Specialized Stumpjumper Expert 6fattie im Test: Seit ich das Stumpy 6fattie, die 27,5+Version des Specialized Stumpjumper, im vergangenen April das erste Mal live gesehen hatte, habe ich mich auf diesen Test gefreut: Das Bike sah einfach fantastisch aus, und die Kombination aus mittlerem Federweg und den neuen 650+ Reifen klang vielversprechend. In Queenstown hatten wir die Gelegenheit, das Bike über die Trails zu scheuchen.
Specialized Stumpjumper Expiert 6fattie: Das Bike
Wo und wie wurde getestet?
Da Specialized seinen jüngsten Wurf als „Trail-Monster“ anpreist, sollten die 7 Mile Trails von Queenstown ein ideales Testgelände bieten. Vielfältige Trails, hauptsächlich von mittlerer Schwierigkeit, und etwa 150 hm, zwischen denen man immer wieder rauf und runter fahren konnte. Getestet wurde die mittlere Ausstattungsvariante „Expert“ – in Größe M. Bereits vorab war ich zuhause das Specialized Stumpjumper 27,5“ S-Works 2016 gefahren, von Maxi gibt es einen Testbericht zum 29“ Stumpy 2016 in der S-Works und der Elite Variante.
Das Setup des eigens von Fox für Specialized überarbeiteten Float CTD Dämpfers geht denkbar einfach vonstatten: Aufpumpen, aufsitzen, auf das Auto-Sag-Ventil gedrückt, bis keine Luft mehr entweicht, was erst nach mehrmaligem Drücken der Fall ist. Dann sind ziemlich genau 25 % Sag eingestellt und es kann los gehen. Die Reifen werden auf Empfehlung der Specialized-Mitarbeiter mit 1,0 Bar vorne und 1,1 Bar hinten aufgepumpt, bei meinem Gewicht von 70 kg sei das ein guter Wert. Das Bike bietet 135 mm Federweg, also 15 weniger als das 27,5″-Stumpy.
Geometrie
S (16) | M (18) | L (20) | XL (22) | |
---|---|---|---|---|
Lenkwinkel | 67° | 67° | 67° | 67° |
Sitzwinkel | 74° | 74° | 74° | 74° |
Oberrohrlänge horizontal | 563 mm | 590 mm | 616 mm | 648 mm |
Steuerrohrlänge | 95 mm | 95 mm | 125 mm | 145 mm |
Sitzrohrlänge | 396 mm | 430 mm | 468 mm | 523 mm |
Tretlagerabsenkung | 33 mm | 33 mm | 33 mm | 33 mm |
Kettenstrebenlänge | 437 mm | 437 mm | 437 mm | 437 mm |
Radstand | 1122 mm | 1149 mm | 1179 mm | 1212 mm |
Überstandshöhe | 754 mm | 761 mm | 770 mm | 777 mm |
Reach | 386 mm | 413 mm | 431 mm | 457 mm |
Stack | 618 mm | 618 mm | 646 mm | 664 mm |
Ausstattung
Expert | S-Works | Comp Carbon | Comp | |
---|---|---|---|---|
Rahmen | FACT 9m Carbon, M5 Alu Hinterbau, 135 mm Federweg | FACT 9m Carbon, M5 Alu Hinterbau, 135 mm Federweg | FACT 9m Carbon, M5 Alu Hinterbau, 135 mm Federweg | M5 Alu, 135 mm Federweg |
Farbe | Anthrazit Metallic | Schwarz | Weiß | Schwarz-Rot |
Gabel | Fox 34 Plus Performance Elite, 150 mm | Fox 34 Plus Factory, 150 mm | Fox 34 Plus Performance, 150 mm | Fox 34 Plus Performance, 150 mm |
Dämpfer | Fox Float Factory DPS, Rx Trail Tune | Fox Float Factory DPS, Rx Trail Tune | Fox Float Performance DPS, Rx Trail Tune | Fox Float Performance DPS, Rx Trail Tune |
Umwerfer | - | - | - | - |
Schaltwerk | SRAM X01 | SRAM XX1 | SRAM GX | SRAM GX |
Kassette | SRAM XG-1180, 11-42t | SRAM XX1 | SRAM XG-1150, 11-42 | SRAM XG-1150, 11-42 |
Kette | SRAM PC-X1 | SRAM PC-XX1 | KMC X11L | KMC X11L |
