MTB-News.de

Spot-Check Val Maira
Trail-Abenteuer in den Westalpen

Die Westalpen sind in der Enduro-Szene durchaus bekannt. Finale Ligure ist für viele ein beliebtes Ziel, die Gegend um Les Orres ist durch die letztjährige Enduro World Series noch im Gedächtnis und das Aostatal ist sowieso für seine Schönheit bekannt. Doch was liegt zwischen diesen „berühmten Orten“? Die Jungs von AlpineBiking haben euch einen Spot-Check aus dem Val Maira mitgebracht.

Vollständigen Artikel lesen …

Südwestlich von Turin, ca. auf der Höhe von Les Orres, liegt das Val Maira. In unserer Recherche wurde das Val Maira immer wieder als das „schwarze Loch Europas“ bezeichnet, das stark mit der Abwanderung der Bevölkerung zu kämpfen habe und wo ganze Dörfer verlassen sein sollten. Auch das in Kriegszeiten gut ausgebaute Wegenetz wurde erwähnt.

Für uns klang das wie der perfekte Ort zum Mountainbiken. Viele Wege bis hinauf auf die Gipfel der Berge, wenige Leute und ein bisschen Abenteuer. Also haben wir unsere Sachen gepackt und sind ins Val Maira gefahren. Dort angekommen mussten wir feststellen, dass das Loch gar nicht so schwarz ist, wie wir es erwartet hatten. In jedem Ort war ca. die Hälfte der Häuser frisch renoviert, von ihrem ursprünglichen Charme hatten sie aber nichts verloren. Auch die Mountainbikekarte aus der Touristeninfo sah nicht aus, als wären wir die ersten, die auf die Idee kamen, hier Biken zu gehen. Für euch haben wir uns die Region näher angeschaut und einen Spot-Check gemacht.

Spot-Check Val Maira

Colletto Sarasin

Ausgangspunkt unserer ersten Tour ist der Ort Prazzo Inferiore, von hier aus geht es rauf zum Coletto Sarasin zwischen dem Punta Colour und Rocca di Ciarm.

Die ersten Kilometer führen entlang der Straße ca. 400 hm das Tal hinauf bis nach Villaro. Die wenig befahrene Straße verläuft durch idyllische Örtchen mit Blumenkästen vor den Fenstern, Bänken vor den Häusern für die zeitunglesenden Bewohner und bunten Marktständen auf dem Hauptplatz. Anschließend geht es von der Hauptstraße ab auf einer schmalen, steilen, aber durchgehend geteerten Straße den Hang hinauf. Für ca. 200 hm führt die Straße durch einen leichten Wald und immer wieder vorbei an einzelnen Häusern.

Nachdem man über eine Brücke das Vallone Traversiera kreuzt, ändert sich die Wegbeschaffenheit und aus der Straße wird eine noch steilere Forststraße mit vielen großen, losen Steinen und ausgewaschenen Wasserläufen. Auch die Umgebung ändert sich: der Wald wird lichter und macht den Weg frei für tolle Ausblicke hinab ins Val Maira und auf die umliegenden Berge.

# Bergauf aus eigener Kraft ...
# ... bergab mit einem Grinsen im Gesicht

Die letzten 200 hm ab den mit Kuhglocken geschmückten Hütten bis zum Col muss das Rad geschoben oder getragen werden. Vorbei an weidenden Kühen und Pferden geht es einen schmalen Wiesenpfad hinauf. Hinab geht es auf der Rückseite des Colletta Sarasin zuerst über Wiesenwege ohne große Schwierigkeiten, allerdings teilweise recht steil, bis zu einem Wäldchen. Hier wird der Weg wurzliger und die ein oder andere Spitzkehre erschwert den Weg. Auch die kurzen Zwischenanstiege fordern den Flow heraus.

# Einige Spitzkehren und Zwischenanstiege fordern den Flow heraus ...
# ... doch insgesamt überwiegt ganz klar der Spaß

Nachdem sich der Wald lichtet, wird der Weg etwas breiter und kleiner Schotter und Steine charakterisieren den Weg bis zu einer kleinen Häuseransammlung. Hier wurden wir von einem netten Herrn zu einem Gläschen Wein vor seinem mit Tibet-Fähnchen geschmückten Wohnwagen eingeladen – aufgrund der vorangeschrittenen Uhrzeit, der herannahenden Gewitterfront und natürlich dem Sicherheitsaspekt für die weitere Tour mussten wir dieses Angebot leider ablehnen.

