Specialized S-Works Power Mirror – Infos und Preise
- EPU-Satteldecke aus dem 3D-Drucker mit 14.000 Zellen
- Vielfach genauere Definition der Entlastungszonen
- Dämpfung in Satteldecke hinein konstruiert
- Carbon-Sattelschale- und Streben des S-Works Power Sattels
- Breite 143 und 155 mm
- Gewicht 190 g (gewogen)
- Verfügbar ab sofort
- www.specialized.com
- Preis 399,90 € (UVP) Bikemarkt: Specialized S-Works Power Mirror kaufen

Im Detail
Im vergangenen Juni wohnte Rennrad-News-Chefredakteur Jan Gathmann der Präsentation des neuen S-Works Power Mirror-Sattels bei und war begeistert – klar, dass wir bei so einem spannenden ersten Eindruck den MTB Sattel auch im Trail- und Enduro-Einsatz testen mussten. Bevor wir zum Fahreindruck kommen, möchten wir noch kurz umreißen, warum der Sattel für exorbitante 399 € verkauft wird: Die Kosten liegen nicht nur im Einsatz von Carbon-Satteldecke und -streben, sondern insbesondere im Herstellungsprozess, denn der Sattel besteht aus 3D-gedrucktem Polyurethan. Der „Druck“, genauer gesagt die „Digitale Lichtsynthese“, kann aber auch mit anderen Materialien erfolgen.
Die Verdienste von Carbon 3D, dem Lieferanten der Technik, sind dabei zweierlei. Erstens die Massenfertigung: Die Produktionsweise kommt bereits seit zwei Jahren für den Adidas-Sneaker „Futurecraft 4D“ zum Einsatz. Laut Ananda Day, Projektmanagerin bei Carbon 3D, wird in diesem Jahr die Millionengrenze mit dem Laufschuh überschritten. Für den Specialized Mirror-Sattel können je 3 Decken in 35 Minuten aus dem Drucker gezogen werden – anschließend muss das Material nur noch im Ofen auf seine finalen Eigenschaften getrimmt werden.

Noch entscheidender ist aber der zweite Faktor: Carbon 3D steuert das Software-Know-How bei, das Daten in Materialstrukturen übersetzt. Und Specialized besitzt durch das eigene Body Fitting-System „Retül“ Daten in Hülle und Fülle. Zehntausende detaillierte Sitzpositions- und „Satteldruck“-Daten liegen dort vor. Welcher Druck bei welcher Beckenform und Schuh-Einstellung und Sitzposition entsteht – das Body Geometry Team weiß es. Erst die Kombination aus Ergonomie-Daten und ihrer „Übersetzung“ in Material und Struktur macht die verblüffende Wirkung der Satteldecke aus.

Und besagte Struktur sieht ganz schön futuristisch aus: Insgesamt laufen 14.000 elastische Verstrebungen durch den Sattel, die sich an insgesamt 6.000 Knotenpunkten treffen. Der Clou besteht darin, dass sich die Verstrebungen in Größe, Dicke und Eigenschaften stark unterscheiden, je nach Position am Sattel: Weiter oben liegende Waben können zur besseren Druckableitung und Verteilung geformt, weiter unten liegende können federnd wirken. Dies hat sich Specialized mithilfe der tausenden Retül-Daten entsprechend zunutze gemacht und möchte dies mit dem Power Mirror-Sattel genau realisiert haben – eine hochwertige Dämpfung in Kombination mit besten Sitzeigenschaften und Entlastung der Sitzknochen. Dann montieren wir das schöne Stück doch einmal.

Auf dem Trail
Ein kleiner Hinweis, bevor wir den Sattel auf die Trails entführen: Durch die ovalen Sattelstreben schließt Specialized ausdrücklich die Stützenklemmungen aus, die nur runde 7 mm-Rails aufnehmen. So geschehen bei einem ROSE-Rennrad mit D-Shape-Stütze, die zwar schick ist, aber nur runde Rails aufnimmt und das zusätzlich ebenfalls für ein paar Testkilometer entführt worden sollte. Hier lohnt sich ein Blick in die Zubehörlisten der Hersteller – im Falle von Rose bieten die Bocholter alternative Stützen-Einsätze an, welche auch für ovale Streben funktionieren. Bei der primär genutzten BikeYoke-Variostütze gab es keine Probleme, durch die vertikale Klemmung – über die nahezu alle Variostützen verfügen – ist der Sattel problemlos installierbar.
Was für Specialized Power-Kenner nichts Neues ist, fällt allen anderen als Allererstes auf: Der Sattel, den wir in 143 mm Breite testen, ist kurz. Richtig kurz! Kompakt geschnitten haben alle Power-Modelle eine stark verkürzte Sattelnase. Das fällt nur optisch auf, im Fahrbetrieb verschwendet man daran keinen Gedanken – denn so weit nach vorne schiebt man sich in der Regel selbst bei extremen Steigungen nicht, ohne dass es bei langen Sätteln richtig unangenehm wird. Grundsätzlich ist die Kürze des Sattels praktisch: Man hat insgesamt mehr Bewegungsfreiheit und bleibt mit etwas weiteren Hosen auch nicht mehr an der Sattelspitze hängen.

