bike-Cowboy dabei, die Kühe zusammenzutreiben und versuchte sich auch am Slickrock Trail, den 1969 Motorradfahrer für sich entdeckt hatten. Als ein National Geographic-Fotograf die Mountainbiker zufällig auf dem weißen Fels sah und abdrückte, nahm die Geschichte ihren Lauf: Moab landete auf dem Cover der allerersten Ausgabe des Mountain Bike Magazine. So wurde der Ort zur MTB-Kultstätte – und er ist es bis heute.
Auch wenn die Slickrock Trail & Enchilada-Abhaker es nicht wahrnehmen: Der Trail-Traum um Moab ist über die Jahre immens gewachsen. Wir sind in alle Himmelsrichtungen gefahren, um so viel zu entdecken wie nur möglich – und sind doch nur einen Bruchteil von dem gefahren, was hier geboten wird. Deshalb haben wir Julie gebeten, uns ihre Favoriten vorzustellen:
Julies Trail-Tipps
Das Biken in Moab ist extrem vielseitig, aber generell kann man sich vor allem auf riesige Felsen, technischen Slickrock und Sand einstellen. Jedes Trail System hat seinen eigenen Charakter. Hier kommen meine Favoriten.
Navajo Rocks Mein Tipp zum Warmfahren in Moab. Die Trails sind mittelschwierig und man kann sich gleich auf Slickrock austoben und sich an den Fels gewöhnen. Dazu gilt es auch einige technische Brocken zu bewältigen, die für uns hier auch so typisch sind.
Horsethief Die Aussicht ist einfach nur sensationell und die Trails super spaßig. Man kann Rodeo & Co mit den Navajo Rocks Trails verbinden oder sogar den Mag 7 zurück nach Moab nehmen. Über 30 Kilometer …
Dead Horse Point Ebenfalls empfehlenswert zum Auftakt sind die flowigen, schnellen Trails hier am Rand vom Canyonlands Nationalpark und die Aussicht ist gewaltig. Man ist weit, weit oben und blickt tief, tief hinab auf den Colorado River. Im Grund surft man ganz entspannt auf dem Hochplateau dahin, aber es gibt auch ein paar anspruchsvollere Stellen.
Klondike Bluff liegt im Norden der Stadt und bietet eine Bandbreite an unterschiedlichsten Trails. Der untere Teil mit Jurassic, Jasper, Agate ist smooth und flowig. Im oberen Teil wird es technischer und der Slickrock-Anteil ist höher. Ich mag es dort, weil es sehr einsam ist und man kurze Loops genauso fahren kann, wie richtig lange Touren, wenn man die Trails miteinander verknüpft.
The Whole Enchilada Der Klassiker schlechthin und das nicht ohne Grund. Eigentlich ist er eine Aneinanderreihung an Trails. Wenn das Wetter passt, man ausreichend Zeit mitbringt und die gesamte Strecke fährt, dann erlebt man einen einzigartigen Landschaftswechsel von hochalpin bis Wüste. Es geht natürlich primär bergab, aber wie immer in Moab muss man dazwischen auch klettern. Das unterschätzen viele!
Amasa Back Captain Ahab ist hier einer der technisch anspruchsvollsten Trails und einer der beliebtesten der Locals. Er ist nicht weit von der Stadt entfernt. Die Strecken dort sind generell eher technisch und anspruchsvoll und ideal für Biker, die eine Herausforderung suchen. Die beliebteste (und meiner Meinung nach spaßigste) Weg in das Trail-Netzwerk ist Captain Ahab. Es gibt einen technischen Anstieg hoch zum Trail und dann eine Abfahrt voller großer Felsen und Features.