Kurbel | SRAM S-2200, Carbon, PF30, 28t | SRAM XX1 Carbon | SRAM GX-1000, PF30, 28t | SRAM GX-1000, PF30, 28t |
Steuersatz | Hella Flush | Hella Flush | Hella Flush | Hella Flush |
Vorbau | Specialized XC | Syntace F-109 | Specialized XC | Specialized XC |
Lenker | Specialized 7050 Aluminium, 750 mm, 10 mm Rise | Specialized FACT Carbon, 750 mm, 10 mm Rise | Specialized butted 6000 Aluminium, 750 mm, 10 mm Rise | Specialized butted 6000 Aluminium, 750 mm, 10 mm Rise |
Griffe | Specialized Sip Grip | Specialized Sip Grip | Specialized Sip Grip | Specialized Sip Grip |
Shifter | SRAM X1 | SRAMXX1 | SRAM GX | SRAM GX |
Bremse | Shimano Deore XT, Ice-Tech Beläge | Shimano XTR Trail, Ice-Tech Beläge | Shimano Deore | Shimano Deore |
Sattelstütze | Command Post IRcc, 125 mm | Command Post IRcc, 125 mm | Command Post IRcc, 125 mm | Command Post IRcc, 125 mm |
Sattel | Body Geometry Henge Comp | Body Geometry Henge Expert | Body Geometry Henge Comp | Body Geometry Henge Comp |
Laufräder | Roval Traverse 650b alloy, 29 mm Innenbreite | Roval Traverse 650b carbon, 30 mm Innenbreite | Roval Traverse 650b alloy, 29 mm Innenbreite, Specialized Hi Lo Naben | Roval Traverse 650b alloy, 29 mm Innenbreite, Specialized Hi Lo Naben |
Reifen | Specialized 6fattie Purgatory / Ground Control, 60TPI, 650bx3.0" | Specialized 6fattie PUrgatory / Ground Control, 60TPI, 650bx3.0" | Specialized 6fattie Purgatory / Ground Control, 60TPI, 650bx3.0" | Specialized 6fattie Purgatory / Ground Control, 60TPI, 650bx3.0" |
Gewicht | 13,3 kg | 12,7 kg | 13,6 kg | 14,0 kg |
Auf den Trails
Erster Eindruck des Specialized Stumpjumper Expert 6fattie
Aufgesessen, losgefahren! Wie erwähnt, war ich bereits das ganz „normale“ 27,5“-Stumpy der neuesten Generation gefahren, und ich fand es außergewöhnlich gut. Die Sitzposition des Specialized Stumpjumper Expert 6fattie ähnelt der des normalen Stumpy, und so fühle ich mich direkt wohl. Nicht zu lang, nicht zu kurz, einfach bequem, ohne dabei unsportlich zu werden. Das Innenlager ist auch mit dicken Reifen recht niedrig, das vermittelt Sicherheit – und so machen wir uns an den Aufstieg.
Uphill
Schnell wird klar, dass die größeren, schwereren Laufräder fühlbar träger sind als die schlanken 27,5“ Räder. So fährt man nicht behäbig, aber doch gemütlicher dahin und freut sich auf die ersten Unebenheiten, die doch von den dicken Reifen geschluckt werden müssten… aber: Naja. Vor allem das bergauf kaum belastete Vorderrad fühlt sich richtig gehend hart an, springt leicht, Hüpfball-Gefühle. Hinten geht das Konzept aber auf, der Reifen schmiegt sich unter meinem Gewicht an den Untergrund. Das fühlt sich gut an: komfortabel, richtig. Specialized hat ein schön kleines 28 Zähne Kettenblatt verbaut, wodurch auch steilere Passagen kein Problem sind. Die 125 mm Verstellbereich der neuen IRcc Technologie, die jedesmal wie ein Kabelbinder klingt, empfinde ich eindeutig als zu wenig für Rahmengröße M. Die Stütze ist einige Zentimeter weit rausgezogen, selbst Sitzriesen dürften in diesem Rahmen eine 150er Stütze fahren können. Pluspunkt: Der Remote-Hebel, der so mit das beste ist, was bisher eine Sattelstütze auf und ab bewegt hat.