# Das Panorama weiß allzeit zu beeindrucken

Ab hier führt der Trail über einen Hohlweg mit einigen Stufen, immer wieder spaßigen Passagen, die zu Geschwindigkeit einladen und dann wieder langsameren Abschnitten, in denen man sich und sein Rad um größere Steine herumbalancieren muss. Das Wegenetz hier oben wurde zu Zeiten den 2. Weltkriegs großflächig ausgebaut, so kreuzen oder zweigen immer wieder andere Wege ab, die sich super idyllisch und sehr einladend zum Biken den Hang entlangwinden.

Für uns endete dieser Trailabschnitt in dem Ort Ussolo direkt neben dem Dorfbrunnen. Hier wurden wir freudig empfangen und angefeuert, eine ungewohnte Situation, denn in heimischen Gefilden werden Mountainbiker meist nicht so freudig begrüßt. Immer wieder schön, in Italien zu sein! Die letzten Meter zurück ins Tal geht es über Short-Cuts zwischen den Serpentinen der Straße, teilweise recht zugewachsen, aber noch gut fahrbar.

Alles in allem eine gelungene, konditionell fordernde, aber fahrtechnisch nicht sehr anspruchsvolle Tour. Und wir waren rechtzeitig vor dem Gewitter zurück!

Passo della Gardetta

Am zweiten Tag wollten wir uns die Gardetta-Hochebene anschauen, die uns im lokalen Bikeverleih / Shuttleservice / Campingplatz (CAMPKING – Sorgenti del Maira) empfohlen wurde. Wir haben dann auch gleich das Angebot genutzt und uns soweit wie möglich hochshutteln lassen.

# Wer Kraft sparen möchte, kann auch ein Shuttle buchen

Hinauf ging es 1000 hm, zuerst auf einer breiten Straße, die sich, immer schmaler werdend, zu einem sehr schmalen (ein Auto passt grad so drauf), sehr steilen und in vielen engen Serpentinen geschwungenen Sträßchen entwickelte. Ich hätte kein Auto mit Anhänger dort hochfahren wollen …

Oben angekommen mussten wir feststellen, dass andere wohl besser oder zumindest mutiger Autofahren als ich. So viele Defender, Landcruiser, Range Rover und Fiat Panda 4×4 mit Dachzelt und Aluboxen auf dem Dach und richtig breiten, profilierten Reifen habe ich noch nie in Europa auf einem Haufen gesehen. Es scheint der „Place to be“ zu sein. Verständlich, denn die Hochebene ist durchzogen von grobschotterigen Karrenwegen, bei denen der 4×4-Antrieb zu einem guten Einsatz kommt.

# Blick über die Gardetta-Hochebene samt zahlreichen Allrad-Enthusiasten

Abseits der Karrenwege führen zahllose Wanderwege auf umliegende Berge oder hinab ins Tal. Hier beginnt der Spaß für Mountainbiker und Wanderer!

Unser ursprünglicher Plan wurde von Mateo, unserem Shuttlefahrer, über den Haufen geworfen, denn „wenn ihr hier seid, dann müsst ihr den Weg vom Col Gardetta bis nach Acceglio fahren!“ Das haben wir dann auch gemacht und es war eine wirklich gute Empfehlung!

# Nach der Shuttlefahrt geht es aus eigener Kraft weiter
# Die Abfahrt will schließlich verdient sein

Der Trail erweist sich als sehr vielseitig. Im obersten Abschnitt ist der Weg breit (ca. 1 m) und sandig, hier und da mal ein fester Stein. Im Anschluss werden die Steine mehr und größer, bis der Weg sich geröllig mit einem Mix aus losen und festen Steinen zwischen alten Bunkeranlagen hindurchzieht. Im weiteren Verlauf werden die Steine wieder weniger und machen schmalen Pfaden auf Wiesenboden Platz.

Auch die Umgebung zeigt ein vielseitiges Landschaftsbild. Angefangen mit atemberaubender Fernsicht auf die umliegenden Berge, weiter durch mehr oder weniger bewohnte kleine Dörfchen und zwischendrin durch Waldabschnitte, entlang von Alleen oder über Wiesen. Alles dabei!