Sandflats mit Slickrock Trail Die Legende. Was soll man sagen? Grandiose Aussicht, perfekter, Grip und ein anstrengendes Wellenreiten: Das felsige Auf und Ab hält Gegenanstiege parat, die dich immer wieder aus dem Sattel zwingen. Es mag nicht so aussehen, aber die Strecke ist anstrengend und liegt so exponiert, dass es schnell richtig heiß wird. Also ausreichend Flüssigkeit mitbringen und so früh wie möglich starten… Ganz neu ist im Sandflats Trails System ein Stück weiter östlich der Falcon Flow Trail – eine spektakuläre Fahrt am Rande eines Canyons.
Anreise & Region
Bike-Verleih, Shuttles & Guides
Die Shops in Moab sind super ausgerüstet und bieten eine erstklassige Verleihflotte. Neben Poison Spider ist auch Chile Pepper besonders empfehlenswert – sie bieten auch Shuttles und Guiding an. Julie guidet für Rim Tours, Tagestouren wie Mehrtagestouren!
Anreise
Je nach Wunsch bzw. Strecke fliegt man nach Salt Lake City (300 Meilen bis nach Moab), Denver (350 Meilen) oder Las Vegas (450 Meilen). Wer von Westen kommt, sollte versuchen, die Route 12 über Bryce, Escalante und Boulder zu nehmen. Sie ist wohl einer der schönsten und abwechslungsreichsten Straßen auf diesem Planeten. Wir sind von Vegas über diverse Nationalparks nach Moab getingelt – auf dem Weg liegen u.a. Zion, Red Cliffs, Bryce Canyon, Capitol Reef und Canyonlands. Und übrigens auch Virgin, der Austragungsort der Red Bull Rampage.
Was gibt es sonst noch?
Viel, sehr viel zu tun! Vor den Toren Moabs stellen sich im Nationalpark Arches die spektakulärsten Red Rocks-Gebilde vor Augen, die man sich nur vorstellen kann. Empfehlenswerte Tour hier: Der Loop im Devil’s Garden ist nicht nur landschaftlich spektakulär, sondern auch einsam, weil man kraxeln und trittfest sein muss. Beste Uhrzeit wie stets: vor 6 Uhr oder abends nach 17 Uhr.
In Moab selbst gibt es mehrere superschöne Hikes, die zwischen den mächtigen Wänden an kleinen Bächen entlangführen und urplötzlich an Wasserfällen mit Bademöglichkeiten enden. Man kann auf dem Colorado River paddeln, klettern und wer (aus irgendeinem Grund) gern 4×4 fährt, kann auch das ausgiebig tun.
Wo kehrt man ein?
In Moab reiht sich ein Geschäft ans andere. Für Kaffee, Frühstück und Lunch stoppt man bei der Garage Co. Direkt nebenan gibt es bei der Moab Coffee Roasters sogar eine Eigenröstung. Noch ein Café: Love Muffin. Die bevorzugten Restaurants der Locals: 98 Center, Sabaku Sushi, Antica Forma für Pizza und Miguel’s für Mexikanisch. Das Desert Bistro ist sehr gut, aber auch etwas hochpreisig. Inmitten von Moab findet sich auch der Food Truck Park mit Sushi & Tacos, Waffeln & Hot Dogs, Eis & noch mehr Süßes.
Fazit
Nach Moab fährt man nicht nur um die Trail-Legenden abzuhaken. Moab ist ein Erlebnis. In dieser Landschaft auf dem Bike unterwegs zu sein ist einfach unglaublich und sicherlich etwas, das man sein Leben nicht vergessen wird. Allerdings sollte man kein Problem mit frühem Aufstehen und der Sonne haben. Dazu ein gesundes Herz und Oberschenkel mit Wumms. Die Trails und Loops sind konditionell keineswegs zu unterschätzen.
Übrigens – vielleicht hat es der ein oder andere bemerkt, wir waren schon einmal in Moab unterwegs. Ganze 7 Jahre ist das ganze jetzt her. Wer sich unseren Besuch damals noch einmal vor Augen führen möchte, schaut hier vorbei: Spotcheck Moab – Trailträume im Nirgendwo.