Aber spulen wir nochmal zurück. Man setzt sich drauf. Und denkt: Mensch, der ist aber gut eingesessen. Ein Gefühl, das man bisher noch nicht von einem fabrikneuen, nie gefahrenen Sattel hatte, breitet sich vom linken bis zum rechten Sitzhöcker aus und man denkt: Das erste Sitzgefühl ist ungewohnt gewohnt. Einerseits sehr weich, eher elastisch-gedämpft denn Sofa-Feeling, andererseits straff und definiert. Etwas ungewohnt ist die Griffigkeit des S-Works Power Mirror: Während man auf den meisten Sätteln mehr oder weniger herumrutschen kann, hat der Power Mirror durch das eingesetzte Material und die Golfball-ähnliche Struktur viel Grip.

In Bewegung verstärkt sich das Gefühl eines Sattels, den man schon sehr lange fährt. Nichts drückt, die Beinfreiheit entlang der Sattelnase ist auch mit dickeren Oberschenkeln immer gegeben und auch die empfindlichen Bereiche werden angenehm entlastet. Anzumerken ist, dass mir der Sattel ohne Polsterhose sogar noch besser gefiel als mit – durch die definierte Dämpfung vermisst man kein zusätzliches Polster. Auf dem Rennrad macht sich der Effekt des Sattels übrigens noch stärker bemerkbar: Je sportlicher man sitzt, desto mehr ist die zusätzliche Entlastung spürbar und gerade, wenn es rumpeliger wird, lernt man die zusätzliche Dämpfung mehr zu schätzen.
Das ist uns aufgefallen
- Dreck – yay Offenporige Konstruktionen sammeln sich mit Matsch voll. Ja, davon kann sich besonders der Power Mirror nicht von freimachen – wir sind den ganzen Winter durch mit dem Sattel unterwegs gewesen und haben ihn unfreiwillig dutzendfachem Schlammbeschuss ausgesetzt. Und den kriegt man definitiv nicht ohne Wasserschlauch oder Reinigungsgerät raus. Mit dem Bosch Fontus beispielsweise, den wir für die Reinigung öfter nutzen, waren die zugesetzten Räume zügig freigespült. Nur die Oberfläche des Sattels ist etwas hartnäckiger, wenn es um die blitzblanke Feinarbeit geht.
- Abnutzung – nay „Ja aber dieses dünne Gummizeug geht doch voll schnell kaputt!“: so ähnlich klang es hier und da in den Kommentaren. Ein paar Stürze gab es mit dem Sattel, allerdings hat er in dem halben Jahr bislang keine nennenswerten Anzeichen von Abnutzung davongetragen. Insbesondere bei den flexiblen Streben im mittleren Bereich des Sattels waren wir uns sicher, dass diese irgendwann reißen oder beschädigt werden würden – bislang ist allerdings alles weiterhin heile, auch die Materialeigenschaften haben sich im Laufe des heißen Sommers trotz viel Sonne nicht verändert. Lediglich optisch sieht man seitlich ein paar matte Abnutzungsspuren.
- Für alle perfekt? Wir können nur für uns sprechen – bei keinem der Tester gab es negatives Feedback, im Gegenteil. Dennoch können wir natürlich nicht ausschließen, dass der Sattel manchen Personen nicht passt.
- Kälte Die letzten Wochen gab es perfektes Wetter, um den Sattel nicht nur bei 35° plus, sondern auch bei bis zu -15° Celsius zu testen. Und während sich Luftfederelemente nicht mehr mit Wonne bewegen lassen, lässt dies den S-Works-Sattel im wahrsten Sinne des Wortes kalt: Die Dämpfungseigenschaften sind zwar bei Kälte gefühlt etwas geringer, allerdings weiterhin vorhanden.
- Oval Office Die ovalen Sattelstreben können den Einsatzbereich limitieren, denn nicht jede Stützenklemmung nimmt das etwas weniger verbreitete Streben-Maß auf. Es gilt, vorher nachschauen, bevor man das Geld in den teuren Sitz investiert.
- Wärme Durch die Konstruktion ist der Sattel außerordentlich gut belüftet. Und auch hier, beim anderen Temperaturextrem, sind die Dämpfungseigenschaften unverändert gut.
Fazit – Specialized S-Works Power Mirror Sattel
Es juckt ein bisschen in den Fingern: Man muss doch etwas Negatives zu diesem Sattel sagen können. Klar, der Preis schreit hier ganz laut ICH! NIMM MICH! und das zu Recht, denn der Specialized S-Works Power Mirror Sattel ist mit fast 400 € grotesk teuer. Zwei bis oder drei sehr gute Konkurrenzmodelle sind im Vergleich zum gleichen Preis drin. Und dennoch gilt auch auf dem Mountainbike ein ähnlicher Eindruck wie bei unseren Kollegen von Rennrad-News: Der Power Mirror ist mit seiner Herangehensweise ein echter Game Changer und mit Abstand der – besonders auf langen Touren! – bequemste Sattel, den wir je gefahren sind. Du bist völlig zufrieden mit deinem aktuellen Sattel? Spar das Geld, behalte ihn und wechsle nicht! Du bist nicht zufrieden und seit Jahren auf der Suche nach dem perfekten Sattel? Der Specialized S-Works Power Mirror Sattel könnte es ziemlich sicher sein.