Fahrtechnisch kann der Trail von allen gefahren werden, einzelne Schlüsselstellen fordern erfahrene Biker, können aber auch gut geschoben oder teilweise umfahren werden. Alles in allem ein absolutes Allroundtalent!

# Der grandiose Ausblick ist fast allgegenwärtig
# Zahllose steinige Wanderwege führen hinab ins Tal
# ... ein Paradies für alle Zweirad-Freunde

Elva-Tour

Dann ging es für uns auf den Elva-Trail. Dieser Trail wird im Tourismusverband Val Maira MTB am meisten beworben, deswegen mussten wir ihn uns natürlich mit eigenen Augen anschauen. Hinauf ging es für uns mit dem eigenen Auto von Stroppo aus über eine kurvenreiche schmale Straße bis nach Elva, nichts für schwache Mägen.

Der erste Teil des Trails verläuft zunächst ohne große Schwierigkeiten relativ breit auf und ab am Hang entlang, ein klassischer Spirelli-Trail, wie er oft in dieser Region zu finden ist. Anschließend wird der Weg schmaler, steiler, gerölliger und kreuzt immer wieder die Straße. Mal geht es über Kuhweiden, mal durch ein Wäldchen, bis man den Ort San Martino erreicht.

# Der Elva-Trail ist abwechlsungsreich

In diesem idyllischen Örtchen sollte man ein paar Minuten Zeit nehmen, denn mit seinen alten Häusern, den bunten Blumen und dem Brunnen lohnt es sich auf jeden Fall. Kulturmuffel müssen keine Angst haben, man ist schnell fertig, denn der Ort ist ganz klein.

Danach wird der Trail etwas schwieriger mit mehr losen Steinen, größeren Stufen und einigen Spitzkehren. Zuerst führt der Weg über freies Gelände und ermöglicht so nochmals einen Blick auf den Ort San Martino oder die Kirchen von Stroppo, den nächsten Ort, und natürlich auf die umliegenden Berge. Das letzte Stück nach Stroppo führt durch einen Wald, hier wird der Weg etwas weniger geröllig, Steilheit und Spitzkehren bleiben.

# Bis zum Örtchen San Martino ist er relativ leicht ...
# ... danach wird er dank loser Steine, größerer Stufen und Spitzkehren etwas schwieriger

Von Stroppo führt das letzte Trailstück bis zum Tal über einen schmalen Wiesenweg am Hang entlang. Der Weg ist nicht schwierig, dennoch ist Vorsicht geboten: Rechts geht es steil bergab und hin und wieder ist ein Stück des Weges weggebrochen, sodass man absteigen und sein Rad über das Loch heben muss. Alternativ kann das letzte Stück auf der Straße umfahren werden. Die Elva-Tour ist auf jeden Fall empfehlenswert, sowohl als Shuttle-Tour als natürlich auch selbst getreten. Auf dem Trail kommen erfahrenere Fahrer auf ihre Kosten, aber auch Anfänger können ihn fahren, wenn sie mit losem Geröll umgehen können.

# Gegen Ende gibt es dann wieder weniger Geröll und lose Steine
# Das grandiose Panorama bleibt

Fazit

Obwohl es offensichtlich ist, dass der Tourismus in den letzten Jahren hier einiges vorangetrieben hat, steckt alles noch in den Kinderschuhen. Dennoch ist das Val Maira keinesfalls ein schwarzes Loch, sondern ein sehr empfehlenswertes Urlaubsziel für Mountainbiker. Die Trails sind schön natürlich und es gibt sicherlich noch viel mehr als die von uns getesteten, die Infrastruktur ist größtenteils ideal zum Shutteln, aber man kann genauso gut bis kurz unterhalb des Gipfels treten. Und alles ist in ein wirklich schönes Panorama eingebettet. Wir waren sicher nicht das letzte Mal hier!

Wer von euch war schon mal im Val Maira? Und wer hätte nach diesem Bericht Lust, der Gegend einen Besuch abzustatten?

Text & Fotos: AlpineBiking

Information: MTB-News.de steht in keiner Weise in finanzieller Verbindung zu Verfasser, Fotograf oder Organisator des Berichts. Der Bericht über das Val Maira wurde uns von AlpineBiking kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Die mobile Version verlassen