Die Traktion der Specialized-eigenen Reifen ist bergauf gut, solange der Untergrund kein Kies oder Schotter ist. Dann sind die breiten Walzen klar im Nachteil, rutschen wie ein Snowboard im Tiefschnee nur auf der obersten Schicht aus, anstatt etwas eingegraben Halt zu finden. Auf Stein und Wurzeln passt die Traktion aber, auch wenn der Reifen generell etwas zahnlos daher kommt.
Mit höheren Stollen dürfte sich sicher noch mehr aus den breiten Reifen holen lassen, die Kombination aus Purgatory / Ground Control erinnert etwas an einen flachen Laufschuh: Rollt gut, greift aber nur dank der Breite gut. Generell muss man sagen: Der Reifen rollt für seine grobe Optik gut, kann aber weder mit seinem 27,5“ noch mit seinem 29“-Pendant in gewöhnlicher 2,3“-Breite mithalten, solange es nicht ganz grob zur Sache geht. In den meistens ziemlich glatten Anstiegen des Testgeländes habe ich damit das Nachsehen, aber wer gemütlich unterwegs ist, wird die verlorenen Sekunden nicht schwer bereuen. Die gute Nachricht: Hier wippt und schaukelt nichts, das Heck ist schön effizient und versinkt auch in steilen Passagen nicht allzusehr.
Spielerei
Im Trailnetzwerk „7-Mile“ gibt es immer wieder kleine Spielplätze: Steilkurven, Sprünge, North-Shores. Als ich den ersten dieser Spielplätze sah, musste ich gleich daran denken, wie behände das 27,5“-Stumpy das Beste aus solchen Spielplätzen macht – es springt leichtfüßig und surft wie von selbst. Sein pummeliger Bruder dagegen… ja, auch er springt, und die Traktion auf North Shores geht in Ordnung, aber gegenüber dem etablierten Bike wirkt der Frischling, als würde heftige Arthritis seine Beweglichkeit einschränken. Die Kettenstreben sind mit 437 mm zwar auch hier markentypisch kurz gehalten, aber eben nur im Vergleich zu anderen Plus-Bikes oder 29“-Bikes.
Downhill
Zeit für die Abfahrt, die bei einem Trailbike ja ebenfalls zumindest zu 50 % zum Gesamteindruck beitragen sollte. Die Trails bieten hier verschiedene Möglichkeiten: Grin & Holler erinnert an eine Achterbahn: Steilkurven, kleine Sprünge, viel Flow. IB55 dagegen kommt steiniger daher, ebenfalls mit kleinen Sprüngen. Und Satans Corridor bietet mehr Steilheit und technischeren Anspruch.
Die Geometrie des Bikes sorgt für eine sichere, souveräne Vorstellung. Das Bike lässt sich recht flott von Kurve zu Kurve steuern, mit etwas Mühe surfen und einfach über Stufen ziehen. In Steilabfahrten präsentiert es sich ebenfalls sicher und unspektakulär, was insgesamt eine gute Beschreibung für den Fahreindruck ist. Den bleibendsten Eindruck hinterlässt das Bike in einer Passage mit mittelgroßen Steinen unter leichtem Bremsen bergab: Die Reifen leisten die Hauptarbeit, das Fahrwerk legt nochmal etwas drauf und das Ergebnis ist ein ausgesprochen ruhiges Fahrgefühl – genau so hatte ich mir das vorgestellt.
Alles in allem ist auch bergab die Haftung gut, aber nicht so gut wie erhofft, ja: In vielen Situationen, auf harten Böden mit einer Schicht loser Erde sowie auf Kies, sogar schlechter oder nur gleich gut wie mit normalen Reifen. Auf steinigem Grund dagegen blühen die Reifen auf, bieten sowohl Grip als auch Komfort. Nach zwei Abfahrten senke ich den Druck auf 0,85 / 0,95 Bar, was nochmals spürbar mehr Komfort und Halt bietet. Doch während das Kurvenverhalten und die Spurtreue vorher noch gut war, kriege ich jetzt, selbst ohne es zu forcieren, in Kurven stark zur Seite walkende Reifen. Das fühlt sich nun nicht mehr präzise an – und ein Durchschlag im nächsten kleinen Steinfeld lässt mich den Druck wieder auf 1,0 / 1,1 Bar anheben.