Pro / Contra
Stärken
- Dämpfung
- Ergonomie
- Gewicht
Schwächen
- Preis
Würdest du dir den Sattel kaufen?
Testablauf
Wir hatten den S-Works Power Mirror seit Mai 2020 an verschiedenen Bikes montiert und sind diesen im All Mountain- und Endurobereich, aber auch auf dem Rennrad gefahren.
Hier haben wir den Specialized S-Works Power Mirror Sattel getestet
- Singletrails, NRW Von flowig bis ruppig, garniert mit kurzen Rampen, entspannten Uphills und dem einen oder anderen steilen Anstieg.
- Engadin, Schweiz Lange, zehrende Abfahrten, die sowohl langes Gerumpel als auch schnelle Flowtrails beinhalten
- Fahrstil
- verspielt und sauber
- Ich fahre hauptsächlich
- Enduro, Trails, Pumptrack/Park/Street
- Vorlieben beim Fahrwerk
- Progressiv, nicht zu soft, schnelle Zugstufe
- Vorlieben bei der Geometrie
- Eher kürzerer Hinterbau, Lenkwinkel nicht extrem flach, die Front darf gern etwas höher
176 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumDanke nochmal.
Da steht nur RSL drauf, kannste schon machen. ;-)
Gibt mittlerweile ja auch den Power Expert mit Mirror, ist 3D "abgedeckt" und mit Ti-Streben statt Carbon
was für eine geile kiste!
Der Straßenpreis ist ja etwas gefallen und mit Black Friday-Prozenten war’s dann etwas erträglicher (auch wenn noch die 7x9-Aufnahme dazukam).

Die erste Ausfahrt habe ich hinter(n 🤓) mir. Soweit unauffällig: Material ist nicht zu weich, Grip höher als beim normalen Power.
Ein Wunder sollte man nicht erwarten, vor allem wenn man mit dem bisherigen Sattel zufrieden ist - aber ist ja ohnehin Gefühlssache 😉.
Antwort zum Langzeittest. Bin schon fast alle Selle, Selle San Marco, über diverse Tune Sättel zuletzt den SkyRacer, vier SQlab 2023 den 601 Carbon Ergowave gefahren, die alle tourentauglich sein sollten. Konnte dann den Specialized S-Works Ronin Mirrow 50km auf meinem neuen Gravel testen. Wurde direkt gekauft, wenn auch teuer. Nach nun knapp 1000km, bei Touren von i.d.R. 40 auch zwei mal 125km auf den schlechtesten Straßen Deutschlands, oft abseits der Straßen, viel Schotter, oder Kopfsteinpflaster, bin ich immer noch vom Komfort begeistert. Besser war nur der Selle San Marco Magma, der mir am Gardasee samt Stütze geklaut wurde, leider nicht mehr zu kaufen war.
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