Dann wäre da noch das Fahrwerk: Das funktioniert ganz gut, mehr aber auch nicht. Es kann auch, nachdem ich den Sag auf 30 % erhöhe, nicht richtig überzeugen und fällt im Vergleich mit dem normalen Stumpy stark ab: Weniger lebhaft, weniger agil. Das Hinterrad verspringt viel mehr, es erreichen mehr Schläge den Fahrer. Die Endprogression stimmt, sodass es zumindest nicht durchschlägt, aber insgesamt gibt es hier noch Arbeit zu tun. Wir sind uns nicht sicher, ob das Mehrgewicht (der Hinterreifen kommt auf 950 g, etwa 300 g mehr als am 27,5“-Bike) oder der niedrige Druck stärker dazu beiträgt – vermutlich sind es beide Effekte: Der ungedämpfte Reifen erfordert einen anderen Dämpfer-Tune, die größere ungefederte Masse macht die Federung generell träger. Zwar hat Specialized laut eigener Aussage den Tune des Dämpfers speziell an die dicken Reifen angepasst, aber auf dem Trail fühlt er sich nicht ganz gelungen an: Leichte und mittlere Schläge werden zu stark weitergegeben, weil der Dämpfer zwar gut anspricht, aber nicht viel Federweg freizugeben scheint. Das tut er bei Sprüngen, aber nicht bei Wurzelteppichen oder Steinfeldern.
Sonstiges zum Specialized Stumpjumper Expert 6fattie
Auch das 6fattie Stumpy kommt mit der neuen Ladeluke im Unterrohr sowie den inzwischen Specialized-üblichen SWAT-Details: Werkzeug über der Dämpferaufnahme, Kettennieter im Steuerrohr, Stauraum im Unterrohr. Wer gern ohne Rucksack fährt, wird es lieben, alle anderen fahren mit einem (unmerklich!) schwereren Rahmen über die Trails – für uns ist der eingebaute Gepäckraum Geschmackssache und Alleinstellungsmerkmal. Zum Plus-Konzept würden wir an dieser Stelle sagen: Auch die erste Generation 29“-Bikes war noch alles andere als perfekt – mit mehr Erfahrung werden die Plus-Fullies sicher noch besser. Schon ein griffigerer Reifen wie der Vee Rubber Trax Fatty ist mit seinen gröberen Stollen und dem weicheren Gummi bei gleichem Gewicht ein Fortschritt.
Nachtrag (15.11.15): Im Stumpy 6fattie können problemlos 29″-Laufräder verbaut werden. Das ist eine attraktive Option, da man damit (mit 2 Laufradsätzen) das ideale Rad für jeden Untergrund fahren kann. Erwartet man viele Wurzeln und Steine, sind die Fatties die bessere Wahl. Sind Rollwiderstand und Präzision entscheidender, werden die 29″-Räder montiert.
Specialized hat uns außerdem informiert, dass den Reifen seit September ’15 außerdem das „Grid Casing“ verpasst wurde, eine andere Seitenwand-Konstruktion, die dem Reifen mehr Stabilität verleiht. Dadurch sollen Walken und Durchschläge reduziert werden – das klingt viel versprechend.
Specialized Stumpjumper Expert 6fattie im Test: Fazit
Die Reifen überzeugen noch nicht, der richtige Reifendruck ist kaum zu finden und das Fahrwerk wirkt noch nicht so perfekt abgestimmt wie beim „normalen“ Stumpy, egal ob mit 27,5“ Rädern oder mit 29“ Rädern, wie es mein Kollege Maxi bereits getestet hat. Damit ist das Plus-Stumpy für uns (noch?) nicht der große Wurf, auch wenn es auf steinigem Untergrund viel Sicherheit, Traktion und Komfort bietet. Wer gern mehr zu 650b+ lesen möchte: Ein ausführlicher Bericht zu den Reifen inklusive Vergleich zu 29" findet sich hier.
Weitere Informationen
Website: www.specialized.com
Text & Redaktion: Stefanus Stahl | MTB-News.de 2015
Bilder: Stefanus Stahl, M. Höll
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